Zwei Welten

In den Corona-Jahren (2020 — 2023) wurden mehr und mehr C‑Maßnahmen-Demonstrationen verboten. Der offizielle Grund: man ging davon aus, dass die Teilnehmer keine Masken tragen und keinen Abstand halten würden. Viele Aerosol-Forscher haben zwar damals schon gesagt, dass eine Virus-Übertragung im Freien gegen Null tendiert, aber das hat die politisch Verantwortlichen nicht davon abgehalten, unbequeme Demonstrationen zu kriminalisieren und zu verbieten.

Daraufhin nahmen die C‑Maßnahmen-Kritiker ihr demokratisches Recht auf Versammlungsfreiheit selbst in die Hand und organisierten sog. »Spaziergänge«. Spontane Zusammenkünfte, um gegen die verfassungswidrigen C‑Maßnahmen zu protestieren. Das kommentierte unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier so: »Der Spaziergang hat seine Unschuld verloren.«

Rechtsstaat und Demokratie
Ich war auf vielen dieser Spaziergänge. Wir alle hatten mehr Angst vor einem schrittweisen Abbau der (Rest-)Demokratie, als vor dem »Corona-Virus«. Unsere Angst war nicht unbegründet, denn seit März 2020 darf es zu den großen Themen (Corona, Klima, Gender, Ukraine, Gaza) nur noch eine Meinung geben. Die Cancel-Culture hat ebenso zugenommen, wie die Repressionen. Hinzu kommen regelmäßige »Regierungsessen« mit Verfassungsrichtern und anderes Justizversagen, die Kriminalisierung von Regierungskritikern (Reitschuster, Ballweg, Brandenburg etc.) und die staatlich finanzierte Bekämpfung von Alternativmedien (»Gegneranalysen« der Liberale Moderne, Amadeu Antonio Stiftung etc.).

Während die Menschen auf den Spaziergängen durchgehend friedlich waren, griff die Berliner Polizei immer wieder sehr hart durch. Sie teilte die Gruppen gewaltsam auf, versperrte Wege und Straßen oder nahm sich gezielt Personen heraus. Auch vereinzelte Knüppel-Aktionen kamen immer wieder vor. Es sollte und durfte keinen Protest gegen die grundgesetzfeindlichen C‑Maßnahmen geben.

Im Februar 2023 sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei Lanz:

»Was Schwachsinn gewesen ist, wenn ich so frei sprechen darf, sind diese Regeln draußen.«

Demonstrationen wurden also willkürlich und ohne jede nachvollziehbare oder verhältnismäßige Grundlage verboten. Dennoch gibt es bis heute keine Rehabilitierung der C‑Maßnahmen-Kritiker oder der Spaziergänger, die nichts weiter taten, als ihr demokratisches Recht wahrzunehmen.


Hypermoral und Gesinnung
Vor kurzem sprach mich in meiner Schule eine mir bekannte Mutter auf mein T‑Shirt an. Sie würde ja ständig mit ihrem Mann diskutieren, weniger Auto zu fahren und nicht mehr in den Urlaub zu fliegen, sondern mit dem Zug zu fahren, wegen dem Klima. Spaziergänge und mehr Wege zu Fuß laufen, seien heutzutage sehr wichtig. Sie lobte mein T‑Shirt als ein Zeichen für mehr Klimaschutz. Ich überlegte eine Sekunde, ob es wirklich Sinn machen würde, dieser gutbürgerlichen, finanziell sorgenfreien Bio-Öko-Mami den eigentlichen Hintergrund meines T‑Shirt-Statements zu erläutern — aber dann wandte sie sich schon ab, weil ihr Sohn um die Ecke kam.

In diesem Moment wurde mir wieder schlagartig bewusst, wie stark die gesellschaftliche Spaltung mittlerweile verankert ist. Ich hätte ihr vermutlich einen sehr langen Vortrag (mit Quellen und Original-Zitaten) halten müssen, damit sie versteht, was ich damit ausdrücken will. Aber selbst dann, hätte sie das Ganze vermutlich mit »Schwurbel«, »Querdenker«, »Corona-Leugner« oder sonst irgendeiner diffamierenden Moralkeule abgetan. Natürlich hätte sie mir das niemals direkt ins Gesicht gesagt, aber im Gespräch mit anderen Muttis: »Wisst Ihr was? Ich hab bei uns in der Schule so einen komischen Querdenker entdeckt! Das ist echt krass!«

Gerade die Grünen und die Grünen-Anhänger sind von einem demokratischen Verständnis mittlerweile meilenweit entfernt. Authentisch und interessiert Zuhören? Können und wollen sie nicht mehr. Alles wird mit Labels und Etiketten zugeschüttet. Grundrechte. Partizipation. Meinungsfreiheit. Versammlungsfreiheit. Rechtsstaat. Gewaltenteilung. Frieden. Pluralismus. Ist alles nicht mehr so wichtig, wie die Welt in »gut« und »böse« einzuteilen. Ein hypermoralisierendes Weltbild hat mit Demokratie aber nicht mehr viel zu tun. Ganz im Gegenteil: es leistet jedem Totalitarismus gute Vorarbeit.


telepolis.de vom 26. November 2023

16 Gedanken zu “Zwei Welten

  1. @Sascha
    Ja genau das...;-))
    Wie ich schon im Frühjahr 2020 schrub: »Wir oder die«!
    Nur, damals hatte ich noch eine ungefähre Vorstellung von »wir«... ;-)

  2. @Sascha

    Jap. Habe ich doch beschrieben. Ich muss dazu sagen, meine Schule liegt in einem eher gutbürgerlichen grün-öko-bio-Milieu. Die Eltern gehen ständig davon aus, dass alle so denken und handeln, wie sie selbst.

  3. Bei vielleicht oder nachweislich missverständlichen T‑Shirt Aufdrucken ist das Mitführen eines Beiblattes mit ausführlicher, schriftlicher Erklärung, das man unterbelichteten Zeitgenossen im Zweifelsfall in die Hand drücken kann, wohl empfohlen. Fruchtlose Diskussionen erübrigen sich dann auch gleich weil der andere 1. nicht damit gerechnet hat, 2. den Informationsoverkill erst mal erfassen und verarbeiten und 3. dann eine argumentativ adäquate Antwort sich ausdenken muss.
    Ich bevorzuge daher Sprüche, die aus sich heraus in den Gehirnen der Rezipienten zu synaptischen Blockaden führen, die eine spontan falsche Interpretation ohne Nachdenken gar nicht zulassen.

  4. @epikur

    Die Frage war auch eher rhetorisch, aber solche Leute erstaunen mich immer wieder. Ich sehe da nur zwei Möglichkeiten: entweder haben die so ein Siebgedächtnis/wahlweise Informationslücken oder sie stellen sich dumm, damit sie dir später bei Bedarf in den Rücken fallen können.

  5. @Sascha

    Ich glaube der Mutter sogar, dass sie es so gemeint hat. Die ticken genau so. Eine gutmütig-naive Weltsicht, dass man die Welt retten kann, wenn man weniger fliegt, Wärmepumpen installiert und mehr mit dem Zug fahren würde.

    Diese grüne C‑Maßnahmen-Befürworter-Bubble hat alles nachgequatscht und nachgedacht, was Tagesschau, Drosten, Lauterbach und Wieler gesagt haben — und das wars. Mehr war nicht. Mehr ist nicht. Bis heute.

    Die »Spaziergänge« kamen im ÖRR ja kaum vor. Und worüber nicht berichtet wird, das existiert auch nicht. Betreutes Denken im Endstadium.

  6. @epikur

    Soweit stimmt das, aber ich war auch in Mannheim spazieren, da war es dann der Tagesschau eine Meldung wert, als man sich in den Gassen prügelte. Ansonsten war es wohl zu friedlich für eine Meldung, wie man sie brauchte.

    @Pascal

    Ja, das mit dem Bericht ist schon mehr als bedenklich. Offenbar kam der zur falschen Zeit, wo man wieder die Werbetrommel rührt, die Leute öfter mal für ein, zwei Wochen auf der Nase liegen und Karlchen sein Corona-Gewarne wieder etwas wirksamer verbreiten kann.

  7. @Klaatu

    Ich hoffe, das ist eine Satire? Heute wird die Realität leider von jeder Satire eingeholt. Deshalb ist es gar nicht mehr so leicht, eine gute Satire zu schreiben. »Andersdenkende« zu kriminalisieren und zu pathologisieren liegt jedenfalls voll im Trend.

  8. @Klaatu
    Danke für den Link

    Grundsätzlich sollten sich Angehörige von Verschwörungsanhängern auf kein Gespräch auf Sachebene einlassen.

    Das hört man allenthalben, erklärt sie zu Nazis, für verrückt, gebt ihnen Medikamente, aber auf keinen Fall diskutiert mit ihnen sachlich, tauscht keine Argumente aus, es könnte sein, dass Ihr eure Position begründen müsstet. Das ist nicht notwendig, Ihr habt recht, sie sind Verschwörungsanhänger.

    Untersuchung in England: Menschen, die sich streng an die Corona-Regeln hielten, sind in der schlechtesten psychischen Verfassung

    Das ist jetzt etwas ungünstig, denn, wenn ich den C‑Maßnahmen nicht folge, bin ich ein kranker Verschwörungsanhänger. Folge ich ihnen werde ich psychisch krank.
    @epikur
    keine Satire.

  9. »Ein hypermoralisierendes Weltbild hat mit Demokratie aber nicht mehr viel zu tun. Ganz im Gegenteil: es leistet jedem Totalitarismus gute Vorarbeit.«
    Treffer versenkt. War auch schon immer so, wiederholt sich jetzt nur.
    Mehr Laufen als Auto fahren, macht schon Sinn, ganz unrecht hat die Ökomami nicht. Hätte dennoch gerne ihr Gesicht gesehen wenn sie den wahren Zweck erkannt hätte, soweit geht die Toleranz oft nicht, C‑Kritiker nicht alle in die rechte Ecke schubsen zu wollen, obwohl gerade auch bei mir vor Ort viele dabei sind die eher nach (ehemaligen?) Grünen aussehen, weit mehr als offensichtliche Rechte die es natürlich auch gibt.

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