Vor einiger Zeit absolvierte das gesamte Personal an unserer Schule einen Studientag zum Thema »Antisemitismus«. Das war eine Auflage vom Berliner Senat. Drei Dozentinnen vom »Kompetenzzentrum für antisemitismuskritische Bildung und Forschung«, vom Projekt »ACT gegen Gewalt« (natürlich gefördert vom Land Berlin), beglückten uns rund sieben Stunden mit zahlreichen Vorträgen zum Thema »Antisemitismus«. Meine Kolleginnen fühlten sich unwohl und unter Generalverdacht gestellt.
Deutung
Die drei Damen mussten ständig Themen »einordnen« und für uns »rahmen«. (das waren ihre Worte) Sie wünschten sich, dass wir fortan eine »Haltung« zum Thema Antisemitismus entwickeln würden. Natürlich sprachen sie vom sekundären, strukturellen, subtilen und vom unsichtbaren Antisemitismus. Dazu bemühten sie das Eisberg-Modell. Antisemitismus sei überall. Ständig. Täglich. Unbewusst. Aber dann das:
»Es gibt keine Definition vom Judentum.«
»Es gibt keine Definition vom Antisemitismus.«
»Auch ohne Juden würde es Antisemitismus geben.«
Hä? In meinem Kopf begann sich alles zu verknoten. Ich meldete mich und fragte, worüber wir hier eigentlich genau reden, wenn es keine Definitionen und keine Maßstäbe geben würde? Wenn hier alles so unpräzise, nebulös und schwammig gehalten wird? Am Ende sei »Antisemitismus« ja dann eine große Zauberwald-Wundertüte, in der jeder gerade das reinpacken kann, was politisch passen würde? Sie antworteten, dass es eben ein »Gefühl« sei. Also werden hier Menschen nach »Gefühl« verunglimpft, gebrandmarkt und als Antisemiten bezeichnet? Mit all den gesellschaftlichen Folgen für die jeweiligen Personen?
Stille im Saal. Dann lenkten sie ab und begannen vom »strukturellen Antisemitismus« zu reden. Also: wer beispielsweise Banken, »Eliten« und die Finanzindustrie kritisieren würde. Kaum Jemand traute sich irgendetwas kritisches zu sagen. Ich schaute mich um. Viele verdrehten die Augen oder schauten ungläubig. Zu schwer schwebte der Antisemitismus-Hammer über den Köpfen. Jeder weiß, was so ein Vorwurf für sozio-ökonomische und gesellschaftliche Konsequenzen haben kann.
Wahrnehmung
Die drei Damen waren völlig überfordert, als gefragt wurde, wie wir als pädagogisches Personal reagieren sollten, wenn beispielsweise zwei Erstklässler sich über irgendetwas Banales streiten und ein Kind dem anderen Kind dann vorwerfen würde, es würde das nur machen, weil es selbst jüdisch sei. Wenn also Kinder (oder Erwachsene) den Antisemitismus-Vorwurf als Werkzeug und Waffe benutzen würden, um eigene Ziele zu ereichen? Sie eierten rum. Die Frage sprengte ihr Konzept. Am Ende hielten sie fest, dass an jedem Antisemitismus-Vorwurf auch etwas dran sein müsse. Auch bei 6‑jährigen Kindern.
Nicht, dass ich falsch verstanden werde: natürlich ist jede Form von Diskriminierung abzulehnen. Ebenso Antisemitismus. Gleichzeitig ist jede Form der Falschbeschuldigung abzulehnen, weil sie die echte Diskriminierung und Diffamierung relativiert und verharmlost. Wir kennen das von den letzten Jahren insbesondere beim Nazi-Vorwurf. Wenn jede Regierungskritik »Nazi« sein soll, verharmlost man schlussendlich die echten Nazis. Und wenn jede Kritik an der Politik der israelischen Regierung sowie jeder Ruf nach Frieden »antisemitisch« sein soll, verharmlost man die echten Antisemiten.
Viele Kolleginnen wunderten sich zudem, warum wir keinen Studientag zu Sexismus oder Rassismus machen würden? Schließlich sind das Formen der Diskriminierungen, die wir in unserem Schulalltag deutlich häufiger erleben würden. Gerade bei den Willkommenskindern, auch wenn das Niemand hören will. Hier wurde ganz offensichtlich eine Rangordnung der Diskriminierung aufgemacht. Als ich einige Tage später Kolleginnen nach dem Studientag fragte, bekam ich von fast allen die gleiche Antwort: eine sehr unangenehme und aufdringliche Veranstaltung.
Also: wer beispielsweise Banken, »Eliten« und die Finanzindustrie kritisieren würde.
Damit ist doch alles gesagt.
Nur ein Tag?
Für die Hass-Woche sollte doch schon ein wenig mehr Zeit erübrigt werden können, oder nicht?
So etwas könnte man bei uns in der Firma nicht bringen. Zu viele Muslime. Da verlagert man lieber Arbeitsplätze oder Standorte. :)
Hoffentlich sind Sie damit nicht zu ›auffällig‹ geworden (...).
»Stille im Saal.«
Kam denn da von ihren Kollegen und Kolleginnen keine adäquate Reaktion? Kritik z.B. an den Verbrechen in Gaza: ›Antisemitismus‹?
Die Anklagen und Untersuchungen dahingehend vom IGH und IStGH sind dann wohl auch ›Antisemitismus‹, wenn einzelne Richterinnen vom IStGH sogar von den USA mit Sanktionen belegt wurden?
Man wundert sich und auch wiederum nicht.
@Paul
Ist der Ruf erst ruiniert... ;-)
»Gaza« war natürlich kein Thema. Wurde auch sofort abgebügelt.
ich könnte solchen bullshit-»weiterbildungen« keine 5 minuten beiwohnen.
und zum glück muss ich das auch nicht.
dagegen waren ja die, wenn überhaupt (in der regel für max. eine stunde), etwa vierteljährlichen »rotlichtbestrahlungen« an meinem zonen-arbeitsplatz ‑die ab und an den parteisekretären oder, vor allem, ihren hiwis, völlig entglitten und zu geradezu zu ungewollt spaßigen slapstick-veranstaltungen mutierten- geradezu ein vergnügen!
die zeit wurde außerdem oft genug für eine willkommene zusätzliche, bezahlte vesperpause genutzt...^^
dass ich jemals in einer noch idiotischeren zeit leben würde, in einer immer irrer werdenden verblödungsrepublik, hätte ich damals für unvorstellbar gehalten!
THIS IS WHAT WE GET
Frankreich hat angekündigt die sozialen Kanäle im August zu schliessen und eine Kommunikation via Telegram technisch zu unterbinden: https://t.me/rechtsanwaeltin_beate_bahner/18416