»Andor«

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»Wir sind billiger als Droiden und einfacher zu ersetzen.«
— Cassian Andor

Die Star-Wars-Serie »Andor« ist die bisher beste Umsetzung des SW-Universums. Zumindest nach meiner bescheidenen Meinung und den bisher 12 gezeigten Folgen. Die Charaktere handeln glaubwürdig und nachvollziehbar, die Dialoge sind solide und nicht auf Vollidioten-Niveau wie bei anderen, aktuellen Star-Wars-Produktionen und die Entscheidungen der Figuren haben echte Konsequenzen.

Das Imperium besteht hier nicht aus ein paar laserschwert-schwingenden Bösewichtern und namenlosen Witzfiguren, sondern aus einem totalitären, gleichgeschalteten und gnadenlosen Bürokratie-und-Überwachungs-Apparat. Dieser ist voller Eichmänner (und Frauen!), die nur ihren Job machen wollen und fest daran glauben, das einzig Gute und Richtige zu tun. Eine spoilerfreie Empfehlung.

Kollektive Zwangsneurose
Die Serie thematisiert rund fünf Handlungsstränge. Da wäre zum Einen, die Reise des Anti-Helden »Andor« (Diego Luna), der zunächst mehr Söldner und Dieb als überzeugter Rebell ist. Dann sehen wir den imperialen Befehlsempfänger Syril Karn (Kyle Soller), der an die Sache des Imperiums glaubt und vergeblich versucht, in diesem totalitären Apparat Karriere zu machen. Als dritten Handlungsstrang wird die politische Arbeit der Senatorin Mon Mothma (Genevieve O’Reilly) gezeigt und wie sie versucht, die Rebellion über Stiftungen und Netzwerke finanziell zu unterstützen. Der vierte Handlungsstrang beschäftigt sich mit dem Rebellen und Kampfpiloten Luthen Rael (Stellan Skarsgård), der offenbar viele Fäden in der Hand hält. Der fünfte Handlungsstrang zeigt die imperiale Geheimdienstmitarbeiterin Dedra Meero (Denise Gough).

Die Erzählung lässt sich Zeit. Es findet Worldbuilding sowie der langsame Aufbau von Charakteren und ihren Handlungsmotiven statt. Die Zuschauer werden ernst genommen, was man daran erkennt, dass nicht alles erklärt oder dem Zuschauer direkt ins Gesicht gesagt wird. Kinder und Jugendliche werden die Gesellschafts- und Kapitalismuskritik, die in diversen Subtexten zu finden sind, eher langweilig und verwirrend finden. Es gibt keine Plotarmors, kein infantiles schwarz-weiß-Denken und vor allem keine nervigen Deus-Ex-Momente, wie in vielen anderen Serien. Wenn die Protagonisten in einer schwierigen und ausweglosen Lage sind, dann bleiben sie auch vorerst in einer schwierigen und ausweglosen Lage. Aber genau das erzeugt authentische Spannung und Dramatik.

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Die radikale Mitte
Vielen dürfte die Serie zu düster sein. Strahlende Helden und plumpe Bösewichte sucht man hier vergebens. Und ja, die erste Staffel hat teilweise unnötige Längen. Sie thematisiert eher die Strukturen des Imperiums und was es für den Einzelnen bedeutet, in einem gleichgeschalteten Kontroll- und Überwachungsapparat leben zu müssen. Würde hier nicht Star Wars draufstehen, könnte es auch »1984 im Weltall« sein. Eine kitschige Gut vs. Böse Märchenerzählung gibt es hier nicht. Sie orientiert sich damit eher an Produktionen wie »Breaking Bad« oder »Game of Thrones«. Auch Humor ist kaum vorhanden.

Insofern ist das hier keine Familien- oder Kinderserie. Aber davon gibt es ja mittlerweile ‑gerade auch im SW-Universum- wohl mehr als genug. Hier erleben wir hautnah, was passiert, wenn der Rechtsstaat durch eine willkürliche Strafverfolgung ersetzt wird. Wenn Produktivität und Wettbewerb über Menschenleben stehen. Und wenn Konformismus, Anpassung und Unterwerfung die vorgegebenen Leitlinien der Regierung sind.

»Autorität ist zerbrechlich. Unterdrückung ist die Maske der Angst.«

Ein Mitglied der Rebellion

Für den durchschnittlichen Star-Wars-Zuschauer, der Laserschwert-Gefechte, CGI-Action sowie eindeutige Gut/Böse-Zuschreibungen braucht, um unterhalten zu werden, wird die Serie eher langweilig sein. Wer aber zur Abwechslung mal eine erwachsene Interpretation des Stoffes sehen möchte, ist hier genau richtig.

»So klang STAR WARS seit 45 Jahren nicht«


»Pachinko«
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10 Gedanken zu “»Andor«

  1. Ich hab mir das jetzt auch reingezogen.
    Sehr solide gemacht.
    Vor allem, erstaunlich, weil es mal so gar nichts mit dem Star Wars Universum zu tun hat.
    Nie, hätte ich mir das angeschaut, wenn du das nicht hier eingestellt hättest.
    Vieles, ist analog zur heutigen gesellschaftspolitischen Situation dargestellt.
    Vielen Dank nochmal...

  2. Ich habe mal wieder einen Filmtipp, oder besser eine Serie.
    Nein, auch das ist nicht ganz richtig.
    Es sind gleich mehrere Serien die allesamt zu einem Thema gehören.
    Es geht um die *Prequels* *1883* und *1923* zu der Hauptserie »Yellowstone« (bisher 5 Staffeln) einer Westernserie mit Kevin Costner, den man nicht unbedingt mögen muss, aber seit »Der mit dem Wolf tanzt« mit zu meinem Leben einfach dazu gehört.
    Beide Serien haben alles, was man von einer guten Serie einfach erwartet, ohne das man unbedingt ein ausgewiesener Westernfan sein muss.
    *1883* ist eine 10 teilige Serie, bei der sich alles um die Familie Dutton und deren Einwanderung mit einem Wagentreck nach Amerika dreht.
    Ich schaue alles immer im Original, also weiß ich nicht, wie es in den deutschen Fassungen so rüber kommt.
    Ungewöhnlich auch, dass es immer mal wieder eine Erzählerin aus dem Off gibt, wobei es sich bei beiden Serien, so wohl als auch, um die Hauptdarstellerin von 1883, sehr schön Isabel May handelt. Unglaublich die Originalstimme. Seufz...
    Bei 1923, (bisher 8 Folgen, 2. Staffel kommt) ist mit Harrison Ford, 81 aber wirklich großartig mit Hellen Mirren 78 eine fantastisch gute Besetzung erfolgt.
    Es ist ein Hochgenuß beide bei der Action und im Dialog zu sehen, respektive zu hören.
    Ich kann beide Kleinserien nur allen ans Herz legen, die epische und anspruchsvolle Unterhaltung mögen, da gerade in der ganzen letzten Zeit nur sehr wenig Gutes im TV zu sehen ist.
    Ein kleines Feedback, hier, fände ich auch toll, wenn’s denn keine Umstände macht...

  3. @PV

    Danke für den Tip! Habe ich noch nicht gesehen. Kommt auf die große Liste. Woher nur all die Zeit nehmen...

    Zuletzt habe ich »Il cacciatore« / The Hunter (2018) gesehen. Es geht um die Cosa Nostra, den Mord an Falcone sowie mutige Staatsanwälte, die es mit der Mafia aufnehmen.

    Wenn man bedenkt, dass sich hierzulande, Richter und Staatsanwälte schon nicht trauen, Urteile gegen unverhältnismäßige Corona-Maßnahmen zu fällen, muss man denen in Italien Respekt abzollen. Im Kampf gegen die Mafia riskieren sich nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihrer Familien. Und sie geben trotzdem nicht auf.

  4. Ich habe tatsächlich noch eine Westernperle gesehen.
    *The English* ist eine Kleinserie von 2022 in 6 Folgen, die sogar echte Tarantino Anleihen zeigt.
    Satte Farben mit großartigen Landschaften und Sinn für skurrile Handlungsabläufe sind garantiert.
    Eine blaublütige *Emily Blunt* und ein Ex US Indiannerscout (Chaske Spencer, nie gehört aber ein guter Mann) treffen dort aufeinander und beschließen gemeinsam weiter zu suchen.
    Und, gestorben wird reichlich... ;-)
    P.S. Leider ab 12, deswegen m.E. auch gekürzt.
    So einen Film sollte rein von der Anlage schon erst ab 18 ungekürzt laufen.
    P.P.S. Füge doch mal »Filmtipps« in deinem Themenbaum ein.
    Dann findet man solche Sachen auch wieder.

  5. @PV

    Na, es gibt genug Filmseiten. Ich fange damit gar nicht erst an. Das gibt es hier nur ab und zu mal nebenbei. Wenn Du so auf Western stehst: die Mini-Serie »Godless« (2017) fand ich noch recht gut gemacht.

  6. »Godless« kenne ich, hat mir gut gefallen. ;-)
    Bin dabei bei »Il cacciatore« mal reinzuschauen.
    Ich bin eigentlich gar kein Westernfan.
    Nur haben gute Western so etwas ursprüngliches oder auch animalisches, was einen so schön in die Abgründe des menschlichen Wesens blicken lässt.

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