Ich. Ich. Ich.

Je älter ich werde, umso mehr fällt es mir auf: der neurotisch-narzisstische Charakter, der primär heiße Luft ablässt und sich vorzugsweise nur um sich selbst drehen will, nimmt immer mehr zu. Ob im Restaurant, im Bus, im Zug oder auf der Lohnarbeit: überall begegne ich Menschen, die vorzugsweise über sich selbst sprechen wollen. »Ich« kommt in jedem zweiten Satz vor. Da erzählt Eine die ganze Zeit, wie viele Kerle sie toll finden und darüber was  ihre Bedürfnisse sind, was sie sich vorstellt, wie er zu sein hat und was sie sich wünschen würde. Eine Andere schwadroniert stundenlang im Restaurant am Nebentisch über ihre Uni, ihre Semesterarbeiten, wie toll sie doch alles so schafft, was wie wo sie ihren Master machen könnte. Und so weiter und so fort.

Keine ernstgemeinten Fragen. Keine Neugier. Keine Aufgeschlossenheit. Keine Lust am Wissen. Kein Bock auf echte Kommunikation. Kein aktives Zuhören. Als ich vor bald 15 Jahren studiert und mich mit Kommilitionen im Park oder Cafe getroffen hatte, haben wir noch lang und ausgiebig über die Themen diskutiert, die in den Seminaren und Vorlesungen behandelt wurden. Die Uni war nicht Mittel zum Karriere-Zweck, sondern Leidenschaft zu Wahrheit und Veränderung. Wenn ich heute Studenten in der Öffentlichkeit miteinander reden höre, vernehme ich nur egozentrisches Karriere-Geblubber.

»Der wahre Schaden entsteht durch jene Millionen, die überleben wollen. Jene ehrenwerten Menschen, die nur in Ruhe gelassen werden möchten; die nicht wollen, dass ihr kleines Leben von etwas größerem als ihnen selbst durcheinander gebracht wird.«

-Sophie Scholl

Auch die Ich-Blogs nehmen rasant zu. Dutzendfache Blogs, die nur über sich selbst, über ihr Leben, ihre Kinder, ihre Familie oder ihre Beauty-Ernährung-Lifestyle-Reisen-Wellness-Bla-Blubb-Geschichten schreiben. Mikrokosmos vor Makrokosmos. Sich bloß nicht mit Themen beschäftigen, die absolut nichts mit dem eigenen Leben zu tun haben. Sie könnten womöglich den eigenen Horizont erweitern.


Ich. Bin. Wichtig.
Selbstinszenierung

18 Gedanken zu “Ich. Ich. Ich.

  1. Als ich mit 6 Jahren mit meinem Vater auf dem Lorberg waren und wir unter uns die ganze Stadt sehen konnten, wurde mir klar was das eigentliche Problem ist.

  2. Manche sagen Bill Gates sei das Problem.
    Manche sagen Angela Hitler wäre es.
    Einige behaupten der Teufel sei es.
    Und jetzt kommst du und sagst uns Frankfurt am Main wäre das eigentliche Problem?
    Publicviewer, du machst uns hier alle noch fix und fertig. ;)

  3. Wie Douglas Adams zurecht umschreibt, führt die Erkenntnis eines intelligenten Lebenswesens, welche Bedeutung es wirklich und wahrhaftig im Universum einnimmt, zur Geisteskrankheit oder Selbstmord.
    Es ist eine Form des Selbstschutzes sich wichtiger zu nehmen als man ist.
    Dies alles gepaart mit der herrschenden Theorie führt zu den Auswüchsen oben. Ich bin wichtig und toll, weil ich um die Welt jette. (nicht: ich erweitere meinen Horizont durch Besuchen von anderen Ländern) Ich bin schön, weil ich die neusten Klamotten von X habe (nicht: ich achte auf einen gesunden Körper), ich bin sozialkompetent, weil ich Diskriminierungen anprangere (nicht: ich werde geachtet, weil ich anderen helfe) usw.

  4. »Die unheilvolle Neigung, über die Dinge nicht mehr nachzudenken, sobald sie nicht mehr zweifelhaft sind, hat die Hälfte aller menschlicher Irrtümer zu verantworten.«

    Blaise Pascal

    Ich denke, mehr muss man dazu nicht schreiben.

  5. @Kakapo3

    Douglas Adams

    Eins meiner Lieblingszitate aus dem Anhalter, das gut zur Überschrift (und vielleicht zum letzten halben Jahr?) paßt:

    Arthur stared into his beer. »Did I do anything wrong today?« he said. »Or has the world always been like this and I’ve been too wrapped up in myself to notice?«

  6. Zitat hab ich ei treffen:
    ›Wenn das hier schon das Leben ist, was machen dann die Toten?‹
    aus ›Verschwörung der Idioten‹ von DRK.
    Ich gebe mal einen Ich-bezogenen Statusbericht:
    die selbe Kassiererin des Tesco-Marktes in Cesky Krumlov, welche mir gestern noch freundlichst lächelnd mit offenem Gesicht flirtete, maß und kassierte mich heute mit verachtendem und gehetzten Blick eines Rehes im Scheinwerferkegel... O.K., ich war der Einzigste in diesem Markt ohne den Gesslerhut! Die Pflicht zu selbigem gilt seit heute (10.09.)! Gestern war ich noch eines Lächelns wert — heute bin ich eine tödliche Gefahr! Das ist so surreal, so krank, als könnte man Leute per Knopfdruck umprogrammieren. @Epikur: Sorry, aber damit bestätige ich ja Deinen richtigen Opener — man lebt halt in seiner (Gefühls-)welt.

  7. @all: das soll heißen: ein treffendes Zitat... Und ist vom HRK! Ich nehme auf Reisen nur noch das von der außenwelt gekappte HP Veer mit — die Wanze bleibt dahoam...

  8. Die machen uns jetzt fertig.
    Ich habe nie ein Smartphone besessen und werde es auch zukünftig nicht, denn »GOOGLE« ist der Feind schlechthin
    Schließlich sitzt Eric Schmidt im Pentagon als Berater.

  9. @Publicviewer: Du hast völlig recht, aber im beruflichen Alltag, geht das kaum noch ohne...
    ich nutze eine LineageOS-Ausgabe ohne G‑Apps, d.h. Nicht mal der PlayStore is da druff. Es ist und bleibt trotzdem ne Ganze, deshalb nur wenn erforderlich dabei... ;-)
    Die Zimmer zahle ich hier nicht voraus, wenn das hier noch schlimmer wird, muss ich mich nach Österreich davon machen. Dort verstehe ich die Beschimpfungen und Anfeindungen wenigstens... :-(
    ich bleibe dabei, mich maskiert niemand.

  10. @M.Sobol
    @Epikur: Sorry, aber damit bestätige ich ja Deinen richtigen Opener — man lebt halt in seiner (Gefühls-)welt.

    Glaube, epikur meinte das anders. Für mich ist eine Ich-ich-ich-Person à l’article eher Frau Merkel: die kümmert’s doch einen Schei*, wie’s irgendjemandem geht. Und sehr viel mehr als heiße Luft gibt die doch auch nicht ab.

    Sie und Arthur Dent leben in Ihrer eigenen Gefühlswelt, aber das ist per se nichts verwerfliches und macht Sie beide noch nicht zu egoistischen A********ern.

    P.S. mein Beileid zur Maskenpflicht. Der Kommentar von vor wenigen Tagen ließ mich schon nach einem Urlaub im Böhmerwald lechzen.

  11. Nochmal zu meinem Zitat:
    Arthur Dent sagt das, nachdem er mit Ford Prefect in den Pub gegangen ist, weil ein irrer Vogone mit dem Bagger vor seinem Haus steht und dieses abreißen möchte.
    Bei uns stehen die Wirrologen vor der Tür, mit der Spritze in der Hand, und die Vogonin Merkel möchte unser Land darniederreißen.
    Nur daß wir nicht mal mehr in die Kneipe gehen können, uns mit vier Pint gutem Bier gediegen zu besaufen. Und kein Ford Prefect einen Babel Fish anbietet und fragt, ob wir ein Handtuch zur Hand hätten: auswandern ist nicht.
    Und man fragt sich: war die Welt schon immer so, und wir haben es nur nicht gemerkt, weil wir zu sehr mit uns selber beschäftigt waren...

  12. @Tiffany: danke für die Ergänzung, kein Widerspruch.
    Ich bin jetzt in ein kleineres Familien-geführtes Pensiönchen direkt am Moldau-Stausee umgezogen. Hier ist es noch etwas entspannder, die Schnarchnasen sind maskiert, eine Menge auch nicht und bis jetzt ist man auch ’nackich‹ willkommen — Stand 11.9.
    Vorkasse nicht notwendig. Ich hab vorm Fenster die Fähre und bin nach 6 km in Austria, nur so für den Fall der Fälle... :-O
    mal schauen wie lang die zweite Woche hier noch so wird! B-)

  13. @Tiffany
    Dein Zitat umschreibt, was ich in der jetzigen Krise auch wahrnehme: Alles was passiert, ist die Fortsetzung von Entwicklungen, die es vorher schon gab (und die wir nicht verhindert haben.)
    @M. Sobol
    Was du erlebst, deckt sich mit meinen Wahrnehmungen in Deutschland, Österreich und Italien. Entgegen dem allgemeinen Bullshitting in der Presse werden die Maßnahmen seit einem Monat immer schärfer und die Durchsetzung rigoroser. Im ÖPNV in Berlin und Hamburg sieht man keine Nicht-Maskierten mehr. Symptomatisches Bild für unsere Zeit:
    Ein ca. zehnjähriger Junge kauernd auf einer Bank in einem Linienbus in Salzburg, der mit wachsender Verzweiflung versucht sich sein T‑Shirt über das Gesicht zu ziehen, weil er augenscheinlich seine Maske vergessen hat.

  14. Ein ca. zehnjähriger Junge kauernd auf einer Bank in einem Linienbus in Salzburg, der mit wachsender Verzweiflung versucht sich sein T?Shirt über das Gesicht zu ziehen, weil er augenscheinlich seine Maske vergessen hat.

    Wer Kindern so etwas antut, sollte doppelt und dreifach bestraft werden. Jeder einzelne. Ich werde so dermaßen wütend, wenn ich so etwas lese, sehe oder höre.

  15. Seht es nicht so negativ. Immerhin funktionieren Verrat und Rückenfallerei in Deutschland hervorragend. ;)
    Und außerdem wissen wir jetzt auch: In der Stunde der (fingierten) Not, da stehen die Deutschen parteiübergreifend geschlossen hinter dem Führer. Völlig egal, was das für ein (Merkel-)Arschloch ist.

  16. Lieber Ped, herzlichen Dank! Bei Ihnen können noch Kommentare geschrieben werden. Bei Peds-Ansichten geht das nicht mehr..... Ich Ich Ich.......

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