MacGyver

Richard Dean Anderson alias MacGyver war der Held meiner Kindheit und Jugend. Er war charmant, sympathisch, eher introvertiert, ein Technik-Nerd, aber vor allem grundlegend pazifistisch eingestellt. Er verabscheute Waffen, baute sie auseinander oder warf sie weg. Zur Konfliktlösung benutzte er vor allem seinen scharfen Verstand sowie sein Wissen über Chemie und Physik. Dabei war es mir völlig egal, ob die »Experimente« nun real auch so funktionierten oder eher übertrieben waren — wichtig war für mich primär der Versuch, einen Charakter zu etablieren, der stets nach alternativen, diplomatischen Lösungen suchte, Gewaltfreiheit propagierte und sich für seine Mitmenschen einsetzte.

All das spielt beim neuen MacGyver von 2016 mit Lucas Till als sprücheklopfender Macho-Angeber keine Rolle mehr. Die Marke »MacGyver« wird hier von Marketing-Franchise-Schwachmaten allein auf den Technik-Aspekt reduziert. Auch Jack Dalton, der im Original eher der schrullige Freund von MacGyver war und ihn häufiger in Schwierigkeiten brachte, als ihm zu helfen, ist hier ein muskulöser Ex-Delta-Force-Militär-Soldat, der das kämpfen und ballern übernimmt. Freundschaft bedeutet eben nicht nur zweckhafte Nützlichkeit oder soziales Kapital, sondern die Bindung aufrecht zu erhalten, unabhängig vom egoistischen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Diese Botschaft geht dem neuen MacGyver (2016) völlig ab.

Markendeutung
Oberflächlich betrachtet will man mit der Marke nochmal schnell Kasse machen. Ich werde aber das Gefühl nicht los, dass es auch um eine Neu- und Umdeutung geht. Ähnlich wie bei den Neuverfilmungen von »Robocop«, »Total Recall« oder »Papillon«, wurden sämtliche sozial- und gesellschaftkritische Untertöne, die im Original den Geist von »New Hollywood« besaßen, komplett entfernt. Beispielsweise geht es gleich in der ersten Folge des alten MacGyver darum, wie ein Wissenschaftler ein militärisches Geheimlabor sabotiert, weil er nicht will, dass dort eine Massenvernichtungswaffe entwickelt wird. Auch das sich MacGyver (1985) häufiger für sozial und finanziell Benachteiligte in der Serie eingesetzt hatte, ist für den neuen Action-MacGyver (2016) kein Thema.

Und nebenbei: ich kann mir gut vorstellen, dass für die National Rifle Association (NRA) der alte MacGyver schon immer eher lästig war. Schließlich hatte er der Jugend gezeigt, dass man Konflikte auch ohne Schusswaffen lösen konnte. Besonders in Staffel 4, Folge 2 (»Blutsbrüder«) wird das deutlich. In der Folge sagt MacGyver wiederholt, dass Waffen keine Lösungen für Konflikte sind und wer Waffen besitzt, sie früher oder später auch benutzen wird. Außerdem sieht man in einem Rückblick wie MacGyver in seiner Kindheit einen Freund durch eine Schusswaffe verloren hatte.

Der neue MacGyver ballert zwar nicht selbst, ist aber im militärisch-industriellen Komplex vollständig eingebettet und überlässt das übermäßige Kämpfen und Schießen Jack Dalton. Hier wird MacGyver´s experimentelle Trickserei nicht zur rational-defensiven Alternative, sondern zur alternativen Waffe umfunktioniert. Die Dialoge sind durchweg zum Fremdschämen. Es fehlt die Seele, die Liebe und der Charme. Pazifismus, soziale Gerechtigkeit oder bürgerschaftliches Engagement stehen für den neuen MacGyver ebenfalls nicht auf der Agenda. Der Lucas-Till-MacGyver entspricht dem heutigen Zeitgeist: neoliberal, militaristisch und narzisstisch.

3 Gedanken zu “MacGyver

  1. Zwar nicht selbst gesehen, aber über mehrere Quellen gehört und gelesen, dass die neue Serie auch ein politisches Propagandastück vor dem Herrn ist, speziell gegen Nordkorea gerichet.
    Allein das schon ist völlig unpassend für die Figur MacGyver...

  2. Ich kann mit der Neuauflage auch nix anfangen und hab die ersten beiden Staffeln auch nur so »nebenbei« geschaut. Die meisten kritisieren ja den unpassenden Hauptdarsteller, was mir persönlich eher unwichtig ist. Die »Werte« sind hier leider genauso verlorengegangen wie bspw. auch bei den neueren Star-Trek-Serien als auch ‑Filmen. Ich hoffe, dass »Star Trek: Picard« eine Ausnahme sein wird...

    Interessant an dem McG-Reboot ist auch, dass die »Phoenix Foundation« da offenbar hoheitliche Befugnisse hat bzw. teils über den US-Bundesbehörden agiert...

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