Kinder in Deutschland; Teil 27: Kontaktabbruch

Wenn Kinder den Kontakt zu ihren Eltern abbrechen, hat das meist ernste Gründe. Ein vermeintlich kleiner Streit kann das Fass zum Überlaufen bringen. Jahrelange zwischenmenschliche Differenzen, emotionale Kälte und eine Beziehung, die nicht auf Augenhöhe basiert, kann vor allem erwachsene Kinder, dazu bewegen, den Kontakt komplett abzubrechen. Die Dunkelziffer verlassener Eltern wird in Deutschland auf über 100.000 geschätzt. Natürlich sind Eltern nicht für alles allein verantwortlich, ihre Kinder werden auch von Freunden, Erziehern, Lehrern, Liebespartnern und den Medien geprägt. Dennoch sperren sich die meisten Eltern dagegen, die Kindheit der eigenen Kinder ernsthaft zu reflektieren.

Eltern stehen über den Kindern, sind »Erziehungsberechtigte«. Sie haben sie in die Welt gesetzt, sich jahrelang um sie gekümmert, das Essen auf den Tisch gebracht, viel Geld ausgegeben, sie angekleidet, mit ihnen Hausaufgaben gemacht, sie vor den Gefahren des Lebens beschützt, ihnen Liebe gegeben und vieles mehr. Demzufolge müssen die Kinder den Eltern ein Leben lang dankbar sein. Die erwachsenen Kinder haben sich zu melden und sollen auch ihre Hilfe für die älter werdenden Eltern anbieten. Diese Einstellung ist weit verbreitet und gleicht mehr einem materialistisch-egoistischen Habitus, als einer ehrlichen Eltern-Kind-Liebe. Denn die Eltern sehen ihre Kinder hier als eine Art Investition an, die sich irgendwann, also besonders im Alter auszahlen soll. Die Qualität der Familienbeziehung hängt jedoch von vielen Faktoren ab und kann nicht einseitig eingefordert werden, weil man doch soviel »geleistet« und »investiert« habe.

Sehr viele Probleme zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern entstehen vor allem auch deshalb, weil die Eltern den Sprung von der Erziehung zur Beziehung nicht geschafft haben oder ihn bewusst nicht wollten. Erwachsene Kinder bleiben zwar rein genetisch immer die Kinder ihrer Eltern, wollen aber gleichberechtigt behandelt, also ernst genommen werden. Genau das machen Millionen von Eltern eben nicht. Sie entschuldigen sich nicht bei ihren Kindern für offensichtlich begangene Fehler (erwarten aber, dass die Kinder das tun), sie mischen sich in die Erziehung der Enkel ein, schreiben ihren erwachsenen Kindern vor, wie sie ihr Leben gestalten sollen, kommentieren jede Entscheidung, interessieren sich wenig für die Leidenschaften der Kinder und/oder üben einen permanenten beruflichen Druck aus. Das Erwachsen werden der Kinder, bedeutet auch ein Reifeprozess der Eltern. Wer als Eltern seine Kinder immer nur von oben herab behandelt, ihnen nicht zuhören, ihre Meinung, Lebensweise und Entscheidungen nicht akzeptieren (oder zumindest tolerieren) will, darf sich nicht wundern, wenn die Kinder sich irgendwann von ihnen abwenden.

Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber. Sie kommen durch euch, aber nicht von euch. Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht. Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken, denn sie haben ihre eigenen Gedanken.

- Auszug aus einem Gedicht von Khalil Gibran, arabischer Dichter, 1883–1931.

Oft äußern sich tiefe seelische Wunden, die in der Kindheit zugefügt wurden, Jahre oder jahrzehntelang nicht. Kommen sie irgendwann an die Oberfläche, entweder weil die Kinder älter geworden oder weil die Kinder sogar selbst Eltern geworden sind und sich nun über das Thema mehr Gedanken machen, dann wollen die eigenen Eltern davon häufig nichts mehr wissen: »Schnee von gestern«. Sicher, jeder ist irgendwann erwachsen und sollte nicht für jede Fehlentscheidung oder alle eigenen Probleme einseitig die Eltern dafür verantwortlich machen. Sich selbst stets als Opfer zu sehen, ist bequem und entlässt einen aus der persönlichen Verantwortung. Jeder hat die Chance, seine kindheitliche Prägung zu überwinden und das eigene Leben aktiv zu gestalten. Dennoch ist die eigene Kindheit entscheidend mit dafür verantwortlich, wie das spätere Eltern-Kind-Verhältnis sich entwickelt.

Um so älter die Kinder werden, umso ernster wollen sie genommen werden. Sie entwickeln womöglich eine andere Auffassung vom Leben und ihrer beruflichen Zukunft als die Eltern. Haben andere Ziele und andere Vorstellungen was die Partnerwahl betrifft. Vielen Müttern und Vätern fällt es unheimlich schwer, ihre Kinder in ihrem So-Sein zu akzeptieren. Ständig wird versucht, sie zu beeinflussen, zu manipulieren, ihnen den eigenen Lebensstil und die eigene Meinung aufzudrücken. Die eigenen Kinder zu lieben, bedeutet eben nicht nur, sie zu umarmen und ihnen ständig zu sagen, wie lieb man sie hat oder ständig Konsumgeschenke zu machen, sondern sie so zu akzeptieren, wie sie sich entwickeln und wie sie sein wollen.

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Eine Zusammenfassung der ersten zehn Teile der Kinderserie ist auf www.zeitgeistlos.de zu finden. Alle bisherigen 26 Folgen können im ZG-Blog in der Rubrik Kindheit gefunden werden.

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UPDATE: 6. November 2014: Auf SWR2 gibt es zu dem Thema eine tolle Radiosendung (rund 25 Minuten lang) mit dem Titel „Für mich bist Du gestorben!“  Unter anderem wurde auch meine Wenigkeit interviewt. Ein kleiner Auszug: „Epikur willigt ein, wir treffen uns. Er ist 36 Jahre alt, Politologe, Redakteur und Blogger und heißt im realen Leben Markus. Markus hat nach einem großen Streit vor zwei Jahren mit seiner Mutter und ihrem Lebensgefährten keinen Kontakt mehr mit ihr.“

212 Gedanken zu “Kinder in Deutschland; Teil 27: Kontaktabbruch

  1. @ epikur

    Ja, meine Vermutung, dass diese Geisteshaltung kulturell lange gewachsen ist (in unseren deutschsprachigen Nachbarländern herrscht diese ja ebenso vor) , geht auch in die Richtung — und natürlich nicht zu vergessen das vierte Gebot (auch davon kann ich selbst »ein Lied singen«) sowie das marktwirtschaftliche Denken. Auch das Thema Reifeprozess der Eltern sehe ich genauso.

    In meinem gestrigen Kommentar hätte ich noch weiter referieren und philosophieren können, aber er ist mir dennoch so, wie er da jetzt steht, viel zu lang geworden.

    Meines Erachtens sind jetzt wir, die jüngere Generation, gefordert, zu reflektieren, zu hinterfragen, um diese alten Hierarchie- und Machtstrukturen aufzulösen. Jedoch habe ich absolut nichts gegen sogenannte gesellschaftliche Spielregeln im Sinne von Immanuel Kant, Werte wie Ehrlichkeit, »gute Zäune machen gute Nachbarn« usw., die das gesamtgesellschaftliche Miteinander erleichtern. Auch kleine Kinder sowie auch Teenager sollten selbstverständlich lernen, dass sie nicht allein auf der Welt sind. Und wenn der richtige (soll heißen: angemessene, respektvolle) Ton die Musik macht, dann klappt das auch ;-) .

  2. Es ist notwendig, sich mit seinem eigenen Kindheitsschicksal auseinanderzusetzen, denn die noch unverarbeiteten Kinderängste bestimmen oftmals die eigenen Verhaltensweisen, ohne das es uns bewusst ist.
    Merken kann man das vor allem an den Reaktionen der eigenen Eltern oder auch anderer Erwachsener, wenn die Rede auf das Thema kommt. Viele reagieren abweisend, feindselig oder gar höhnisch und wollen davon nichts hören oder meinen »es sei doch nun vorbei« und »man sollte nach vorne sehen«, es wäre schön, wenn es so funktionieren würde und das ist nicht der Fall. Alles was uns in der frühen Kindheit passiert ist, dass ist im Körper gespeichert, ob wir es wollen oder nicht, der Körper erinnert uns immer wieder (manchmal auch mit schweren Symptomen und schweren Krankheiten, Psychosen), so ist es auch bei der älteren Generation. Viele dieser Menschen leiden vor allem im hohen Alter an schweren körperlichen Symptomen, weil die Abwehr dieser Menschen dann schwächer wird. Es ist wichtig, diese Symptome ernst zu nehmen und auch Mitgefühl zu zeigen. Man kann in jedem Altern damit anfangen, das erlebte Leid als einen Teil der eigenen Persönlichkeit anzuerkennen und mit anderen Menschen (das müssen nicht zwangsläufig die eigenen Kinder sein) darüber zu reden. Auch das Nacherleben der einst unterdrückten Wut und die Empörung über diese einst erlittene Grausamkeit kann helfen, die körperlichen Symptome, an denen viele Menschen leiden, zu lindern. Das Ernstnehmen der eigenen Gefühle und Bedürfnisse und das erlebte Leid als einen Teil der eigenen Persönlichkeit anzunehmen und darüber zu reden kann also helfen, gesünder zu werden. Davor aber haben leider viele Menschen Angst, manchmal sogar Todesängste. Immer dann, wenn ein Mensch über das Leiden seiner Kindheit und die Grausamkeit die er dort erfahren hat spricht, wird er auch große Ängste spüren, die sich mit der Zeit abschwächen, diese Ängste (manchmal sogar Todesängste) zu überwinden, ist nicht einfach. Daher ist es auch nicht immer möglich, die eigenen Eltern mit der ganzen Wahrheit (über die eigene Kindheit) zu konfrontieren. Das erinnert an ihr eigenes Leiden und hat das Aufsteigen großer Ängste zur Folge. Jeder Mensch braucht viel Zeit, um diese Ängste überwinden zu können, sie werden bei jeder neuen Erkenntnis und dem Schildern von einst erlebter Grausamkeit auftreten, weil sie damals nicht gefühlt werden durften, sie wären dem Kind (in jedem von uns) gefährlich geworden.
    Viele der sogenannten Erziehungsmethoden (die wir alle erlebt und überlebt haben) sind seelisch grausam gewesen. Das zu entdecken und nachzuerleben kann einen langen Zeitraum (manchmal sogar Jahrzehnte) in Anspruch nehmen. Es ist daher unmöglich, das Ausmaß der einstigen Misshandlungen auf einmal zu erfassen.

  3. @Frida

    Viele der sogenannten Erziehungsmethoden (die wir alle erlebt und überlebt haben) sind seelisch grausam gewesen.

    Vor allem die autoritären und oft auch gewalttäitgen Erziehungsmethoden unserer Eltern, ja.

    Heute werden Kinder häufig emotional und materiell verwöhnt und gepampert bis zum geht nicht mehr. Auch diese Erziehungsmethode ist fahlässig, denn so erzieht man sich kleine Tyrannen heran, die denken der Mittelpunkt des Universums zu sein. Oft wundern sich die Eltern dann: »Ich wollte doch immer nur das Beste!« Das Beste heißt aber eben auch, den eigenen Kindern Rücksicht, Respekt und Konsum-Verzicht zu lehren.

  4. Ein sehr guter Text zum Thema erwachsene Kinder. Das Problem ist, dass oft Machtstrukturen bestehen, an deren Auflösung dominante Eltern nicht interessiert sind. Sie ignorieren die Autonomiebestrebungen, Wünsche und Lebensentwürfe der erwachsenen Kinder permanent und stellen Forderungen nach dem Motto »Wir haben Dich großgezogen udn hatten es schwer, dafür musst Du...« Echte Beziehung sieht anders aus und kann nur auf Augenhöhe funktionieren. Unterkriechen, damit man »um des lieben Friedens willen« miteinander auskommt, dauerhaft eigene Grenzen übertreten lassen, eigene Bedürfnisse ignorieren und die Wut über die andauernde Bevormundung schlucken bzw. sie noch nicht einmal zu spüren kann krank machen.

    Jedes Kind dieser Welt hat ein Recht darauf, sein Leben frei und selbstbestimmt zu leben, Grenzen zu setzen, seine Bedürfnisse wahrzunehmen und seinen eigenen Weg zu gehen. Es gibt übrigens Eltern, die sich darüber freuen, wenn Kinder selbstbewusst im Leben stehen. Aber wenn es Eltern nicht gelingt, ihre Kinder und deren Grenzen zu akzeptieren, dann haben Kinder das Recht und sogar die Pflicht, ihre Grenzen zu verteidigen, sich zu schützen und den Kontakt zu den Eltern ggf. aufs Nötigste zu reduzieren. Selbstschutz geht vor Kadavergehorsam gegenüber Übermüttern und ‑vätern. Und kein Kind dieser Welt braucht sich vor ihrgendeinem Hanswurst dafür zu rechtfertigen oder sich schlecht zu fühlen!
    »Manchmal braucht es einen Faustschlag ins Gesicht der Pietät, um vom Rockzipfel der Mutter wegzukommen.« (H. Hesse)

  5. Schon mehrfach habe ich Eintragungen auf dieser Seite gelesen, meistens mit echtem Interesse, aber immer wieder verwundert darüber, dass die Sicht des Verlassenden obere Priorität hat. Sie sind oder sehen sich als echte Opfer in unserer Welt, in der sie Probleme haben in ihrer Rolle als Erwachsene zwischen verschiedenen Generationen. Und da wird es dann schwierig. Aber was ist denn das Erwachsenwerden anders als die Verantwortung für die eigene Person und Persönlichkeit zu übernehmen und sich selbst (u.a.) in dem Generationenkontext durch das Leben zu bewegen?! Aber dazu gehört auch, dass der Mensch sich selbst nicht auf das reduziert, was irgendwann einmal in der Kindheit abgelaufen ist, sondern was er mit seinen Anlagen und Möglichkeiten daraus macht. Es ist erschreckend, wieweit all das, was man selbst nicht an sich mag oder was nicht gelingt, auf die Elterngeneration abwälzt. Da, und schon haben wir einen Schuldigen, dem wir alles in die Schuhe schieben können. Ich erreiche nicht das was mein Idol geschafft hat? Klar, muss wohl an den Machenschaften meiner Eltern liegen, immerhin ist meine ganze Existenz von ihnen zu verantworten.
    Und wenn ich das gut verinnerliche, kann ich den Kontakt zu ihnen abbrechen, sie nachhaltig zum Buh-Mann abstempeln, ihnen so richtig die brutalste Form des Liebesentzugs um die Ohren klatschen, denn eigentlich bin ja nicht ich für mein Handeln verantwortlich, sondern die Menschen, die mich in die Welt gesetzt hanben. Ja geht´s noch? Schon in grauer Vorzeit gab es die Figur des Sündenbocks: er musste die Verantwortung für alle kleinen und großen Fehlschläge übernehmen. Moderne Menschen individualisieren das Motiv: die Eltern tragen die Schuld, Begründung siehe oben. Wer sich so richtig zum Opfer seiner Eltern erklärt, ist längst zur Täterseite gewechselt! Und wie es in unserer heutigen Gesellschaft dann oft weitergeht ist nicht verwunderlich: der Verlassende (Tätige) erhält viel Aufmerksamkeit, seine schwere Kindheit (da haben wir sie wieder!) muss wohl Ursache sein.
    Ein echter Ansatz wäre doch einmal die wirkliche Auseinandersetzung mit den Eltern, sicher auch mit Gesprächsbegleitung. Aber ich wage weiterhin die Einschätzung, dass selbst der beste Therapeut nicht das Wohl der verlassenen Eltern im Auge hat, sondern das des (zahlenden) Patienten. Und was der in seiner Rolle des »Kindheitsopfers« alles fest glaubt oder auch behauptet steht allein als »Aussage« da. Wie alles wirklich war, weiß wahrscheinlich keiner wirklich und die Wahrheit oder Lösung ließe sich vielleicht nur gemeinsam finden.

  6. @anna

    Ich zitiere mich hier mal selbst aus dem Artikel oben:

    Sicher, jeder ist irgendwann erwachsen und sollte nicht für jede Fehlentscheidung oder alle eigenen Probleme einseitig die Eltern dafür verantwortlich machen. Sich selbst stets als Opfer zu sehen, ist bequem und entlässt einen aus der persönlichen Verantwortung. Jeder hat die Chance, seine kindheitliche Prägung zu überwinden und das eigene Leben aktiv zu gestalten. Dennoch ist die eigene Kindheit entscheidend mit dafür verantwortlich, wie das spätere Eltern-Kind-Verhältnis sich entwickelt.

  7. Es gibt Traumatisierungen (muß ich noch deutlicher werden?) , die der Einzelne schlicht nicht bewältigen kann , auch nicht als Erwachsener , weil es Traumatisierungen gibt , die das »Erwachsenwerden« selber verhindern , quasi in Tateinheit, das ist wie eine Krankheit , die gleichzeitig das Medikament zerstört.

    Nur fremde Unterstützung hilft da weiter , und wenn die Eltern die Ursache dafür gesetzt haben , dann ist das so , Punkt.
    In Deutschland sind grundsätzlich keineswegs die Eltern schuld , das genaue Gegenteil ist meist der Fall , wenn zum Beispiel Einer Amok läuft , stellen sich Eltern dann noch gerne als arme Schweine dar ( was sollen die Nachbarn von MIR denken?) , manchmal stellen sie sich sogar noch vor die Kamera und heulen herum , also wenn mein Kind solche Taten beginge , würde ich erstmal die Schnauze halten und wäre tief erschrocken , was ich denn womöglich falsch gemacht habe.
    Es ist auch grober Unfug , davon auszugehen , daß Kinder den Kontakt mal eben so abbrechen , weil der eigene Lieblingsverein verloren oder weil das Essen schlecht geschmeckt hat.

    Dahinter stehen immer schwere familiäre Verwerfungen .
    Wenns gut läuft , kommt irgendwann die Phase des Verzeihens oder einfach des Aufeinander — zugehens , das muß aber jeder für sich selber entscheiden.
    Und dann kann vielleicht auch über die Erlebnisse der Eltern selber gesprochen werden , bei solchen Vorgängen haben die in aller Regel selber ziemlich üblen Mist erlebt , Probleme pflanzen sich sehr gerne fort von Generation zu Generation , gerade die schwerwiegenden.

  8. Ich bin der Meinung, dass jeder Erwachsene für seine Taten selbst verantwortlich ist und auch für seine Beziehungen zu anderen Menschen. In der Kindheit gibt es nicht nur die Eltern als Bezugspersonen sowie auch im späteren Leben. Aus meiner Erfahrung spielen auch Entstehung des neues Lebens sowie die ersten Jahre eine ganz entscheidende Rolle bei der Persönlichkeitsentwicklung.
    Viele Eltern nehmen ihre Kinder nicht bewusst wahr und sie laufen eben so nebenher mit, man ist mit der eigenen Existenz (Liebesleben, Finanzen) beschäftigt, das ist heute nicht anders, als bei der vorangegangen Eltern-Generation.
    »Wenn man erziehen will, muss man selbst erzogen sein«, zitiere ich mal Pierre Daco. Dies heisst für mich, sich zunächst als Erwachsener mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, Zusammenhänge zu erkennen, was wirklich schlecht war (jedoch rückwirkend nicht zu ändern ist) und den eigenen Lebensweg positiv zu gestalten.
    Ich kenne viele Menschen, die davon nichts wissen wollen, denn es ist einfacher, nur den Eltern die Schuld zu geben. Es ist sehr schmerzhaft sich mit der eigenen Kindheit auseinanderzusetzen, jedoch dringend erforderlich, um Fehler nicht weiterzugeben. Alle Erwachsenen tragen die Verantwortung für das wertvollste unseres Lebens, die Kinder!
    Ich konnte nicht erkennen, dass die heutigen Mütter und Väter alles besser machen, ganz im Gegenteil, 40 % aller Kinder in Deutschland haben zurzeit eine schreckliche Kindheit. Da hilft es nicht in der Anklage stecken zu bleiben.
    Es steht jedem frei den Kontakt abzubrechen oder auf Eis zu legen, manchmal ist es zwingend erforderlich. Doch ist es für uns selbst sehr wertvoll, nicht nur in der Anklage stecken zu bleiben.
    Noch ein Gedanke von mir zu v.g. Beitrag »Amoklauf und Eltern«.
    Unsere Gefängnisse sind voll und es gibt manchmal Zusammenhänge. Doch aus eigenen Verletzungen in der Kindheit anderen Menschen Gewalt anzutun, oder zu töten und diese Sichtweise als Legitimation anzusehen ist entsetzlich. Vielleicht haben diese Eltern von denen da gesprochen wird, den Schmerz des Geschehens vor der Gesellschaft nicht aushalten können und deshalb so reagiert. Ich wünsche jedenfalls niemand, jemals mit dieser Last leben zu müssen.
    G.K.

  9. @ G.Koch

    Zunächst mal Zustimmung , daß Sie das mit der Selbstverantwortung nicht nur — wei in Deutschland überwiegend zu beobachten — den Kindern aufs Auge drücken wollen.

    Leider aber begehen Sie einen weit verbreiteten Fehler , wer über Amokläufe spricht , der sagt nicht automatisch »Super , liebe Amokläufer , mehr davon«.
    Es gibt da schon sehr viel mehr als schwarz und weiß , es ist halt immer einfach , zu sagen , was wünschenswert wäre .
    Etwas schwieriger wirds , zumindest den Versuch zu wagen , zu schauen , warum es — Überraschung! — dennoch immer wieder anders läuft.
    Sicherer ist es hingegen , sich den üblichen Phrasen anzuschließen , da riskiert man nichts und weiß die Mehrheit der vielen vielen guten Menschen hinter sich , die immer das Richtige sagen über Situationen , von denen sie keine Ahnung haben , mal abgesehen , wie oberflächlich das ist , so ist es auch öde und kreuzlangweilig.

  10. Auch wenn das Thema »Amok und Eltern« hier nicht hingehört, so kann ich doch gerne auf einen etwas älteren Beitrag (April 2009) von mir hierzu verweisen. Wer einen Amoklauf begeht, bei dem ist einfach alles kaputt. Da gibt es keine monokausalen Erklärungen. Sämtliche soziale Bindungen, das Selbstbewusstsein, das eigene Moral- und Wertesystem und vieles mehr ist dort in »Schieflage«. Und ja, auch die Beziehung zu den Eltern ist bei Amokläufern wohl völlig im Eimer. Und da haben auch die Eltern eine Verantwortung. Danach wird aber in der Tat eigentlich nie gefragt. Stattdessen kommen sofort die bösen Killerspiele, Rockmusik und Waffen-Fetisch. Das sind aber nicht die Ursachen, warum ein Mensch so austickt.

  11. Hi Art Vanderley, ich schreibe hier definitiv als missbrauchtes Kind, weit über das Erwachsensein hinaus; und als Mutter, Ehefrau, Schwiegertochter, Schwiegermutter, Schwägerin, Kollegin und noch einigen anderen Rollen, die Bestanteil meines Lebens sind.

    Meine bisher ins Netz gestellten Beiträge betragen nicht mehr als die Finger meiner Hände. Die Härte der eigenen Sichtweise überrascht mich inzwischen nicht mehr, denn sonst wäre die Welt nicht so wie sie schon immer ist. Der eigene Tellerrand wird zum Massstab!

    Nein ich habe keine breite Mehrheit hinter mir und suche das auch nicht.
    Ich hatte das grosse Glück persönliche Offenheit für alles Neue und zwischenmenschliche Zusammenhänge gewissermassen in die Wiege gelegt zu bekommen. Für meine Angehörigen war ich schon immer Diejenige welche......

    Ich weiss nichts von üblichen Phrasen und finde es sehr schade, dass man im Netz alles verbreiten kann: Hass, Anklagen, Fragen, Unterstellungen etc. — ohne sich selbst als Person ins Auge zu schauen. Dies ergibt für mich definitiv kein realistisches Bild welches dem tatsächlichen Leben gerecht wird.
    Vermutlich sind Sie »Art V...« weiblich und nicht Frauensolidarisch.

  12. @G.Koch

    Da schätzen Sie mich falsch ein , ich bin männlich und habe keine pauschal positive oder negative Sichtweise zum Thema der Frauenrechte und Ähnlichem.
    Zunächst mal wollte ich Ihnen nichts unterstellen , sondern habe geantwortet auf Ihre Aussage , die ich selber als Unterstellung empfunden habe , nämlich die , daß eine differenzierte Sichtweise zu Amokläufen das gleiche sei wie deren Rechtfertigung, daß ich darauf wütend reagiere , werden Sie vielleicht verstehen.

    Das mit dem Tellerrand ist auch so eine etwas pauschale Aussage , Sie formulieren unglücklich oder Sie meinen es so , in beiden Fällen werden Sie eben auch mit Reaktionen rechnen müssen.
    Ja , im Netz kann es ziemlich zur Sache gehen , aber nicht jeder , der mal Tacheles redet , möchte Ihnen gleich Böses , und nicht jeder , der freundlich ist , wird sich auf Dauer so verhalten , wie in der realen Welt eben auch .
    Ich selber habe ganz gute Erfahrungen damit , den ein oder anderen Crash auch mal auszuhalten , immer mal wieder stellt sich dabei eine gute Diskussion ein , natürlich bei weitem nicht immer , wobei gerade dieses Umfeld eigentlich schon von recht vernünftigen Leuten bevölkert ist.

    Im Übrigen Respekt für Ihre Offenheit.

  13. Ich habe nicht die Absicht das Thema »Kontaktabbruch« zu einem persönlichen Schlagabtausch zwischen A.V. und mir werden zu lassen.
    Dies empfinde ich als respektlos gegenüber dem Verfasser. Meine Meinung bzw. innere Haltung habe ich bereits geschrieben und es ist nicht meine Aufgabe, Worte so zu wählen, dass jedermann sie versteht.
    Was sollen das denn für Traumatisierungen sein, die das »Erwachsenwerden« verhindern? Erwachsen wird man schon naturgemäss ohne eigene willentliche Beeinflussung. Es erscheint mir mehr als lächerlich dauerhaft in der Anklagehaltung stecken zu bleiben. In Deutschland gibt es viele Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen, wenn man selbst schmerzhafte Erinnerungen nicht überwinden kann. Ich würde auf dieser Seite mit der Mehrheit heulen und ein gern gesehener Schreiberling sein, wenn ich zustimme, wie schlimm doch alles war und die Schuld immer bei den Eltern zu suchen ist. Jeden Tag werden wir von irgendwem in Frage gestellt und müssen uns behaupten. Von Ihren Kommentaren an mich fühle ich mich auch nicht angegriffen, es ist Ihre Meinung und die kann ohne weiteres akzeptieren. Ich sehe jedoch Ihre Meinung als schwarz-weiss an, wogegen ich der Meinung bin, man kann schwierige Lebensumstände nicht aus dem Zusammenhang reißen. Wieso sollten ausgerechnet auf dieser Seite sich überwiegend vernünftige Leute befinden, was sind dann die Anderen?
    Das Thema Kontaktabbruch hat mich insofern interessiert, weil es in meiner Ursprungsfamilie ein großes Thema ist, welches sich in die nächste Generation fortgesetzt hat. Die, welche am lautesten geschrien haben, die Mutter ist schuld, hat es am härtesten getroffen. Allein meine eigene Familie ist nicht zerbrochen, obwohl ich wirklich einiges schweres erlitten habe. Möglicherweise liegt das an meiner eigenen Herzenthaltung keinen Sündenbock zu suchen und möglichst vielen Menschen mit Wohlwollen zu begegnen, auch wenn sie mich hassen. Ich weiss, wer ich bin, was ich kann und was nicht, wo mir Grenzen gesetzt sind und ich halte mich nicht für den Nabel der Welt.
    Eines möchte ich noch erwähnen, mein Neffe schrieb seine Prüfungsklausur als R. St. am G.-Gymnasium in Erfurt sich in seiner persönlichen Zerrissenheit das Recht herausnahm, Richter zu sein über Leben und Tod. Auf wessen Seite stehe ich nun? Noch heute bin ich mehr als traurig, wenn ich an die Tat und die Folgen und zwar für alle Beteiligten denke.
    Ich wünschen auf jeden Fall allen mitlesenden und mitschreibenden Betroffenen viel Mut und Kraft Verletzungen zu überwinden.
    Herzliche Grüße G. K.

  14. @ G.Koch

    Der Ruf nach der Moderation , kommt immer dann , wenn sich jemand nicht stellen will , gähn...
    Sie sind eine echte Heldin , haben alles im Griff , wissen immer ganz genau , was Andere denken — und müssen dazu nicht mal deren Kommentare genauer lesen — und sind dann nicht mal der Nabel der Welt.

    Wow!
    Vor soviel Charakterstärke , Perfektion und Lebensweisheit kann ich mich nur noch tief verbeugen.

  15. UPDATE: Auf SWR2 gibt es zu dem Thema eine tolle Radiosendung (rund 25 Minuten lang) mit dem Titel »Für mich bist Du gestorben!« Unter anderem wurde auch meine Wenigkeit interviewt. Ein kleiner Auszug:

    [...] »Epikur willigt ein, wir treffen uns. Er ist 36 Jahre alt, Politologe, Redakteur und Blogger und heißt im realen Leben Markus. Markus hat nach einem großen Streit vor zwei Jahren mit seiner Mutter und ihrem Lebensgefährten keinen Kontakt mehr mit ihr.« [...]

  16. UPDATE 2: Auch die presse.com (Österreich) hat zu dem Thema einen interessanten Artikel (mit einem Kurzinterview mit mir) veröffentlicht »Adieu, Kind! Adieu, Eltern!: Funkstille in der Familie«:

    [...] »Der 37-jährige Politologe und Journalist Markus V., der unter dem Pseudonym Epikur auf dem deutschen Blog zeitgeistlos.de/zgblog schreibt, und dort auch einen viel beachteten Artikel zum Thema Kontaktabbruch in Familien veröffentlicht hat, sieht die Ursachen unter anderem in »jahrelangen zwischenmenschlichen Differenzen, emotionaler Kälte und einer Beziehung, die nicht auf Augenhöhe stattfindet«. [...]

  17. Die von Ihnen angesprochenen Traumatisierungen sind alltägliche Verbrechen, die täglich an Kindern begangen werden. Nur ein Bruchteil der Misshandlungen von Schutzbefohlenen wird angezeigt, noch weniger dieser alltäglichen Gewaltdelikte gelangen jemals vor Gericht. Traumatisierungen sind Handlungen, die Kindern Schmerzen bereiten, sie demütigen und ängstigen. Von Handlungen, die zu Blutergüssen, Knochenbrüchen und Schlimmeren führen. „Ein Klaps hat noch keinem geschadet“ oder „So etwas macht doch heutzutage in Deutschland niemand mehr“!
    „Doch dieser >NiemandKlaps< hat mit Kindesmisshandlung so viel zu tun wie eine Schreckschusspistole mit einer Kalaschnikow“, heißt es in dem Buch „Deutschland misshandelt seine Kinder“.
    „Verantwortungsbewusste Eltern erschrecken ihre Kinder nicht einmal mit Platzpatronen. Der Kindesmisshandler aber gibt nicht bloß Warnschüsse ab, sondern schießt scharf. Seine Attacken verursachen schmerzhafte, teilweise lebensgefährliche Verletzungen, psychisch wie physisch. Und er greift immer wieder an, täglich, wöchentlich, meist über viele Jahre hinweg. Mit Faustschlägen und Fußtritten, mit maßlosen Beschimpfungen und Herabsetzungen. Er sperrt seine Opfer in Kellerlöcher oder Zimmer, deren Fenster mit schwarzer Folie verklebt sind. Er lässt sie hungern, dursten, frieren. Er zerstört ihre Körper und Seelen“ (Seite 7 aus „Deutschland misshandelt seine Kinder“).
    Eine ganze Generation wurde ins Leben geprügelt („Die geprügelte Generation“) und viele dieser Menschen sind noch heute von diesen Prügelorgien seelisch massiv beeinträchtigt. Die Heimkinder haben diese Erfahrungen in Form einer Prügelnonne bei ihren Demonstrationen zum Ausdruck gebracht. Das alles sind Traumatisierungen, die aber „Erziehungsmethoden“ zu „unserem Besten“ genannt werden. Sie sollten und sollen aus uns bessere, gut erzogene und leistungsfähige Menschen machen. Menschen, die allen Gefahren trotzen, nie Hilfe brauchen und mit allen Problemen im Leben alleine fertig werden. Menschen, die (scheinbar) ohne Bedürfnisse und ohne Ängste sind und die ohne Selbstzweifel leben, starke Menschen eben, die nie über sich und das was sie tun reflektieren, weil sie glauben, alles was sie tun wäre gut und richtig.
    Diese Erziehungsmethoden werden weltweit mit guten Gewissen angewandt und nie in Zweifel gezogen. Sie stellen für die Menschen, die sie erleiden müssen massive Traumatisierungen dar, mit denen sie ihr Leben lang zu kämpfen haben, es sind die alltäglichen Verbrechen, die wir (fast) alle erlebt und überlebt haben. Manche Kinder hatten auch dieses Glück nicht.

  18. @Art Vanderley
    genau da sprechen Sie einen ganz wichtigen Punkt an, der beim Thema Kontaktkabbruch meist zugrunde liegt : TRAUMATISIERUNGEN !
    Nach Prof Dr. Ruppert ( ..google !) — übertragen sich die Traumatisierungen welche die Eltern erfahren haben , unbewußt auf die Kinder und deren Verhalten. Schwere Entwicklungsstörungen der Kinder sind die Folge , Problem im Alltag .... HOFFNUNG gibt dass dies Themen in Familienaufstellungen aufgelöst werden könne — allerdings müßten die erwachsenen Kinder daran arbeiten .....
    Das Familienstellen geht auch ohne die Eltern . .. aber es ist natürlich einfacher alles so zu lassen , Wut auf die Eltern zuschieben und im Leben steckenzubleiben.
    Wenn es dann im Leben der erwachsenen Kinder dann nicht so toll läuft .. ...dann sind Eltern Schuld.
    Auch trägt die Vielfach-Bemutterung von Tagesmutter im Säuglingsalter bis Tageskindergarten zu seelischen Spaltungen ( Abspaltungen eines Teils des Ichs ) bei , bis zu Großartigkeit , Überheblichkeit und dann aus Frust die Wut ..... Eltern schuld.
    Wenn die Eltern oder gar Alleinerziehende aber die Kohle nicht herbeischaffen in Harz4 abrutschen, dafür zuhause sind — sind für den sozialen Absturz ..... Eltern schuld.
    Wenn man faul war .... Eltern schuld.
    Tja was soll man diesen Eltern raten ........ einfach gehen ohne Wort ?

  19. @Baucis

    Na, ganz so einfach sollte man es sich nicht machen. Eltern schuld. Kinder schuld. Umstände schuld. Einflüsse schuld. Der ewige Kampf um die Schuldfrage führt nicht weiter. Es ist wohl eher der Versuch Verantwortlichkeiten abzuschütteln und das eigene Gewissen weiß zu waschen.

    Besser ist, sich die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern im »Hier und Jetzt« genau anzuschauen, zu analysieren und dann erst zu fragen, welche Ursachen dafür möglicherweise verantwortlich sein könnten. Ich kann mich da auch nur wiederholen: Kindheit und Erziehung prägen zwar, sind aber beileibe nicht für alles Handeln/Entscheiden/Denken der erwachsenen Kinder verantwortlich. Das würde umgekehrt nämlich auch bedeuten, dass jeder individuelle »Erfolg« nur deshalb zustande kommt, weil die Eltern einen so positiv geprägt hätten ;)

  20. @epikur

    So isses , nicht umsonst hat das »Dankeschön«-Geschwafel an die Eltern dramatisch zugenommen , und immer hast du da so ein Gefühl des Ekels bei, weil es irgendwie nicht echt ist.

    @Baucis

    Zunächst klingt das gut ‚Sie erkennen einen wesentlichen Punkt , den der Übertragung , dann aber geben Sie den Kids die Alleinschuld daran , das nennt man im Übrigen Täterverhalten und ist auch bei Kriminellen zu beobachten.

    Leider wissen auch Sie ganz genau , wie der Andere tickt , was er erlebt hat und geben dann Ihre superschlauen , allgemeingültigen Lebensweisheiten von sich .
    Natürlich nur gegen Leute , die auch mal eine deutliche Meinung riskieren , ich sage Ihnen auf den Kopf zu , daß sie kreuzbrav und feige werden , wenn Ihnen Einer mit dieser maulaufreißerischen »Stärke« entgegentritt , wie sie in diesem Land an jeder Straßenecke zu finden ist , das ist immer so bei Ihrem Typus , und wird umso unangenehmer , wenn man sich in einem Umfeld befindet (dieser Blog) , wo es nachweislich möglich ist , auf humanem Niveau zu diskutieren.

    Die Dinge sind schon etwas differenzierter — epikur hat das schon ausgeführt — als ihr einfaches Weltbild es gerne hätte , aber daß Sie — und so manch Anderer — immer gleich hysterisch unterstellen , man hätte etwas über die Alleinschuld der Eltern gesagt , sagt mir wiederum , daß es ganz offensichtlich Ihre eigenen Gedanken sind , die die Eltern für alles verantwortlich machen , und ich in diesem Fall nur der Auslöser bin , ein Auslöser , den Sie selber nicht ertragen können und bei dem Sie sich nicht anders zu helfen wissen , als Ihre inneren Gedanken dann auf diesen zu projezieren.

  21. Danke für diesen Artikel ! ich selbst bin 55 und habe vor ca 5 Jahren nach langem Ringen den Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen. Nach langem Ringen weil »man das ja nicht tut « weil es ja ungehörig ist seine eigene Mutter zu verlassen. Ich habe lange gebraucht um das emotional umzusetzen was mir Verstandesgemäß schon klar war: Jeder Mensch hat das Recht zu entscheiden mit wem er sein Leben teilen möchte und wen er dort nicht haben möchte. Kaum einer stellt in Zweifel wenn »man« sich von einem Partner , einem® Freund(in), einem Bekannten trennt wenn die einem nicht gut tun. wenn es sich aber um die Familie handelt wird das Ganze plötzlich zum Tabu. Warum ? Nur weil man Tochter/Sohn/ Bruder/ Schwester von jemandem ist muss man diese Personen nicht zwangsläufig lieben. Auch Eltern lieben Ihre Kinder nicht immer.
    Mir ist Klar das meine Mutter ihre Problematiken und Prägungen mit sich herum trägt , aber es ist nicht meine Lebensaufgabe ihr Paket zu tragen und alles zu entschuldigen und hinzunehmen . Alle Bemühungen mit ihr zu reden fruchteten nichts denn sie möchte sich nicht selber sehen.Ich meine das Jeder Mensch immer wieder die Entscheidung darüber hat wie er handeln will und das man , auch wenn es hart ist, mal in den Spiegel schauen und sich selber sehen kann. Ich hab das was ich bei mir selbst gesehen habe oft als hässlich und erschreckend gefunden. Und ich empfand , und empfinde es immer noch , als schmerzlich und schäme mich entsetzlich wenn ich mich als »Täter« erkenne. Aber ich entschuldige mich bei meinen 3 Kindern. Ich bemühe mich darum mich nicht zu verteidigen sondern mich wahrhaft zu entschuldigen. Meine Kinder haben materiell mit Sicherheit oft den kürzeren gezogen ( ich war allein erziehend ) aber ich bin froh das sie mir alle drei bestätigen das ich ihnen und sie mir immer nahe gewesen sind. Sie WISSEN das ich sie liebe :jaja: . Ich lasse sie ihren Weg gehen weil ich glaube das sie es können und ich bin da wenn sie mich brauchen. Ich war mit Sicherheit keine Super Mama, ich habe Fehler gemacht wie jeder Mensch. Nur weil man Eltern wird ist man nicht plötzlich Experte und frei von Fehlern . Allerdings sollte man das doch bitte auch im Bewusstsein behalten. Mir geht es seit der Trennung von meiner Mutter immer besser. So langsam kann ich verinnerlichen das ich doch Wertvoll bin und nicht an allem Schuld. Besser spät als nie

  22. @Glenna

    Mir ist Klar das meine Mutter ihre Problematiken und Prägungen mit sich herum trägt , aber es ist nicht meine Lebensaufgabe ihr Paket zu tragen und alles zu entschuldigen und hinzunehmen . Alle Bemühungen mit ihr zu reden fruchteten nichts denn sie möchte sich nicht selber sehen.

    Kann ich voll und ganz »unterschreiben« ;) Danke für Dein Kommentar.

  23. @ Glenna
    Sie haben etwas sehr Wichtiges angesprochen und Sie haben Recht, dass man an sich selbst auch oft sehr hässliche Seiten entdecken kann, wenn man in den Spiegel schaut.
    Es ist das fehlende Vertrauen, dass Mütter in sich selbst nicht empfinden und auf das sie sich selbst nicht verlassen und darauf zurückgreifen können. Dadurch ist die Mutterschaft überschattet von Gedanken wie: bin ich jetzt zu fordernd, misshandele ich mein Kind, war das zu streng, war ich gemein zu meinem Kind und vieles mehr, diese Liste könnte man endlos fortsetzen. Frauen, denen in der Kindheit etwas Geborgenheit und etwas Zuneigung gegeben wurde, können viel gelassener im Umgang mit ihren Kindern sein, sie haben mehr Vertrauen in sich selbst und wissen instinktiv, dass sie ihre Kinder weder misshandeln, noch ständig überfordern oder Dinge von ihnen verlangen, die sie noch nicht können, sie stehen auch ihren Fehlern und kleinen „Ungezogenheiten“ viel aufgeschlossener und gelassener gegenüber, sind „gnädiger“ oder zeigen „Güte“ und gehen nicht so hart mit Menschen ins Gericht, auch dann, wenn sie Schwächen zeigen (mal jemanden anlügen, reinlegen, Widerworte geben, den eigenen Vorteil im Sinn haben und vieles mehr). Ich habe oft beobachtet, dass es Frauen gibt, die schulterzuckend oder schmunzelnd über solche Dinge hinweggehen können, sowohl bei ihren eigenen Kindern als auch bei Menschen mit denen sie leben und arbeiten.
    Frauen, die dieses Vertrauen in sich selbst nicht haben können, müssen förmlich „vor sich selbst auf der Hut sein“ und stellen sich oft in Frage, lassen sich leicht verunsichern und können daher oft nicht so viel Freude an den eigenen Kindern haben, wie die Frauen, die über dieses Vertrauen in sich selbst verfügen und daher auch gelassener und gütiger sein können. Es ist ein hartes Schicksal, diese Fähigkeiten verloren zu haben und sich immerzu neu in Frage stellen und über sich selbst reflektieren zu müssen. Leider haben die meisten Frauen dieses harte und manchmal sogar grausame Schicksal und das ist einfach nur traurig. Ich hoffe, dass die nachfolgenden Generationen mehr Freude an ihren Kindern und weniger Selbstzweifel und mehr Vertrauen in sich selbst haben können, als es vielen Frauen in meiner und den früheren Generationen möglich war und ist.

  24. Ich (männlich 47 Jahre) habe vor 13 Jahren erst den Kontakt zu meiner Schwester völlig abgebrochen, in kleinen Schritten ab diesen Zeitraum schließlich auch zu meinen Eltern. Hätte meine Frau damals nicht auf mich eingewirkt wäre es schon Jahre früher passiert und es wäre für uns auch besser gewesen. Ein völliger Kontaktabbruch zu seiner Ursprungsfamilie ist ein Selbstschutz der nach einer langen Zeit der Missachtung einsetzt und ihren Ursprung schon viel früher hat und meist unweigerlich zum Bruch führt.
    Meine Eltern ließen sich 1979 scheiden, ich zog zu meiner Mutter meine Schwester zu meinem Vater. Meine Mutter hängte mir einen Schlüssel um den Hals, drückte mir 5 DM für Essen in die Hand und machte eine Ausbildung zur Kosmetikerin. Diesen Zustand der Vernachlässigung ertrug ich 5 Monate und zog zu meinem Vater. Meine Schwester wiederum zog es vor daraufhin zu meiner Mutter zu ziehen. In der Zwischenzeit lernte mein Vater eine neue Frau kennen, alles war zu diesem Zeitpunkt für mich O.K. Mein Vater kümmerte sich um mich und wir hatten ein gutes Verhältnis zueinander, auch der Umgang mit seiner neuen Freundin und ihren 2 Töchtern war gut.
    2 Jahre später zog seine Freundin und spätere Frau mit ihren 2 Kindern sowie meine Schwester bei uns ein und das Drama nahm seinen Anfang. Mein Vater war nur noch dazu fähig die Wünsche seiner Frau zu erfüllen. Es war emotional für mich eine sehr schwere Zeit und ich fühlte mich nicht geliebt und auch nicht ernst genommen, da alles was ich tat immer als sehr negativ dargestellt wurde. Ein Interesse an mir als Mensch konnte ich nicht feststellen. Die Konflikte mit meiner Stiefmutter und meinem Vater häuften sich und gipfelten schließlich darin, dass ich von meinem Vater nach einem Streit mit meiner Stiefmutter telefonisch vor die Tür gesetzt wurde und die Haustürschlösser ausgetauscht wurden. Der Kommentar meiner Schwester hierzu:“ Dann kann ich mal hingehen, da gibt es bestimmt etwas für mich zu holen.“
    Mittlerweile 21 Jahre beschloss ich meine Fachhochschulreife zu erwerben um später zu studieren. Der Kontakt zu meinen Vater bestand darin, dass ich immer meinen Unterhalt persönlich bei ihm abholen musste. Der Kontakt zu meiner Mutter hatte sich fast wieder normalisiert, ihre Egotrips waren in dieser Zeit für mich nicht so spürbar, da auch sie mittlerweile eine neue Beziehung eingegangen war.
    Mein Vater besuchte mich in der Studienzeit ca.4 mal und rief niemals an(Ich wohnte in derselben Stadt)Seine liebste Begrüßung damals war: “Du kommst auch nur wenn Du Geld brauchst.“ In der Zwischenzeit wurde ich Vater und mein Vater guckte sich seine Enkeltochter im Krankenhaus an, meine spätere Frau siezte sich noch mit meinem Vater und seiner Frau, dieses änderte sich erst als meine Frau einen Brief mit der Bitte auf das Du schrieb. Ich musste zu der Zeit noch einige Prüfungen ablegen und das Diplom schreiben. Als meine Frau mit unserer Tochter im Krankenhaus lag fuhr ich Tagsüber Taxi und habe nachts die neue Wohnung renoviert, meine Eltern haben nicht einmal gefragt ob ich Hilfe brauche.
    Die Verletzungen und Missachtungen gingen weiter und ich schrieb meinem Vater einen Brief. Extra getippt damit er genauso steril wie unser Umgang ist mit all meinen Befindlichkeiten. Er gelobte einen neuen Umgang und nichts änderte sich (Der Brief wurde von ihm verbrannt). Am Tag der Einschulung meiner Tochter organisierte meine Schwester eine Gegenveranstaltung und alle gingen hin. Dies war der Tag ab dem ich an keiner Familienveranstaltung mehr Teilnahm und mit meiner Schwester völlig brach. Meine Mutter hatte mehrmals völlige Egoentgleisungen, so dass ich nach mehreren Gesprächen mit meiner Frau den Kontakt beendete. Mein Vater kam zu meinem 41 Geburtstag mit den üblichen Worten:“ Ich habe wenig Zeit.“ Woraufhin ich ihn gar nicht erst rein lies.
    Bei ihm bin ich vorher Jahre nicht gewesen, obwohl wir nur 3 Häuser auseinander wohnen. Vor 2 Wochen ist mein Vater verstorben. Ich habe ihn noch an seinem letzten Geburtstag vor einem Monat mit meiner Familie besucht und bin die letzten Tage täglich bei ihm gewesen. Ich habe es für mich getan um einen Abschluss zu finden und es war auch gut so. Ich werde so damit fertig und es hat mir gut getan nach den ganzen Jahren zu sehen: Ich war nicht Schuld und es war gut so wie es war. Wenn ich meinen Vater in den Vergangen Jahren mal traf fragte er immer: “Warum?“ Ich antwortete immer: „Deine Frage beinhaltet schon die Antwort“ Er hatte nichts von dem verstanden was ich war und bin und würde es auch niemals verstehen. Am Totenbett unseres Vaters habe ich noch einmal mit meiner Schwester gestritten und wir gingen mit einem „Lebwohl“ von ihr auseinander, auf der Beerdigung grüßten wir uns nicht einmal. Der Auftritt meiner Mutter nach 36 Jahren Scheidung war zum Fremdschämen. Ich bereue nichts und will auch nicht mehr, ich habe eigentlich zu viel auf andere Menschen gehört und hätte es schon viel früher machen müssen. Am besten in eine andere Stadt ohne Angabe der Andresse.
    Olsen

  25. @Olsen

    Ein völliger Kontaktabbruch zu seiner Ursprungsfamilie ist ein Selbstschutz der nach einer langen Zeit der Missachtung einsetzt und ihren Ursprung schon viel früher hat und meist unweigerlich zum Bruch führt.

    Sehe ich ganz genauso! Es müssen nicht immer der Alkohol, der Missbrauch oder die Schläge sein. Wer sein Kind über Jahre und Jahrzehnte hinweg nicht ernst nimmt, sich nie wirklich ernsthaft mit es beschäftigt und/oder sich für den Nachwuchs interessiert, ständig nur die eigene Meinung/Weltsicht aufdrücken will, verbohrt und festgefahren ist, keine Fähigkeit zur Selbstreflexion besitzt sowie es immer nur von oben herab behandelt — der bringt das Fass des Kontaktabbruchs irgendwann zum Überlaufen.

    Danke für Deinen ausführlichen Kommentar!

  26. Meine Erkenntnisse nach so viel gelesenen Wundenlecken, Schuldzuweisungen, Unterstellungen, usw: Die Kontaktabbrecher müssen sich wirklich fragen, wie sehr sie eigentlich seelisch krank sind und wie viel Verantwortung sie dafür (nahezu ausnahmslos) auf die jeweils anderen schieben! Immer wird das Nichtverstehen nur auf der anderen Seite gesehen. Und wenn ich lese, dass der eigene Vater zu Besuch kommt (okay, blöderweise mit dem Hinweise, er habe wenig Zeit), und daraufhin nicht hereingelassen wird, ja wie armseelig (im wahrsten Sinne des Wortes) ist das denn? Schon mal einen Perspektivwechsel versucht? Wie würde ich mich an der Stelle des jeweils anderen fühlen? Klar, die »Wahrheit« liegt im Auge des Betrachters, aber wer sagt denn, dass die Kontaktabbrecher die Wahrheit für sich gepachtet haben? Schon mal daran gedacht, was für Botschaften diejenigen selbst aussenden? Ist ihr Verhalten fair oder auch nur annähernd gerecht? Und wer sagt, dass Eltern nur gut und gütig und aufmerksam und distanziert, und was auch immer gerade gewünscht wird, zu sein haben? Sind die Kontaktabbrecher denn reine Gutmenschen? Wohl kaum, durch ihr (Liebesentzugs-)Verhalten disqualifizieren sie sich recht deutlich.
    Und wenn sich jemand nicht ernst genommen fühlt: Ja, die Sonne geht nicht mit jedem einzelnen Sohn/jeder einzelnen Tochter auf und unter. Einerseits beharren Söhne/Töchter auf ein eigenes, selbstbestimmtes Leben, andererseits beklagen (bejammern?) sie es, wenn Eltern nicht alles im Leben der Sprösslinge mit großem/größtem Verständnis gutheißen und abnicken.... Mehr selbstkritisches Bewusstsein einerseits und mehr Toleranz gegenüber den anderen Familienmitgliedern ist angesagt! Was spricht dagegen, freundlich und höflich, vielleicht mit etwas Abstand aber offen für Gutes den Umgang aufrecht zu erhalten?
    Höchstens das eigenen Unvermögen, auch »Fünfe gerade sein zu lassen« und jedem »Jecken« sein Anderssein zuzubilligen — selbst wenn es die eigenen Eltern sind. Macht doch bitte nicht die Eltern zu euren »Prügelknaben«!

  27. @anna

    Ohje. Ohje. Selten so etwas provokativ Einseitiges gelesen.

    Was spricht dagegen, freundlich und höflich, vielleicht mit etwas Abstand aber offen für Gutes den Umgang aufrecht zu erhalten?

    Das kann ich Dir sagen! Wenn man jedesmal Konflikte hat, sich danach ärgert, nicht verstanden und ernst genommen wird und ständig gegen Vorurteile, Klischees und Verbohrtheit anrennen muss, dann wird selbst der »distanzierte Kontakt« zu einer anstrengenden Farce.

    Und auch für Dich nochmal aus dem Artikel oben:

    Sicher, jeder ist irgendwann erwachsen und sollte nicht für jede Fehlentscheidung oder alle eigenen Probleme einseitig die Eltern dafür verantwortlich machen. Sich selbst stets als Opfer zu sehen, ist bequem und entlässt einen aus der persönlichen Verantwortung.

    Es geht hier (und mir) nicht darum, eine Partei (also Kinder oder Eltern) als die »Bösen« hinzustellen, sondern darum zu analysieren, warum es zu einem Kontaktabbruch gekommen ist. Und glaube mir, das macht niemand einfach mal »eben so«. Dazu gibt es immer eine laaaange Vorgeschichte.

  28. Gleichwohl sehe ich in keiner Aussage, dass die jeweils andere »Partei« konkret die zahlreichen und teils abstrusen Vorwürfe hätte geradestellen können. Wer sagt uns denn, dass das, was die Kontaktabbrecher empfinden, auch nur annähernd der Realität entspricht? Die »gaaanz lange Vorgeschichte« spielt sich sicherlich im Kopf des Kontaktabbrechers ab, aber wahrscheinlich ohne dass die »andere Partei« dies wirklich erkennt / erkennen kann? Warum es zum (meist einseitig herbeigeführten) Kontaktabbruch kommt, kann die andere Partei völlig unvorbereitet treffen. Erst im Nachhinein erkennt man eventuell einzelne Mosaiksteine der »Erkrankung«. Und dann ist der mit Kontanktabbruch Bestrafte definitiv ohnmächtig, und erhält keine Möglichkeit, an einer Beziehung (rückwirkend/verändernd) zu arbeiten. Eltern schweigen obendrein, weil sie zudem die Hoffnung nicht aufgeben, sie warten auf Besserung und wollen die Tür nicht zuschlagen. Auch wenn die Kontaktabbrecher sich ja so im Recht wähnen: Auch die andere Seite hat eine Sichtweise, vielleicht sogar Recht und ganz sicher Recht auf faire Auseinandersetzung. Und die sehe ich bei der einseiteígen »Wundenleckerei« wirklich nicht!

  29. beschäftige mich auch schon länger mit dem Thema Kontaktabbruch und denke es ist ein Extrem unserer modernen Kritik-und-Wegwerf-Gesellschaft — war aber in der Geschichte der Menschheit auch schon immer vorhanden.
    Die Ursachen sind vielseitig von : »die Eltern sind blöd weil zu nett zu fürsorglich, zu ok«, bis zu traumatischen Erfahrungen. Auch weiss die junge Generation, dass sie einer sehr schwierigen Zukunft entgegensieht und schiebt die Schuld dafür auf die Eltern, diese leiden aber genauso . Ohne autonomes Mitgefühl wird das nichts.
    Täter-Opfer-Retter-Dynamiken eben.

  30. Ein toller Artikel und eine vielseitige Diskussion.

    Mir (33m) geht es mit meinen Eltern ganz ähnlich. In der Kindheit wurden Problem grundsätzlich mit Druck zu lösen versucht. Was Gegendruck erzeugte und meist in totalen Katastrophen endete. Es uferte alles immer mehr aus. Was ich aber nicht weiter ausführen möchte, da es einfach zu viel wäre.

    Bereits in der Kindheit hatte ich diverse Psychologen, Psychiater und bekam Psychopharmaka. Als ich erwachsen wurde änderte sich nichts. Es wurde weiterhin festgelegt wie etwas (bzw. ich) zu funktionieren hat. Woraufhin ich den Kontakt auf gelegentliche Telefonate begrenzte und in eine andere Stadt zog. Irgendwann näherten wir uns wieder an, auch da ich wieder in der selben Stadt wohnte und meine Familie nicht komplett aufgeben wollte. Anfangs schien es wirklich so als hätten Sie über alles nachgedacht und eingesehen, das nicht alles meine »Schuld« war. Dem war leider nicht so. Es wurde wieder kritisiert, beeinflusst und Regeln aufgestellt. Somit musste ich aus Selbstschutz wieder Abstand nehmen... Das ganze wiederholte sich noch einige Male. Wobei ich nun denke, das ich mich nur wirklich frei fühlen kann, wenn ich das Kapitel endgültig beende. Sprich weit wegziehen, neue Telefonnummern, Mail Adressen usw. Mir ist an meiner Familie gelegen, aber nicht um jeden Preis. Auch ich habe nur ein Leben und das ist mir zu schade als mich permanent mit nicht lernfähigen Menschen rumzuschlagen zu müssen, die mir den letzten Nerv rauben. Und mich weder akzeptieren noch verstehen können.

    Um eine gute Beziehung führen zu können (egal ob nun Eltern/Kind oder andere) müssen beide Seiten bereit sein sich über das eigene Verhalten Gedanken zu machen und Fehler einzugestehen. Wenn dies nicht der Fall ist, sollte man nicht weiter daran festhalten.

  31. Mir ist an meiner Familie gelegen, aber nicht um jeden Preis. Auch ich habe nur ein Leben und das ist mir zu schade als mich permanent mit nicht lernfähigen Menschen rumzuschlagen zu müssen, die mir den letzten Nerv rauben. Und mich weder akzeptieren noch verstehen können.

    Um eine gute Beziehung führen zu können (egal ob nun Eltern/Kind oder andere) müssen beide Seiten bereit sein sich über das eigene Verhalten Gedanken zu machen und Fehler einzugestehen. Wenn dies nicht der Fall ist, sollte man nicht weiter daran festhalten.

    Dem kann ich nur beipflichten! Übrigens: »der Klügere gibt nach« ist auch nicht selten ein Euphemismus für »der Unkluge darf sich alles erlauben« ;)

  32. Schön gesagt, Epikur!

    Dachte lange das sich irgendwann auch bei den borniertesten Menschen etwas tun muss. Aber das war leider ein Irrtum. Irgendwann muss man einsehen das es nicht lohnt, den Stein immer wieder den Berg hoch zu rollen.

  33. @Murphy 81

    Ich möchte das Word “Fügsamkeit“ oder “Gehorsamkeit“ hinzufügen, um diesen zur erzwingen, wird dieser Druck auch heute noch auf die (erwachsenen) Kinder ausgeübt. Sie haben es geschafft, diesen
    (kindlichen) Gehorsam zu überwinden und sich dem auf Sie ausgeübten Druck zu widersetzen, das ist eine wichtige und sehr schwere Arbeit! Es ist Ihnen offensichtlich gelungen, die damit verbundenen (unverarbeiteten) Kinderängste überwunden zu haben und das erfordert sehr viel Mut und sehr viel
    Stärke, dazu kann man Ihnen nur gratulieren.

  34. Danke, Frida!

    Dazu muss man aber auch sagen das es eine wenig Emotionale Entscheidung ist. Im Grunde simple Mathematik. Irgendwann musste ich lernen das es nicht egoistisch ist, in erster Linie an mein eigenes Wohl zu denken. Es ist niemanden geholfen, wenn man es immer nur allen anderen recht machen möchte und dabei selbst auf der Strecke bleibt. Daher habe ich alle Kontakte (nicht nur zu meiner Famile) die mir nicht gut tun, stark eingeschränkt oder ganz abgebrochen. Das kann ich nur jedem empfehlen. Es ist nicht leicht sowas zur reinen Kopfsache zu machen. Habe auch sehr lange gebraucht um eine gesunde eigenrefektion zu entwickeln.

  35. @Murphy81

    Es ist sehr wichtig was Sie geschrieben haben und es braucht viel Kraft und Zeit erkennen zu können, dass Sie ein Recht haben, ihr eigenes Leben zu führen und fröhlich und glücklich und so zu sein, wie Sie wirklich sind.
    Eine Frau (52) schrieb in einem Brief darüber, während einer ReHa-Maßnahme an einer umfassenden Befragung zu ihrer Erkrankung teilgenommen zu haben. Die Auswertung der Ergebnisse dieser Befragung fand mit ihrem zuständigen Therapeuten statt und es stellte sich dabei heraus, dass sie ein Mensch ist “den man auf ein äußerstes Maß ausbeuten kann und zwar in jeder Hinsicht“ (das waren die Worte). Sie durchlief bei dieser Therapie einen Erkenntnisprozess der sie in die Lage versetzte zu sehen, dass sie zu einem
    Menschen wurde, den man “ausbeuten konnte und teilweise heute immer noch kann, fast bis zur
    (Selbst)-Zerstörung“. Sie wurde dazu erzogen, sich ausnutzen zu lassen und konnte sich später vor ähnlichen Verhalten nicht gut wehren. So wie alle Menschen, die so erzogen worden sind, erhoffte sie sich Dankbarkeit für ihre Fügsamkeit (insbesondere die ihrer Mutter).
    Glücklicherweise haben Sie das viel früher erkannt und sich dagegen gewehrt. Damit haben Sie viele Jahre ihres kostbaren Lebens gerettet und können jetzt erkennen, welche Kontakte Ihnen gut tun und welche nicht. Das ist ein großes Glück. Die meisten Menschen brauchen für diese Erkenntnis viel
    mehr Zeit und verlieren damit auch sehr viel mehr Lebenszeit. Diese Zeit ist leider unwiederbringlich
    verloren. Es ist verständlich, dass Sie diese Entscheidung vorerst mit dem Kopf und nicht so sehr emotional getroffen haben, aber Sie können stolz auf sich sein, das so früh erkannt zu haben.

  36. Danke, Frida.

    Denke viele stecken in diesem perfiden System so tief drin, das es aus der Perspektive schwer oder garnicht vorstellbar ist, das es auch anders sein könnte. Die erwachsenen Kinder werden, wenn sie nicht funktionieren wie gewünscht, mit emotionalen terror wieder gefügig gemacht. Und das auf derart perfide Art und Weise, was man nicht einmal seinem ärgsten Feind wünscht. Teilweise habe ich es erlebt, das den Erwachsenen Kindern vorgehalten wurde die Familie zu zerstörten. Einigen wurde sogar mit dem Selbstmord eines Elternteils gedroht. Was dann wiederum »Schuld« des Erwachsenen Kindes sei. Wenn ich sowas sehe, würde ich den Eltern am liebsten ein paar Tackte erzählen, was sie ihren Kindern antun. Aber Verhaltensweisen die sich über Jahrzehnte bewehrt haben, lassen sich nun mal nicht in ein paar Stunden klären. Auch da die Situation und das Verhalten, bis jetzt für die Eltern funktioniert hat. Ein Umdenken oder eine gesunde eigenrefektion, werden die meisten nicht entwickeln. Wenn ich versuche den Kindern zu helfen, kann ich Ihnen nur immer wieder den Spiegel vorhalten, damit sie selbst drauf kommen. Etwas zu sagen wie, »Du musst«, »Wenn Du nicht, dann...«, »Mach das doch so..« ist in keiner Weise zielführend. Was aber selbst Psychiater scheinbar nicht nachvollziehen können. Ich arbeite mittlerweile selbst im sozialen Bereich und habe viele solcher Fälle(bin kein Soz. Päd.) die ich aktiv coache. Es ist langjährig und mühsam für alle Beteiligten. Aber ich kann sagen das es immer wieder schön ist, wenn jemand die Erkenntnis erlangt, was da über Jahrzehnte gespielt wurde.

    Ich denke wenn man die Erkenntnis mit 52 hat, ist das immer noch deutlich mehr als das was die meisten jemals an eigenreleflektion entwickeln. Viele schwimmen doch nur mit der Masse ohne sich tiefergreifende Gedanken zu machen. Und irgendwann kommt der große Knall und es wird sich gewundert wie einem ein Burnout oder ähnliches passieren kann. Denke da sind Menschen die sich wirklich kennen klar im Vorteil.

  37. @Murphy81
    Es ist gut, dass es Menschen gibt wie Sie, die sich auf die Seite des Kindes stellen. Eine Lehrerin schrieb in einem Brief, dass sie immer versucht, bei Kollegen und Eltern Verständnis für das Handeln des Kindes und das Kind überhaupt zu wecken. Mit dieser Art des Umgangs steht sie immer ziemlich alleine da und hat sich oft das Unverständnis der Kollegen zugezogen, manchmal wurden ihre Bemühungen auch belächelt. Es ist aber sehr wichtig, dass menschlicher und verständnisvoller mit Kindern umgegangen wird, es macht sich zwar nicht gleich bemerkbar, aber in der Zukunft werden
    wir dann vielleicht Menschen haben, die weniger Gewalt (körperlicher und seelischer Art) im Umgang miteinander ausüben. Die Frau schrieb auch davon, dass sie sich immer mehr von den Fesseln der Mutter befreit und dieses freie Gefühl sehr genießt, weil es ihr hilft, sich immer besser kennen zu lernen.
    Viele Menschen wollten als Kinder unbedingt ihren Eltern helfen, die ihre Argumente gar nicht verstanden haben und diese gar nicht ernst nahmen. Wenn diese dann später den Kontakt abbrechen und nicht mehr länger an die Eltern appellieren, ihnen nicht mehr länger helfen wollen, sich nicht mehr länger um sie bemühen (wie sie das früher immer taten), dann merken diese erst, was sie verloren haben. Eltern und Erzieher verlangten und verlangen Unmenschliches von ihnen, wie das Aufzwingen von schweren Schuldgefühlen und versuchen sie mit Verantwortung über alle
    Maßen zu überfordern, so wie sie es beschrieben haben. Wenn sich die heute (erwachsenen) Kinder dagegen wehren, dass Schicksal eines anderen zu übernehmen, ihr eigenes Leben zu leben, dann werden sie als „böse Menschen“ verurteilt und erneut mit schweren Schuldgefühlen und Vorwürfen belastet. Es ist ein hartes Schicksal und es kann Jahre dauern, einen tieferen Zugang zu sich selbst zu bekommen, Kindern beistehen zu können und den inneren Kompass (die eigenen Gefühle) zurückzugewinnen.

  38. @murphy81: Mir graut es wirklich vor selbst ernannten »Coaches im Sozialbereich«. Es ist traurig (schlimm) genug, dass es erwachsene Menschen gibt, die die eigenen Probleme nicht bewältigen können und dann auf der Suche nach dem Warum die Elterngeneration dafür in die Pflicht oder sogar Verantwortung nehmen. Aber es ist schrecklich, dann von selbst ernannten Sozialarbeitern beim Zuschieben von »Schuld« eine derartige Unterstützung zu erhalten, bei der mit vielen Fingern auf andere gezeigt wird. Es fehlt, das eigenständige Ich und die eigene Verantwortlichkeit/Schwäche in Kommunikation mit den Beschimpften zu klären und zu erkennen. Wissen Sie eigentlich, welche Brutalität in dem Verhalten der Menschen steckt, die andere verlassen? Wohl kaum! Denn sonst würden Sie erkennen, dass es einer Vermittlung bedarf und nicht eine Verdammung!

  39. @ Anna
    ich spekuliere jetzt mal das es sich bei Ihnen um ein Elternteil handelt dem Vorwürfe gemacht werden, sonst wäre das Thema wahrscheinlich nicht relevant genug hier zu schreiben.
    Bei allem Respekt für Ihre Meinung sollten Sie aber schon bemerken das Sie nicht Jeden Menschen, nicht jedes Schicksal und nicht jede Psyche kennen um sich ein Urteil zu erlauben. Nicht jeder der den Kontakt zu seiner Familie abbricht ist psychisch Krank und »denkt« sich seine Leiden aus.
    Ich gehe mit Ihnen konform das sich vieles bei der Rückschau verzerrt und die Gefühle « übermäßig « werden können. Trotzdem sind es echte Gefühle die man ernst nehmen muss.
    In meinem Fall gab es sog. moderierte Gespräche mit meiner Mutter gemeinsam. Kein selbst ernannter Coach sonder ein studierte Psychotherapeut. In meinem Fall Mutter nichts von dem was ich Ihr vorgeworfen habe abgestritten , allerdings mit Sätzen wie « das ist schon so lange her, na und mir ist es auch nicht besser gegangen, ich wollte ja nun mal kein Mädchen , ect. pp. kommentiert.
    Ich habe viele Jahre gekämpft mit schlechtem Gewissen das ich auch nur darüber nachgedacht habe den Kontakt komplett abzubrechen. Solange bis mein Körper gestreikt hat. Mit Hilfe meines (studierten) Therapeuten konnte ich mich lösen.

    Jeder soll seine Meinung vertreten dürfen, allerdings sollten Verallgemeinerungen und Unterstellungen möglichst unterlassen werden

    Glenna

  40. @Glenna
    Schade, dass es bei Ihnen so ausgegangen ist. Aber nun stellt sich die Frage, was hätte Ihre Mutter überhaupt tun/sagen können? Was hätte Sie wieder zusammengebracht? Was hätten Sie als Tochter akzeptieren wollen/können? Oder haben Sie vor allem für sich selbst und Ihr Gewissen die Gesprächstherapie gebraucht um sagen zu können: Ich habe ja alles getan?
    Offenbar hat Ihre Mutter das vorgeworfene Verhalten zugegeben — aber ging es Ihnen darum, der Mutter ein bestimmtes Verhalten »nachzuweisen« oder ging es um Verstehen (evtl. Verzeihen) und mögliche Beziehungsvereinbarungen für die Zukunft? Und die große Frage: Wie geht es Ihrer Mutter mit Ihrer Entscheidung zum Kontaktabbruch?
    Sie sagen, Ihr Körper habe Ihnen die Entscheidung gewiesen. Wenn die Psyche geschwächt ist, kann auch der Körper schlappmachen. Das hängt ganz sicher zusammen.
    Aber dann muss das Ziel doch sein: Die Psyche zu stärken und nicht der Schwäche nachzugeben....
    Und was ist mit der Psyche der Mutter?
    Da verstehe ich eine Mithiilfe des Therapeuten zum Konbtaktabbruch irgendwie gar nicht.
    Anna

  41. Ich habe diesen Chat mit großem Interesse gelesen und habe seit wenigen Monaten keinen Kontakt mit meinen Eltern. Oft tut es noch weh und ich frage mich,ob das irgendwann aufhört. Immer wenn ich Eltern erlebe,denen es wichtig ist wie es ihren Kindern geht,empfinde ich ein großes Verlangen nach solchen Eltern. Meine Eltern waren nur froh,dass ich erwachsen bin und haben ihre emotionale Unfähigkeit mit Geld versucht,reinzuwaschen. Selbstreflexion ist ihnen ein Fremdwort. Lieber zeigen sie ihre harte Seite. Ich habe um ihr Verständnis von klein auf gebuhlt. Wir wohnten sogar lange nebeneinander. Mittlerweile drehen sie mir den Rücken zu, wenn sie mich sehen. In ihren Augen habe ich den Kontakt abgebrochen,dabei gab es Gespräche vorher und sie wollten ihren Willen durchsetzen. Irgendwie habe ich aber gemerkt,dass ich auch ein Recht auf meine Meinung habe und bin somit ein spätes Pubertier. Ich genieße oft diese Unabhängigkeit, fühle mich allerdings auch ohne Wurzeln.

  42. @Hehe

    Kann ich sehr gut verstehen. Ich habe auch erklärt, warum ich nicht ein spezifisch gefordertes Verhalten an den Tag lege, also nicht der Erwartung entspreche. Das wurde allerdings übergangen. Zwei Monate später musste ich von vorne anfangen. Irgendwann verliert man jegliche Nerven und Kraft.

    Ich weiß nur eins: bei meinem Sohn werde ich mich entschuldigen, mich reflektieren und ihn so sein lassen, wie er möchte und nicht wie ich ihn haben will.

  43. Wenn Psychologen zum Kontaktabbruch raten, ist dies dann nicht der einfachste Weg um seinem Patienten Erleichterung zu verschaffen?

    Mit welchen Folgen?????

    Das Kind denkt immer wieder an seine Eltern, um vor sich die eigene Entscheidung zu rechtfertigen muss es sich immer wieder an seine Wunden erinnern.
    Somit hat das gute und auch das neutrale keinen Platz in der Erinnerung.
    Der Weg zur Verbitterung kann so nicht weit sein.

    Denn Verlassenen werden tiefe Wunden gesetzt, denen bleibt nichts anderes übrig als abzuschließen.

    Wie will man so je wieder unbekümmert aufeinander zu gehen.

    Erneute Wunden sind so vorprogrammiert.

    Ich habe meine Eltern nicht verlassen, und dies obwohl mein Psychologe dazu geraten hat.

    Ich hatte mich dann ausführlich mit der Familiengeschichte auseinandergesetzt. Meine Eltern haben mir im Vergleich zur eigenen Kindheit eine Traumkindheit geschenkt.

    Mein Kind hat jetzt mit über 30 abgebrochen.

    Die letzten Jahre war ich schon sehr unsicher und immer unsicherer. Aus Angst vor einen Abbruch.

    Ich habe meinem Kind alles gegeben wozu ich in der Lage war. Es gibt Seiten an mir, denen ich mir Jahrzehnte nicht bewusst war. Diese liegen in der Kommunikation.

    Kann ich mich so verändern....dass ich meinem Kind genehm werde???? Muss ich dass?????

    Das Kind darf drohen und erpressen.......es darf gehen.........

    Das Elternteil hat dies hinzunehmen.........

    Der Schmerz sitzt sehr tief....meine Gefühle sind Tod....auch wenn ich jeden Tag an mein Kind denke.

    Mein Kind war mir das wichtigste......aber ich war und bin leider nicht perfekt...

  44. @kopfschüttel:
    Ich empfinde mit Ihnen!
    (Verlassende) Kinder nehmen sich ein Recht heraus brutal zu sein gegen die eigenen Eltern und ihnen obendrein noch Schuld bzw. Schuldgefühle zuzuschieben....
    Welche »Übermenschen« sollen Eltern denn sein, dass sie alles nur richtig machen müssen? Auch Eltern haben Anspruch darauf, nicht perfekt zu sein. (Die Töchter/Söhne sind es eindeutig nicht und werden trotzdem geliebt!)
    Wenn Eltern ihre Töchter/Söhne lieben, versuchen sie allein aus diesem Beweggrund heraus ihr Möglichstes zu geben, nicht zu verletzen und zu unterstützen. Stattdessen erleben diese Eltern zutiefst verletzende Ablehnung und Schuldzuweisung.
    Ansprüche nach perfekten Eltern bei gleichzeitiger Blindheit ob der eigenen Brutalität sind wirklich krank!
    Offenbar krankt unsere Gesellschaft daran, dass familiäre Beziehungen einfach negiert werden (dürfen) — und die Verlassenden sich auch noch im Recht oder gar als Held fühlen.

  45. @anna @kopfschüttel

    Diese ewige Diskussion um die Schuldfrage führt nicht weiter. Die eine Partei stellt sich auf die Seite der Eltern, die andere auf die Seite der Kinder. Mit Vorwürfen und Schuldzuweisungen kommt man nicht weiter. Man schiebt nur den schwarzen Peter hin und her.

    Sobald man nach den Ursachen für einen Kontaktabbruch fragt, stellt man relativ schnell fest, dass manche Menschen einfach überhaupt nicht miteinander können. Von tiefen Verletzungen, Drogen, Gewalt etc. mal ganz abgesehen. Fakt ist, dass niemand einfach so mal den Kontakt abbricht. Dazu gibt es wohl immer eine sehr lange Vorgeschichte. Wir alle wollen unsere Familie halten. Nur irgendwann sind eben gewisse Grenzen erreicht.

  46. @epikur
    »Fakt ist, dass niemand einfach so mal den Kontakt abbricht.«... »Wir alle wollen unsere Familie halten. Nur irgendwann sind eben gewisse Grenzen erreicht.«
    Also bitte: Schon wieder das volle Verständnispaket für diejenigen, die gehen.
    Wenn aber auf der Seite der Verlassenen der Schmerz überbordet, die Haltung der Tochter/des Sohnes hinterfragt wird, der Verlassene nicht mit der Schuldzuweisung einverstanden ist und/oder die »lange Vorgeschichte« nicht erkennbar ist, wird abgeblockt.
    @kopfschüttel:
    Der Schmerz der Verlassenen ist oft grauenhaft — wie man es auch dreht und wendet! Und das muss man auch sagen dürfen! Volles Verständnis für Ihre Gefühle — und NEIN, Eltern sind nicht per se schuld!

  47. Hallo Epikur, zufällig bin ich an Deinen Blog und diesen Artikel geraten und möchte Dir für Deine Reflektiertheit danken!

    Ich finde mich in Deinem Text und Deinen zusätzlichen Kommentaren 100% wieder. Ich (weiblich, 42 Jahre alt) musste vor einigen Jahren zur gesamten Familie den Kontakt abbrechen. Leider hatten sich die schwierigen Charaktereigenschaften meiner »toxischen« Eltern auf meine Geschwister übertragen, und mit den Jahren nahmen die Manipulationen, Belästigungen, billigen Schuldzuweisungen zu und liessen das Fass irgendwann überlaufen.
    Rund 25 Jahre lang, in allen Lebenslagen und Altersstufen versuchte ich mit den mir verfügbaren Mitteln den Dialog zu suchen und Grenzen neu zu zeichnen. Alles wurde jedoch klein geredet und relativiert, aus dem Kontext heraus schön geredet. Eine kritische Selbsteinschätzung, ehrliche Bescheidenheit habe ich nicht erleben dürfen.
    Den Kontaktabbruch habe ich nicht einfach mal so durchgezogen, das geschah schleichend. Zwischenzeitlich hatte ich versucht, mit meinem Vater und Verwandten den Kontakt zu halten, aber es würde für sie ein Loyalitätsproblem, Neutralität fiel ihnen schwer — es war für sie einfacher für meine Mutter Parteil zu ergreifen und mich zu Einsicht bewegen zu wollen. Dabei wagte man auch den Weg der Manipulation. Das hat nicht funktioniert, und somit lebe ich ohne diese Personen und habe an Seelenruhe gewonnen: keine permanenten Abgrenzungsmanöver mehr, keine verzweifelten Dialogversuche, kein Gefühl der Leere im Umgang mit ihnen, kein willkürlicher Stress! Ich bin für sie unbekannt verzogen und erspare mir die Art von Post, die sie mir in den letzten Jahren hatten zukommen liessen...
    Übrig bleibt die Trauer, keine Familie erlebt zu haben, mit der Kompromisse, Dialog und gemeinsame Weiterentwicklung möglich gewesen wäre. Aber ich weiss, dass ich in 25 Jahren offener Konfliktaustragung alles versucht habe — und schliesslich mich für ein gesünderes Leben entschieden habe.

    Vermutlich werde ich diejenigen hier auf den Plan rufen, die Leute wie uns verurteilen. Das könnt Ihr gerne machen, aber damit zeigt Ihr nur, wessen Geistes Kind Ihr seid — und das ist nicht schlimm. :-)

  48. @Flora

    Vielen Dank für Dein Kommentar!

    Den Kontaktabbruch habe ich nicht einfach mal so durchgezogen, das geschah schleichend.

    Das ist ein wichtiger Punkt und sollte allen Eltern, die ihre Kinder für die vermeintliche »Brutalität« (Kommentar »anna«, 6.8.) des Kontaktabbruches verurteilen, aufzeigen, dass diese Entscheidung selten bewusst, noch über Nacht getroffen wird. Das Fass mit Konflikten, Vorwürfen, Manipulationen und Nicht-Verstehen-Wollen, füllt sich langsam über Jahre oder gar Jahrzente. Solange bis es voll ist und dann überläuft.

  49. Ja, Epikur, da hast Du in’s Schwarze getroffen: irgendwann ist das Fass wirklich und leider übergelaufen...

    Meine Schwester hatte mal zwischen meiner Mutter und mir vermitteln wollen. Bei der Gelegenheit hatte ich uns mit einem Steinbruch verglichen und anschaulich dargelegt, wie mein Gefühl der Liebe verbaut ist/war durch viel Geröll und Gestein... Der Sendebetrieb eingeschränkt... Trotzdem hatte meine Mutter Jahre später noch grösstes Erstaunen gezeigt, als ich ihr vorschlug eine Brücke zu bauen — zwischen ihr und mir. Denn da sei ja ein Abgrund der überwunden werden wollte. Für sie gab es da keinen Abgrund und ich sollte daher meine Sicht überdenken. Nochmal später sprach ich eines Tages aus tiefstem Herzen und eindringlich von einer Perle, die gehegt werden wollte, die Pflege brauchte, die sehr fragil sei. Ich versuchte sie für die Bedeutung eines behutsamen Miteinanders zu sensibilisieren. Das fand sie eine schöne Rede, aber Wirkung gab es keine. Es gab noch diverse andere Versuche, ich liess ihr auch Bücher zukommen, z.B. über gewaltlose Kommunikation oder über Kriegskinder. Später schickte sie mir das Kriegskinder-Buch auf diskretem Wege zurück — das sei ja nicht für sie gewesen und betreffe sie nicht (dabei ist sie Jahrgang 1935 und hat mich von klein auf regelmässig und intensiv mit Kriegserinnerungen konfrontiert). Das Buch über gewaltfreie Kommunikation fand ich bei ihr mit handgeschriebenen Randbemerkungen wieder — offenbar hatte sie Mitleid mit dem Autor (der weltweit viel Anerkennung geniesst) und konnte mit dem Ansatz überhaupt nichts anfangen.

    Ich erspare Euch weitere Berichte, die alle in dieselbe Richtung zeigen. Die Beziehung zu meiner Mutter war hauptsächlich eine Mauer. Und irgendwann hat man einfach genug. Wer ist denn so masochistisch, sich so etwas ein Lebe lang anzutun? Alternativ kannn man auch auf Gesprächsversuche verzichten und stark wie ein Stein sein und die Mutter und ihre extrem intrusive und rücksichtslose Art ertragen und in jeder Lebenssituation cool reagieren. Aber das bringt’s doch nicht, ich bin kein Stein und eine solche Beziehung hat für mich keine Qualität.

    All denjenigen, die noch hadern wünsche ich viel Kraft.

    NB: ich habe die Kommentare gelesen, in denen den erwachsenen Kindern empfohlen wurde, die Eltern nicht für alles verantwortlich zu machen. Selbstverständlich sind wir hoffentlich irgendwann alle stark genug und finden den Weg aus diesem System heraus, das sich als »Festung« (cf. Horst-Eberhard Richter, »Patient Familie«, Kap. 7 — »Die paranoide Familie — Stichwort Festung«) versteht und andersfühlende und andersdenkende Mitmenschen manipuliert zwecks Bewahrung des status quo — oder abstösst und nach wie vor unter Druck setzt. Die die’s schaffen, die finden eine Heimat jenseits der »Festung«, und sind per se autonom. Aber der Weg ist steinig, und vor allem kann man nicht auf die Eltern bauen beim Aufbau des eigenen Lebens. Für diese Menschen sind ihre Kinder eine Art Wurmforsatz, Teil ihrer selbst — natürlich geht es nicht, man selbst zu zu sein und MIT den Eltern zu bleiben. Das ist per Definition leider schier unmöglich und mündet in Konflikten, unbewussten Eifersuchts-Szenen und anderen Krämpfen — die allerdings allesamt ignoriert werden und daher unlösbar sind. Ich habe mich zur Mediatorin fortbilden lassen und dabei gelernt, dass Konflikte nur bearbeitbar sind, wenn die Existenz eines Konflikts erkannt wird und beide Parteien sich zuhören. Bei Eltern des Kalibers von dem hier aber die Rede ist sind diese Bedingungen leider nicht oft gegeben

    Nun denn, die, die die Moral der Kontaktabbrecher in Frage stellen bzw. diese zu Empathie aufrufen haben aber vielleicht eine Idee, wie sie selbst mit empathielosen Eltern umgehen würden. :-)

    Alles Gute. :-)

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