»Waffenhandel« von Andrew Feinstein

Andrew Feinstein ist 1964 geboren und war von 1997 bis 2001 ANC Abgeordneter in Südafrika. In seinem über 800 Seiten starken Buch »Waffenhandel« analysiert er die geschäftlichen Methoden von Waffenhändlern, Staaten und internationalen Rüstungskonzernen. »Das globale Geschäft mit dem Tod«, wie der deutsche Untertitel lautet, wäre ohne Korruption kaum denkbar: »Der Waffenhandel ist für mehr als 40 Prozent der Korruption im gesamten Welthandel verantwortlich« (S.25).

Es ist, wie der Titel der Originalausgabe, »The Shadow World: Inside the Global Arms Trade«, es gut auf den Punkt bringt, eine Schattenwelt mit eigenen Gesetzen. Der militärisch-industrielle Komplex, bei dem es regelmäßig um Milliarden-Beträge geht, lenkt und steuert weltweit ganze Regierungen. Im Jahre 2010 werden die weltweiten Rüstungsausgaben auf 1,62 Billionen Dollar geschätzt, was 2,6 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts entspricht.

Lobbyismus
Der internationale Waffenhandel lebe zwar im Verborgenen, sei jedoch keine Parallelwelt im eigentlichen Sinne. Waffenhändler und Rüstungskonzerne arbeiten eng mit Banken, Regierungen, führenden Industrieunternehmen, Politikern, Geldwäschern, Lieferanten, Geheimdiensten und Kriminellen zusammen. Die größten Hersteller, Produzenten und Händler von Waffen und Zubehör sind die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und China. Mächtige PR-Maschinerien, Denkfabriken und Lobbyisten der Rüstungskonzerne sorgen dafür, dass ihre Interessen gewahrt bleiben.

Es gebe zwar internationale Gesetze und Regelungen für den Waffenhandel, in der Praxis werden diese jedoch häufig umgangen oder gar vollständig ignoriert. Der Einfluss auf politische Entscheidungen und über die Frage, ob Krieg oder Frieden, werde maßgeblich mit von weltweiten Rüstungsindustrien (wie beispielsweise Merex, BAE, EADS und Lockheed Martin)  entschieden. In der Regel sei ein Krieg für den internationalen Waffenhandel deutlich profitabler als ein Frieden:

»Zwischen den beiden Weltkriegen agitierten alle großen Rüstungsunternehmen einschließlich Vickers-Armstrong gegen einen dauerhaften Frieden« (S. 41).

Korruption
Feinstein widmet sich in einem Kapitel dem sogenannten »Al — Yamamah Deal« von 1985, einer der größten Waffengeschäfte, zwischen dem britischen Rüstungskonzern BAE und Saudi Arabien (im Jahre 2010 beliefern die USA Saudi-Arabien mit Rüstungsgütern im Wert von 60 Milliarden Dollar). In dem Auftrag ging es um die Lieferung von 96 Tornado Jagdbombern, Granaten, Kleinfeuerwaffen, Marineschiffen, Raketen, Tornado-Abfangjägern sowie um Wartung und Bereitstellung der dazugehörigen technischen Infrastruktur. Der Vertrag hatte einen Umfang von 43 Milliarden Pfund. Die Saudis lieferten dafür 400.000 Barrel Öl pro Tag, dass letztendlich Shell und BP erhielten. Die Bezahlung in Öl war ein Schachzug, um Schmiergeldzahlungen und Bestechungen zu vertuschen.

Schätzungen vermuten, dass mehr als sechs Milliarden Pfund an Provisionen geflossen sind. Die britische Zeitung »Guardian« hat Schmiergeldzahlungen, Gefälligkeiten und Bestechungen an mehreren Dutzend Saudis ermittelt. Prinz Bandar und Margaret Thatcher besiegelten offiziell den Deal.

Kriminalität
In einem anderen Abschnitt thematisiert Feinstein die lasche Strafverfolgung von Waffenschiebern, Geldwäsche-Banken und der bewussten Verletzung internationaler Abkommen und Gesetze. Vielen Ländern mangele es am politischen Willen, dagegen vor zu gehen. Auch sei die Frage der juristischen Zuständigkeit oft sehr schwierig. Hinzu komme die Bestechung von Richtern, Politikern und Geheimdienst-Mitarbeitern.

Das typische Rechtfertigungs-Argument von Waffenbefürwortern, wie beispielweise der amerikanischen NRA, sei »Gewehre töten keine Menschen, Menschen töten Menschen«. Auch die Begründung der »nationalen Sicherheit« werde häufig herangezogen. In Wahrheit gehe es nur ums Geschäft und um die Bereicherung einer relativ kleinen Gruppe von Rüstungskonzernen und Todeshändlern, wie beispielsweise Viktor But, der als Inspiration für den US-Film »Lord of War« verwendet wurde.

Zwar werden sich viele schon denken, dass der internationale Waffenhandel ein schmutziges Geschäft ist, Feinstein dringt jedoch tief in die Materie ein und bringt so interessante (und zugleich erschreckende) Details ans Tageslicht.

Andrew Feinstein, »Waffenhandel – Das globale Geschäft mit dem Tod« ist 2012 im Hoffmann und Campe Verlag erschienen.


Berliner Zeitung vom 10. Juli 2023


(Erstveröffentlichung auf dem ZG-Blog am Mittwoch, den 17. Juli 2013)

3 Gedanken zu “»Waffenhandel« von Andrew Feinstein

  1. tja...da macht sich sinnbildlich das blanke, entsetzte schweigen breit...

    das pazifistische »lumpen»kaninchen erstarrt in tödlicher angst, der abstiegsgezeichnete mecker & wutmittelstands-straußenbürger vergräbt sein endverwirrt-leiDmedial-verblödetes antlitz tief im rauchenden schutt seines einstmals wirtschaftlich und sozial prosperierenden landes...

    ...vor den erdrückenden beweisen systematischer weltkriegs-vorbereitung durch die notorisch aggressionsgeile, kriegslüsterne,
    globalkapitalistische giftschlange.

    Jean Jaurès:
    (Philosoph, Historiker, sozialistischer Abgeordneter, gilt als einer der bekanntesten Vertreter des Reformsozialismus am Ende des 19. Jahrhunderts (Frankreich, 1859 — 1914)

    »Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.«

    punkt.

  2. Also, wer hätte das denn nur ahnen können?

    »59% der von den USA an Kiew gelieferten Waffen sind unauffindbar. Die Ukraine ist dank der westlichen Waffenlieferungen zum Lieferanten Nummer 1 des internationalen Schwarzmarktes für Waffen geworden.«

    Korruption. Waffenhandel. Ukraine. Da wächst zusammen, was zusammen gehört. Aber halt! Es geht um Moral, nicht um Profit.

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