Der marktkonforme Einheitsbrei

brei_titelViele Journalisten in Deutschland zelebrieren die Illusion der politischen Wahlmöglichkeiten. Zwischen links, rechts, liberal, konservativ und Mitte. Und dann gäbe es noch die feinen Grautöne, politischen Flügel und Abstufungen: Erzkonservative, neue Mitte, Populisten, Realos, Fundis, Linksliberale, Reformer, Pragmatiker, Extremisten, Radikale und so weiter. Dabei sind diese Bezeichnungen in erster Linie Etiketten für die ‑ebenso gleichgeschalteten- Massenmedien. Denn sobald man sich die politischen Inhalte von CDU/SPD/GRÜNE/FDP genauer anschaut, gibt es in den Bereichen Bildung, Soziales, Wirtschafts‑, Außen‑, Arbeitsmarkt- und Innenpolitik keine signifikanten Unterschiede mehr. Auch wenn vermeintliche Differenzen medienwirksam inszeniert werden, um wenigstens so zu tun als gäbe es Unterschiede. Deshalb kann heute auch Jeder mit Jedem. Vielleicht mit Ausnahme der Linkspartei.

Im Gleichschritt: Marsch!
Hartz 4 finden alle Parteien, mit Ausnahme der Linkspartei, gut und richtig. Das menschenverachtende Lohndumping-und-Willkür-System wollen alle beibehalten. Auch die staatlich verordnete (Alters-)Armut via Rentenformel will man weiter festigen. Das bedingungslose Grundeinkommen wird zwar in der Linkspartei diskutiert, spielt aber bei den anderen Parteien kaum eine Rolle.

Auslandseinsätze der Bundeswehr (Afghanistan, Somalia, Mali, Balkan, Türkei) befürworten generell alle Parteien, mit Ausnahme von einigen Abgeordneten in der Linkspartei. Und das die Bundeswehr schleichend von einer verfassungsgemäßen Verteidigungs- zur internationalen Einsatzarmee mutiert ist, die primär auch Rohstoffinteressen verteidigen soll (Horst Köhler), stört dabei keine der etablierten Parteien.

Die Banken regulieren, das weltweite Finanzkasino schließen oder die Spekulanten und Heuschrecken an die Leine legen, traut sich, außer der Linkspartei, keine der im Bundestag vertretenen Parteien. Wie auch, sie werden ja großzügig von den Banken alimentert. Stattdessen geht das Zocken weiter und die Bankster streichen sich ungehindert ihre Millionen-Bonis ein. Bis zum nächsten, dann endgültigen Crash. Gewinne werden privatisiert. Verluste sozialisiert (Bankenrettung).

Der Abbau der Massenerwerbslosigkeit scheint kein wichtiges, programmatisches Ziel der Parteien mehr zu sein. Während sich der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder noch daran messen lassen wollte, gibt es heute weder von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), noch von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) oder von den Grünen Ideen und Konzepte zur Reduzierung der Massenerwerbslosigkeit. Es sei denn, man zählt die jährlichen Statistikfälschungen und Schönfärbereien der Arbeitslosenzahlen dazu.

Eine Erhöhung der Erbschaftssteuer, die Einführung einer Finanztransaktionsteuer oder Reichensteuer, das endgültige Schließen von selbstverschuldeten Steuerlücken sowie die Anhebung des Spitzensteuersatzes sind bei CDU/SPD/GRÜNE/FDP kein Thema. An die Reichen und Vermögenden will man nicht ran. Ganz im Gegenteil wird diese Gruppe Jahr für Jahr weiter entlastet und geschont., während der Normalbürger immer weiter geschröpft wird.

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Disziplin und Ordnung
Wer seine Stimme nicht den etablierten Parteien gibt, ist in den Augen von Parteienforschern sowie bei vermeintlichen Medien- und Politikexperten ein Protestwähler. Ein Radikaler, ein Extremer, ein Frust- und Wutbürger. Jeder, der vermeintliche Alternativen befürwortet oder wählt, wird in den Massenmedien als Anhänger von Populisten diffamiert. Dabei verraten die Phrasendrescher, wenn sie ständig von den »bösen Populisten« sprechen, unfreiwillig ihre wahre Intention. Denn da Populisten Menschen seien, die dem Volk nach dem Munde reden oder womöglich sogar ernsthaft die Interessen des Volkes im Blick haben würden, sind sie eine Gefahr für Banken, Unternehmen und Geldadel. Denn eines ist in den letzten gut 25 Jahren in Deutschland in jeder Regierungskoalition immer Konsens gewesen: Politik für Reiche und Vermögende und gegen die Interessen der Bevölkerung zu machen.

»Der Preis für das gedankliche Kleben am Status Quo und kleinen Reparaturen ist der Zerfall des Interesses an der parlamentarischen Demokratie.«

- Mathias Greffarth. »Im Fegefeuer des Wachstums«. Le Monde Diplomatique. Februar 2015. S. 3

Die Konformitäts-Formel der sog. Regierungsfähigkeit ist zudem der zentrale Begriff, der alle Parteien auf Linie trimmen soll. Politische Entscheidungen sollen stets im Interesse von Banken, Unternehmen, Finanzindustrie und internationalen Konzernen getroffen werden. Wer politische Vorschläge und Ideen hat, die dem (Groß-)Kapital nicht gefallen könnten, gilt als unseriös und als ein nicht ernst zu nehmender Verhandlungspartner. Er bekommt somit die Attribute radikal, populistisch und nicht-regierungsfähig. Zugleich wird er politisch und medial ausgegrenzt, niedergeschrieben und fertig gemacht (Oskar Lafontaine). Wie man ein Staatssystem noch Demokratie nennen kann, wenn die jeweiligen (Marionetten-)Regierungen, regelmäßig Politik gegen die eigene Bevölkerung betreiben und primär die Interessen von Hochfinanz und Geldadel durchsetzen, soll mir mal jemand erklären.

5 Gedanken zu “Der marktkonforme Einheitsbrei

  1. Das ist ein sehr gelungener Text, vielen Dank dafür! Zu ergänzen ist vielleicht noch ein Absatz, der das übliche »oppositionelle Geschwafel« beleuchtet, das die Blöcke der neoliberalen Einheitspartei, die gerade nicht »an der Macht« sind, so gerne vom Stapel lassen und das lediglich aus einem Haufen Nebelkerzen besteht.

    Aktuell versuchen die Grünen das mit eher mäßigem Erfolg; die Linkspartei allerdings läuft in dieser Hinsicht regelmäßig zur Hochform auf. Dabei weiß doch jeder, der über ein auch nur rudimentäres Erinnerungsvermögen verfügt, was diese Partei tut, wenn sie an den Trögen der Macht sitzt (gerade in Berlin sollte das doch noch nicht gänzlich vergessen sein).

    Vielleicht bin ich inzwischen schon paranoid, das will ich gar nicht ausschließen, aber ich persönlich traue auch den »prominenten« Figuren der Linkspartei keinen Meter weit über den Weg.

    Dieses perverse System belohnt Korruption, und zwar reichlich — es wäre daher mit einem religiösen »Wunder« gleichzusetzen, wenn eine politische Partei, die in diesem System agiert bzw. eher reagiert, diesen schnöden Versuchungen dauerhaft trotzte. Sollte diese Partei irgendwann erkennbar signifikante Wählerstimmen erhalten, wird man sie schneller unterwandern und »auf Kurs« bringen als die Piratenpartei, deren Wrackteile und Fragmente gerade ausgerechnet in der FDP eine »neue Heimat« finden.

    Noch ist die Linke nützlich für die lächerliche Demokratiesimulation — das kann sich aber jederzeit ändern.

    Eine »zeitnahe« Veränderung dieses nicht endenden Albtraums ist nach meiner Auffassung nur noch von außen möglich — und daher wohl ins Reich der Fantasie verbannt.

    Liebe Grüße!

  2. @Charlie

    Eine kontroverse Diskussion, ob die Linkspartei, sobald sie an der Macht wäre, wirklich all das umsetzen würde, wovon sie den ganzen Tag so redet oder am Ende doch wie SPD/GRÜNE/Piratenpartei sich anpassen, dem Fraktionszwang unterordnen, sich alle sozialen Forderungen in der Konsenssoße auflösen würden oder nicht, gibt es hier: Presseblick 40. Aufhänger war Bodo Ramelow´s Satz, dass der Pazifismus »kein Handlungskonzept für eine Nation wie Deutschland« sei.

    Ich weiß auch nicht, wieso man weiter auf den Messiahs hoffen will. Ob SPD/GRÜNE/Piratenpartei, ein schwarzer US-Präsident, eine Frau als Bundeskanzlerin und so weiter, jedes mal überschlugen sich die bürgerlichen Medien und der Stammtisch, mit Veränderungs‑, ja Revolutionsmeldungen, Hoffnungen und Wünschen. Sie alle wurden jedesmal enttäuscht. Nur nicht der Geldadel, die Banken, die Finanzindustrie und die Konzerne. Sie haben stetig ihren Reihbach gemacht. Es gibt sicher bald wieder eine neue Bewegung oder eine neue Partei und dann fängt das Spiel von vorne an.

  3. Linkspartei? Gibt es die noch? Was sagt sie zu den wichtigen Problemen: Integration, womit, mit welchem Geld, mit welchen Lehrkräften, mit welcher Infrastruktur? Fehlende Arbeitsplätze? Fehlende Wohnungen? Fehlende Lehrer in den Schulen? Fehlende Schulen allgemein (wurden ja viele geschlossen)? Fehlende Kita-Plätze? Fehlendes Geld in den Kommunen? Was wird mit dem Mindestlohn (der sowieso schon zu spärlich ist)? Was wird mit den Beiträgen für die gesetzlichen KK? Wie will man Geld für das alles eintreiben? Ich höre nichts außer Willkommenspartys und völlige Ruhe ohne Merkel in die Enge zu treiben. Und wer etwas Logik ins Spiel bringt ist Nazi. Das ist z.Z. unser Land. Leider. Ich bin tief enttäuscht von der Linkspartei und habe mich von ihr abgewandt.

  4. @Pewi: Ich halte diesen (regelm. wiederkehrenden) substanzlosen Vorwurf für ziemlich absurd. Du hörst nichts? Vielleicht liegt’s daran, in welche Richtung du dein Ohr hältst? Wenn du hören willst, was die Linke dazu meint, musst du sie fragen oder auf ihrer Webseite nachschauen. Oder erwartest du ernsthaft, dass die einigen Oligarchen gehörenden Privatmedien oder die ÖR (in der Hand diverser transatlantischer Thinktanks) lang und breit Wahlwerbung für die Positionen der Linken machen...!? Wir reden doch auch hier regelm. darüber, wie die Presse Meinung macht (u. a. durch simples Verschweigen) — und dann kommt so’n Vorwurf an die einzige oppositionelle Partei im Parlament...!? Was könnte jene denn konkret daran ändern...? Wär doch auch interessant für politische Blogger — wie kommen wir an das Megaphon, damit wir endlich in ausreichender Zahl gehört(!) werden!? Wie lange arbeiten die NDS nun schon an sowas wie einer »Gegenöffentlichkeit«...?

    @epikur: »Ich weiß auch nicht, wieso man weiter auf den Messiahs hoffen will«.

    Aber wenn sich der Messias »Überwindung des Kapitalismus« nennt, isses dann irgendwie auch wieder dufte, gell...!? :P ;)

    »Eine kontroverse Diskussion, ob die Linkspartei, sobald sie an der Macht wäre, wirklich all das umsetzen würde, wovon sie den ganzen Tag so redet oder am Ende doch wie SPD/GRÜNE/Piratenpartei sich anpassen, dem Fraktionszwang unterordnen, sich alle sozialen Forderungen in der Konsenssoße auflösen würden oder nicht«...

    ...sollte man vielleicht einfach erst mal dann führen, wenn dieser Fall in der Realität eintritt! Ansonsten arbeitet man unter Umständen nur fleißig mit an einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Deren Nutzen ich nur bei den derzeit Mächtigen sehe.

  5. Pingback: Was andere so schreiben II | die Schrottpresse

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