Markt oder Liebe?

Wenn man sich unsere Sprache anschaut, scheint die Antwort eindeutig zu sein. Auch wenn uns Hollywood-Schinken, Literatur und Theater die ewig gleiche Leier von der unvergänglichen Romantik-Liebe als Lebensziel erzählen wollen, so schlägt unser Herz in Wahrheit doch für etwas ganz anderes. Insofern Sprache Denken ist, kann die Quantität an Begrifflichkeiten unsere wa(h)re Liebe aufzeigen:

Liebe
Zuneigung, Sinnlichkeit, Leidenschaft, Nähe, Vertrauen, Zärtlichkeit, verliebt sein...

Markt
Marktplatz, Arbeitsmarkt, Marktwirtschaft, Marktführer, Marktlücke, Marktmacht, Kapitalmarkt, Sozialmarkt, Persönlichkeitsmarkt, Supermarkt, Immobilienmarkt, Marktziele, Marktzugang, Absatzmarkt, Marktwert, Marktchancen, Bankenmarkt, Buchmarkt, Marktforschung...

In der deutschen Sprache haben wir hunderte Begriffe, die sich alle um den Gott-Leviathan »Markt« drehen. Er ist unser wahre Gott, ihm gilt unsere ganze Kraft, Aufmerksamkeit und Liebe.

13 Gedanken zu “Markt oder Liebe?

  1. Markt und Liebe sind auch miteinander verwandt.

    Ich denke an die Marketenderin.

    Siehe »Mutter Courage« und ihre Kinder, Bertolt Brecht.

  2. Die Marketenderin (die männliche Version gabs auch) war ja ersteinmal eine Händlerin, die die Truppe mit Waren aller Art versorgt hat. Mit »Liebe« hatte dieser »Markt« vor allem dann zu tun, wenn sie auch ihre Liebesdienste angeboten hat. Eigentlich sind Markt und Liebe schon seit ewigen Zeiten vor allem dadurch verbunden, meiner Meinung nach aber nicht verwandt, dass körperliche Liebe als Ware dient (vgl. die Prostitution als ältestes Gewerbe).

    Heute, in Zeiten der allgegenwärtigen (Selbst)Vermarktung und des materiellen Profitstrebens wird so ziemlich alles zur Ware gemacht, so z.B. auch der Single auf der Suche nach Liebe. Ob man das Ganze dann Singlebörse nennt oder Liebesbörse oder Heitatsmarkt — alles derselbe Unsinn.
    Der Markt hat ganz klar gesiegt. Alles ist Markt, jeder ist Ware, und das bis in die privatesten Bereiche öffentlich.
    Und Liebe — tja, die ist wohl auch eine Frage von Investition und Gewinn. Schließlich stehen wir doch alle im Wetbewerb ;)
    Also, meine Wertung dazu: :(

  3. Das ist etwas weit hergeholt... wenn man natürlich unter »Markt« alle Arten von Märkten auflistet, müsste man das ja mit der Liebe genauso machen: Affenliebe, Hundeliebe, Pferdeliebe.... Liebesheirat, Liebesbezeugung, Liebesschwur... für beide Wörter gibt es unzählige Varianten.

  4. @Hartmut
    Seelenverwandtschaft zwischen Liebe und Markt?
    Schade, doch ein Zyniker? ;)
    Wenn ich mich richtig an »Mutter Courage« erinnere, ging’s ihr um’s Geschäft? So ist das mit der Liebe in Zeiten des Krieges. Und der Krieg war ihr Geschäft (um zu überleben). So bestimmt das Sein das Bewusstsein. Nichts Neues also. Auch das schade und sehr sehr traurig.
    Hauptsache, wir besinnen uns, das »glückssichtig« zu sein, nicht die richtige Lebensart ist.

  5. »Zuneigung, Sinnlichkeit, Leidenschaft, Nähe, Vertrauen, Zärtlichkeit, verliebt sein..« Sind nur im richtigen Kontext schön:
    Nachdem er sich in der Anpirschphase das Vertrauen seiner Opfer erschlichen hatte, genoß der Killer ihre Nähe in der Gewissheit, später seine Leidenschaft für Verstümmlungen an ihnen auszuleben. Seine besondere Zuneigung galt dabei einer schweren Axt. In einem Augenblick vollkommener Sinnlichkeit drapierte er die Leichenteile um und hatte dabei genügend Vertrauen in seine Fähigkeiten, dass er sicher war, dass ein junger Polizist sein Frühstück von sich geben würde. Er tätschelte zärtlich eine abgetrennte Hand, bewunderte sein Werk und feixte: »Ich bin verliebt...«
    Jeder hat so seine Vorlieben. :pfeif:

    Ein zahlenmäßiger Vergleich denkbarer zusammengesetzter Wörter aus Markt und X, wobei x für alles steht das sich verkaufen ließe, mit Liebe und Y (alles was geliebt werden kann), hat keinen besonders erhellenden Aussagewert, u.a. da X und Y heute zeitgeistgemäß austauschbar sind.
    Liebe ist halt ein kostbares und seltenes Gut. Dass Objektophile alles lieben könnten, was keine Arme und Beine hat, vom IPott bis zum realen Partner, den sie aber als Objekt wahrnehmen, hilft auch nicht weiter. Was soll die Aussage sein, wenn es mehr Komposita mit »Markt« gibt als mit »Liebe«? Das Deutsche ist herzlos und marktkonform?
    Es gibt aber mehr Synonyme und Synonymgruppen für Liebe als für Markt auf http://synonyme.woxikon.de/ . Auf deutsch wird differenzierter geliebt als verkauft?
    Ist die Intention auch ehrbar: Wörter- oder Erbsenzählen läuft ins Leere.
    Der Begriff Markt muss nicht aus sich heraus negativ besetzt sein. An einem Gemüsestand auf dem Wochenmarkt vermag ich nicht das Böse zu erkennen.
    Es sind doch der herrschende Zeitgeist (Geiz ist geil) und die Marktregeln (Profit over People), die den »Markt« vom Tante-Emma-Laden zu einem Schlachtfeld von Konzernen pervertieren, auf dem keine Gefangenen gemacht werden. Daran dass Marktfetischisten* Perverse sind, besteht hier kein Zweifel. Ist Sprache Denken, kann es wie der Sprachgebrauch falsch sein.
    (kleiner Witz am Rande: Meine Rechtschreibprüfung schlägt vor »Marktfetischisten« zu »Faschistenmarsch« zu verbessern — so ein Schelm)

  6. @Frau Lehmann

    Bei der Seelenverwandtschaft bleib ich — auch ohne Zynismus ! ;-)

    Meine Gedanken leiten das ab, aus der Geschichte, Mercurius(Hermes) also tief vergangenen Zeiten her, 2000–2500 Jahre, in der dieser Gott des Handels und der Ware (Götterbote) liebend verehrt wurde.

    Wie die Geschichte uns lehrt, sehen wir ja heute, was aus der Wa(h)ren Welt geworden ist. Weiterhin denke ich, dass in der jüngsten Zeit, ca. 100 Jahre kein Wort so missbraucht und sinnentstellt wurde, wie das Wort: Liebe.

    zu »glückssüchtig« nur soviel: Das Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde. :-)
    und nicht nur im Denken eines asketisch, protestantisch auftretenden BP.

  7. @Hartmut

    Der »Gott des Marktes« wird noch immer (oder wieder) tief verehrt und abgöttisch geliebt. Inzwischen stilisiert zu einer Ideologie. Da ist er, der Zusammenhang. Aber ich würds trotz des frühen Ursprungs nicht Seelenverwandtschaft nennen. Das würde für mich bedeuten, dass es uneigennützige Liebe nie gegeben hat und nicht gibt. So’n paar Illussionen lass ich mir nur ungern nehmen ;)
    Ich hielt Hermes immer für einen Götterboten. Aber leider kenn ich mich da nicht so aus (wohl auch weil ichs nicht so mit Göttern und erst recht nicht mit Abgöttern habe).

    Der Begriff der Liebe kann, denke ich, darum so leicht missbraucht werden, weil sich wohl jeder danach sehnt, weil die Mutterliebe so sprichwörtlich verwendet wird und doch keiner genau weiß, was er bedeutet. Aber Sehnsuchtsbilder ersetzen nicht das Leben, eher werden sie vom Leben aufgehoben und zerstört. Waren wir Menschen mehrheitlich nicht fähig zu lieben oder haben wir die Fähigkeit verloren, weil alles schnell gehen muss, weil wir von all den Superlativen und Kicks abgestumpft sind, weil wir gelernt haben, dass jeder sich selbst der nächste ist? Wer kann das schon beantworten?
    Heine hat mal behauptet, dass nur die Liebe den Wert des Menschen ausmache (Mein »armer« Sohn hat sich das als Erörterungsthema für sein Deutsch-Abitur ausgesucht — 18-jährigen wird solch ein Thema vorgesetzt!). Wenn’s so wäre, wäre die Welt eine bessere. Die berechtigte Frage ist: War es jemals so?

    Mein Glück hat nichts mit Pferden zu tun (die machen mir sogar Angst, also große) und nichts mit Sucht a la BP. Mein Glück sind die Glücksmomente. Sie im Alltag auszumachen und zu genießen ist eine wirklich sinnvolle Betätigung .

  8. @Frau Lehmann ,
    dem bin ich nich so zugeneigt,

    ->weil die Mutterliebe so sprichwörtlich verwendet wird und doch keiner genau weiß, was er bedeutet

    dann muß ich sagen, jeder, der Sie erfahren hat, weiß schon, was es bedeutet, nur tun wir uns schwer, Sie zu beschreiben, geschweige denn, zu verstehen (auch die andere Liebe hat da so Ihre Ecken)...

    Biologisch betrachtet recht transparent, gefühlt aber wird Sie immer verklärt sein, möglicherweise macht genau dies Ihre Kraft aus...
    Mit Markt dürft dies allerdings nix gemein haben ...

  9. @thom

    Die Mutterliebe habe ich darum (vielleicht etwas unglücklich) mit einbezogen, weil ihr (ebenso wie der Liebe) ein Mythos anhaftet, der suggeriert, sie sei quasi »angeboren«. Darum kann sie ja auch so leicht missbraucht werden und setzt dazu jede Mutter unter Druck, die diesem stilisierten Anspruch scheinbar nicht gerecht wird. Ich bin Tochter einer Mutter und selber Mutter zweier Söhne. Meine Erfahrung ist, dass ich vieles, was ich als Kind bei meiner Mutter erlebt, anfangs bei meinen Söhnen sozusagen kopiert habe, obwohl ich alles anders machen wollte als meine Mutter. Wenn meine Mutter sagt, dass sie mich liebt, weiß ich, dass sie es auch so meint, aber sie versteht etwas anderes darunter als ich, die ich meine Söhne auch liebe. Das ist meine Erfahrung.
    Jede Art von Liebe ist meiner Meinung nach mehr eine Haltung als ein Gefühl. Diese Haltung ist möglicherweise angelegt (bei jedem Menschen), aber sicher ist, dass sie sich entwickelt.

    »gefühlt aber wird Sie immer verklärt sein, möglicherweise macht genau dies Ihre Kraft aus...«

    Die Kraft, die aus Verklärung entspringt, lässt sich höchstens auf die exklusive Anziehung zwischen Mann und Frau beziehen, und dann vor allem auf die Phase des Vertliebtseins. Es ist aber eine Illusion zu glauben, dass das auf ewig »konserviert« werden kann (jedenfalls in der Regel). Auch wenn wir mit dieser Illusion ständig konfrontiert werden und es uns so sehr wünschten.

    Und was den Markt angeht, schauen Sie einfach mal in eine Partnerbörse rein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.