Kinder in Deutschland; Teil 11: Das Bildungspaket

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales macht derzeit bundesweit Werbung für das sog. Bildungspaket für Kinder. Mit der Hartz4-Novellierung von Ende Februar sollen nun auch bedürftige Kinder zusätzliche Leistungen für Mittagessen, Ausflüge, Sport sowie Lern- und Schulförderung vom Jobcenter erhalten. Nur was genau verbirgt sich hinter dem Bildungspaket?

Die Leistungen im Einzelnen sind:

  • Kultur, Sport, Vereine: 10 Euro im Monat. Nachzahlung von Januar-März: 30 Euro.
  • Schulbedarf und Ausflüge: zu Beginn des Schuljahres 70 Euro und im Februar 30 Euro – insgesamt 100 Euro.
  • Lernförderung (z.B. Nachhilfe) kann beantragt werden, wenn die Versetzung gefährdert ist. Die Schule muss das bestätigen.
  • Zuschuss für das Mittagessen in Kita, Schule und Hort. Der Eigenanteil der Eltern liegt bei einem Euro pro Tag. Nachzahlung für Januar bis März: pro Kind 78 Euro.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dass Ursula von der Leyen untersteht, schreibt auf seiner Homepage, dass das Bildungspaket beim Jobcenter beantragt werden kann. Leider findet sich auf der Homepage kein Antragsformular (gegen-hartz.de hat ein Antragsformular bereitgestellt. Zu finden ist es hier). Gleichzeitig wird jedoch betont, dass rückwirkend zum 1. Januar 2011 Leistungen aus dem Bildungspaket nur bis Ende April beantragt werden können. Wer seinen Antrag also später stellt, hat keinen Anspruch auf rückwirkende Leistungen. Damit sollen, laut der Bundes- und Berliner Landesvorsitzende des Arbeitslosenverbandes Deutschland (ALV), Marion Drögsler, in der Jungen Welt vom 31. März, Kosten gespart werden. Das Bundesministerium rechnet damit, dass nicht jeder Bedürftige, seine rückwirkenden Leistungen rechtzeitig beantragen wird. Gleichzeitig weißt Frau Drögsler daraufhin, dass nun kurzfristig nicht mehr die Jobcenter, sondern die Jugendämter zuständig seien. Diese seien aber restlos überfordert:

Wie ich von meiner Fachanwältin für Sozialrecht erfahren habe, wurde die Zuständigkeit kurzfristig den Jugendämtern übertragen. Die können aber erst jetzt damit anfangen, sich auf diese Aufgabe einzustellen.

- Marion Drögsler (ALV), Junge Welt vom 31. März 2011, Seite 8

Ein paar Stimmen aus der Presse zum Bildungspaket:

Arme Berliner müssen sich weiter gedulden. Die Leistungen in Höhe von 160 Millionen Euro für 170.000 Kinder von Hartz-IV-Beziehern können noch nicht bereitgestellt werden, da Berlins Behörden es noch nicht geschafft haben, die nötigen Strukturen aufzubauen.

- Berliner Morgenpost vom 31. März 2011

Bürokratische Hürden tun sich auf weiteren Feldern auf, etwa bei der Abrechnung von Tagesausflügen. Für Kinder, deren Eltern nicht Hartz-IV-Leistungen, sondern Wohngeld oder Kinderzuschlag beziehen, muss die Kommune zudem eine eigene Anlaufstelle außerhalb des Jobcenters einrichten. Mehr Personal steht im Frankfurter Jobcenter für die neuen Aufgaben noch nicht zur Verfügung.

- FAZ.net vom 1. April 2011

Der Verwaltungsaufwand wird indessen riesig sein. Die Politik misstraut den Eltern bedürftiger Kinder, deswegen wird der Regelsatz für Eltern nicht einfach erhöht, sondern es wird ein weiteres bürokratisches Monster, mit Nachweisen, Anträgen, Formularen usw. geschaffen. Das offenbart, wieder einmal, das Menschenbild des Bundesministeriums und der Hartz4-Architekten. Die Millionen, die nun in den bürokratischen Aufwand gesteckt werden, hätten an anderer Stelle mehr Sinn gemacht. Eltern hätten einfach einen höheren Regelsatz erhalten können, damit wäre der Aufwand minimal gewesen. Wegen der Hartz4-Medienhetze und dem neoliberalen Menschenbild glauben wohl Frau von der Leyen und co., dass die Eltern das zusätzliche Geld einfach versoffen und verhurt hätten, oder?

Eine Zusammenfassung der ersten zehn Teile der Kinderserie ist bei www.zeitgeistlos.de zu finden.

Die einzelnen Teile bisher:

-> Teil1: Kinderfeindlichkeit

-> Teil2: Sachzwang Kind?

-> Teil3: Erziehung

-> Teil4: Prägung

-> Teil5: Das Verschwinden der Kindheit

-> Teil6: Interview

-> Teil7: Kinderfreundlichkeit

-> Teil8: Weihnachtsmaterialismus

-> Teil9: Bedürfnisse

-> Teil10: Montessori-Pädagogik

4 Gedanken zu “Kinder in Deutschland; Teil 11: Das Bildungspaket

  1. Bummelstudentin Uschi betreibt so etwas wie »verlängerte brutpflege«: Sie verhindert mit »großem hallo«, daß ihre eigene brut mit den jungschen aus Neukölln (oder so) auf der uni konkurrieren muß.

    Wenn es darum ginge, eine teilhabe für alle zu organisieren, könnte man das einfach machen. Stattdessen grinst zur bürgerberuhigung von jeder dritten plakatwand, wie toll das bildungspaket sei — ein großteil des geldes für das bildungspaket ist offensichtlich in propagandamittel geflossen, mutmaßlich wird »Scholz & Friends« (oder so) dankbar sein. Ist schließlich besser, wenn das geld wenigstens in höheren kreisen versoffen wird.

  2. »Das offenbart, wieder einmal, das Menschenbild des Bundesministeriums und der Hartz4-Architekten.«

    Wenn das zutreffen würde, dann wäre dieses Problem gar nicht erst entstanden. Sicher, sie sind federführend, jedoch die Gleichgültigkeit und somit Akzeptanz von Hartz4 der mehrheitlich Nichtbetroffenen in unserem Land waren die Gebutshelfer dieser Mißgeburt.

    Das Menschenbild der Mehrheit der Menschen in Deutschland ist deckungsgleich mit dem der Erfinder von Hartz4

    Keiner für Alle und Alle für Keinen.

  3. Wie nicht anders zu erwarten, spielen das Familienministerium und insbesondere Frau von der Leyen ein übles Spiel. Nun ist die Frist, zur rückwirkenden Beantragung des Bildungspaket-Zuschuss von Januar-März zur Hälfte vorbei und laut SpiegelOnline ist der Andrang eher gering. Bis Ende April wird sich kaum mehr tun.

    Bei der mangelnden Informationspolitik ist das kein Wunder. Viele Eltern wissen einfach nicht Bescheid, wo und wie sie die Zuschüsse beantragen können. Außerdem dürfen sich die Eltern für ihre bedürftigen Kinder erneut vorm Jobcenter nackig machen, was vielen zu demütigend sein dürfte. Man wird ja nicht genug schikaniert.

    Am Ende können Politik und Medien wieder behaupten, dass Hartz4-Empfänger und insbesondere Hartz4-Eltern asozial sind, die sich keine Gedanken um ihre Kinder machen. Das Familienministerium reibt sich dann still und heimlich die Hände. Schließlich wurden Millionen Euro eingespart.

    Ein übles Schmierentheater.

  4. Pingback: Von der Leyen will Nachfrage nach Bildungspaket erhöhen

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