Im Frühjahr 2008 schrieb ich die Nachdenkseiten an und wies sie auf meinen »Neusprech Heute« Artikel auf Zeitgeistlos hin, den sie dann in ihren Hinweisen des Tages untergebracht hatten. Daraufhin schrieb mich ein gewisser Roberto J. De Lapuente per email an und schlug mir vor, ob ich nicht eine regelmäßige Begriffskritik auf seinem Blog »ad sinistram« veröffentlichen wolle? Am 23. April 2008 erschien dann auch der erste Begriff »Eigenverantwortung« in der Rubrik »Nomen non est omen« (der Name ist kein Zeichen). Mittlerweile gibt es auf Robertos Blog ganze 41 Begriffe. Lange bevor es den ZG-Blog und damit die Neusprech-Rubrik gab, hat Roberto Zeitgeistlos und mich im besonderen, immer unterstüzt. In diesem Sinne ist es mir heute eine besondere Ehre, sein Erstlingswerk »Unzugehörig« rezensieren zu dürfen.
Der Titel des Buches mag für Uneingeweihte womöglich distanzierend, ja sogar isolierend wirken. Jemand der sich als »Unzugehörig« betrachtet, marschiert nicht mit, sagt Nein, wenn andere Ja sagen und wehrt sich gegen vorgegebene Normen, die nicht selten als Naturgesetze gepriesen werden. Roberto legt in vielen Artikeln den Finger in die Wunde, regt zum Nachdenken an und ist stets bemüht anderen die Augen zu öffnen oder zumindest mit dazu beizutragen, dass sie ihre Perspektive erweitern mögen. In »die Eingezäunte Welt« (S. 170) thematisiert er mit bitterböser Ironie, die selbstverschuldete Unmündigkeit und die ach so gehegte und gepflegte Engstirnigkeit vieler Menschen. Denn sie wollen die Welt so sehen, wie sie ihnen wohltue und selten so, wie sie wirklich ist: Blähbäuche, Hungersnöte, Mord, Totschlag, Folter, Betrug und dergleichen Unwörter mehr tue ihnen einfach nicht gut — also wird so getan, als gäbe es das alles gar nicht. Robertos große Intention all seiner Texte ist der ewige Kampf gegen Engstirnigkeit, Ignoranz und Verleugnung der Tatsachen.
Besonderes Anliegen ist ihm immer wieder das soziale und gesellschaftliche Klima. Ein Klima, in dem es Arbeitslosen nicht gestattet sei, glücklich und zufrieden zu sein, ächte die Lebensfreude, damit das menschliche Leben und schürt damit letztlich das Tote, der mordet stückchenweise (S. 79). Damit stellt sich vor allem die Frage, was Artikel 1 des Grundgesetzes eigentlich noch wert ist, wenn vielen Menschen, seitens der Politik und der Medien, immer wieder erklärt wird, sie seien wertlos, überflüssig, unnützer Ballast der Gesellschaft? In einem meiner Lieblingstexte versucht er auf großartige fein ironische Weise, den Entrechteten und Ausgestoßenen Mut zu machen, indem er den »Wert der Wertlosen« (S. 69) betont.
Obwohl ich die meisten Texte von Roberto schon online gelesen hatte, war es mir trotzdem eine Freude sie in Buchform intensiviert zu haben. Für alle, die ihr einziges Heil nicht in Konsum und Karriere zu sehen glauben (S. 158), ist »Unzugehörig« eine Bereicherung der eigenen Perspektive und Wahrnehmung. Kein klassisches Aufklärungsbuch, aber ein auf hohem sprachlichen Niveau geschriebenes Pamphlet für mehr Mitmenschlichkeit und Solidarität. Denn obwohl Roberto explizit und aus Prinzip keine konkreten Lösungs- oder Verbesserungsvorschläge macht, wird jeder aufmerksame Leser zwischen den Zeilen erkennen können, worum es Roberto bei allem letztlich geht: authentische Nächstenliebe.
http://www.renneritz-verlag.de/unzugehoerig/articles/rezension-unzugehoerig.66.html
Pingback: Rezensionen kann man auch selber schreiben… « RITINARDO
Ich habe soeben einige der Artikel von Roberto gelesen und denke nun über die Anschaffung des Buches nach. Zum Teil geht ein hohes sprachliches Niveau zuungunsten der Verständlichkeit? Verstehen Sie mich nicht falsch, doch habe ich mit dieser Art Literatur bisherig meine Erfahrungen gemacht. Obwohl ich nicht begriffsstutzig bin, ernüchtern mich endlose, nie enden wollende Sätze und Verschachtelungen mehr, als dass sie mich zum Weiterlesen motivieren.