Ärzte als Dealer

»2016 hat die Drogenkrise ein weiteres Mal zur Verkürzung der Lebenserwartung in den USA beigetragen. Dort sterben jedes Jahr mehr Menschen durch Opiumderivate (65.000 Todesopfer) als durch Verkehrsunfälle (37.000) oder Schusswaffen (39.000).[...] In der aktuellen Krise beginnt die Sucht mit einem Besuch beim Hausarzt, Zahnarzt oder bei einem Sportmediziner.«

- Maxime Robin. »Als der Arzt zum Dealer wurde«. Le Monde diplomatique vom 08.02.2018.

Anmerkung: Süchtige sind eben immer noch die besten Kunden. Das weiß nicht nur der Drogenhändler, sondern ganz besonders auch die Pharmaindustrie. Nur darf sie das nicht laut sagen. Stattdessen weist mich beispielsweise die Apothekerin darauf hin, dass ich das Nasenspray nicht länger als 5–7 Tage nutzen und keinesfalls durchgängig verwenden darf. Suchtgefahr! 100.000 sollen in Deutschland bereits abhängig sein. Das tut der Pharmaindustrie auch ganz dolle leid. Schließlich weisen ihre Apotheker immer darauf hin! Jawohl! :jaja:


» »Vom Arzt zum Dealer«
» »Betäubte Bürger«

8 Gedanken zu “Ärzte als Dealer

  1. Leider ein höchst unausgewogener, populistischer Kurztext. Trotz des Vorwurfs der leichtfertigen Verschreibung von BTM liegt Deutschland mit der schmerzlindernden Begleitung schwerer Krankheiten durch Opiate, Morphium etc. am unteren Ende der Länderstatistik in Europa.

    Ja , sicher gibt es Einzelfälle, die sich von der Verordnung von Schlafmitteln über Tranquilizer (Valium), Psychopharmaka (Tavor) bis zu BTM hochschrauben, weil sich ein Gewöhnungseffekt einstellt. Hab solch einen Fall in der Familie. Erkennt ein Mediziner, dass es sich um Suchtverhalten handelt, ist Ärztehopping angesagt.

    Rezepteschreiben geht schneller, als eine ausführliche Anamnese.

  2. Mag sein, dass ich ein extremes Beispiel bin, aber ich kann mich an keinen Arztbesuch erinnern, bei dem der Arzt auch nur ansatzweise versucht hätte, meine Lebensumstände zu erfragen. Entweder es herrscht eine Laborwertegläubigkeit vor oder der Arzt promotet Behandlungsmethoden, die gerade en vogue sind, z.B. die angesprochenen Opiate oder auch alternativ »progressive Muskelentspannung«.
    Schon seltsam, dass ständig die persönliche Verantwortung in den Vordergrund gestellt wird, dies aber nicht mit einer Betrachtung der persönlichen Umstände einhergeht. Schuldzuweisung vor Hilfe. Die Folgen sieht man in den USA ....

  3. Vom Arzt zum Dealer?

    Hallo Epikur,

    solange der Patient dazu in der Lage ist, sollte er auch selbst Verantwortung für sich übernehmen. Nicht umsonst sind den Medikamenten lange Beipackzettel beigefügt und wird auf die Gefahren hingewiesen.
    Auf den Arzt und Apotheker sollte man sich da nicht unbedingt verlassen.
    Weil mir das Medikament gegen meinen Bandscheibenvorfall irgendwann unheimlich wurde, ich bekam 160 gélules aus einer Mischung von Paracétamol, Poudre d’opium und Cafeine verschrieben, habe ich das relativ schnell abgesetzt und davon noch reichlich Restbestände.
    Der Hausarzt wies mich während der Konsultation darauf hin, dass er mir, sofern ich es wolle, auch noch eine höhere Dosis verschreiben könne.

    @Kakapo3

    ein Mediziner fragt in der Regel individuelle Verhaltensweisen ab, wie Rauchen und Alkohol, weil sich das eben am leichtesten zuordnen lässt. Die Gründe dafür interessieren ihn dann nicht mehr unbedingt.

    Stress in der Familie, Stress am Arbeitsplatz, Ernährungsgewohnheiten, toxische Einwirkungen durch die Umwelt, das kann er doch gar nicht einordnen. 30 Jahre Rauchen, da hat er für sich eine schnelle Begründung.

    Und weil es so schön passt: Hier ein Hinweis auf den Infosperber der Schweiz:

    https://www.infosperber.ch/Artikel/Gesundheit/Unispital-Lausanne-deckt-Medikamentenskandal-auf

    »Die Wirbelsäule von Pierrette Miletto ist elfmal gebrochen, sie ist um insgesamt sieben Zentimeter kleiner geworden. «Alle Nerven des Körpers passieren die Wirbel und gehen bis in die Extremitäten», erklärt sie gegenüber RTS. «Ich habe permanente Schmerzen. Während 24 Stunden, am ganzen Körper.» Ihre Leidensgenossin Claudine Martin geht mit sechs gebrochenen Wirbeln durch das Leben. «Die Ärzte sagten mir erst, es sei alles in Ordnung. Ich solle mich ausruhen und die Beine hochlagern.» Ein MRI brachte den Befund bei Claire-Lise Lecomte: fünf gebrochene Wirbel. Die Diagnose sei ein Schock gewesen, sagt sie in die RTS-Kamera. «Mir wurde klar, dass mein Leben nie mehr dasselbe sein würde.»

  4. @altautonomer

    »Leider ein höchst unausgewogener, populistischer Kurztext. Trotz des Vorwurfs der leichtfertigen Verschreibung von BTM liegt Deutschland mit der schmerzlindernden Begleitung schwerer Krankheiten durch Opiate, Morphium etc. am unteren Ende der Länderstatistik in Europa.«

    So langsam glaube ich wirklich, Du bist ein Schulmedizin-und-Pharmaindustrie-Verteidiger. ;) Erstens habe ich aus einem Artikel zitiert, der sehr lang und ausführlich ist. Jeder, der möchte, Lust und Zeit dazu hat, kann sich ihn durchlesen. Ich habe ihn oben verlinkt. Zweitens geht es explizit nicht um Deutschland, sondern um die USA! Drittens habe ich eine kurze Anmerkung zu einem Zitat aus einem längeren Artikel gemacht. Alles offen. Alles transparent. Was daran nun »populistisch« sein soll, nur weil ich bissig kommentiere (dafür ist das Blog auch da), verstehe ich nicht.

    @Troptard
    Ja, aber dazu gehört eben auch eine ‑zumindest kleine- Skepsis gegenüber unseren Halbgöttern in weiß. Und was sie so alles verschreiben. Die ist bei einigen durchaus gegeben. Aber ich kenne auch viele, die einfach genau das machen und schlucken, was der erstbeste Arzt ihnen empfiehlt.

  5. @Epikur,

    diese Skepsis, dass habe ich mit persönlicher Verantwortung gemeint, von der mich niemand entlasten kann. Dagegen wird häufig eingewendet, dass ich doch selbst gar nicht wissen könne, was gut für mich ist oder was mir schadet, weil ich doch Laie bin. Gut, besser lässt sich für mich der Bürger nicht entmündigen.

    Ich will das nicht überstrapazieren, aber unter Linken gibt es häufig so eine Angst, die sich nicht entscheiden kann zwischen individueller Freiheit und kollektivem Zwang und Skepsis nur da einfordern will, wo sie sich durch die individuelle Entscheidungsfreiheit des Individeums als Kollektiv bedroht sieht., die Verallgemeinerung des Zwangs in der Gesellschaft dann für durchaus gerechtfertigt hält.

  6. epikur: Erstens bin Kritiker dieses Gesundheitssystems. Zweitens ist es mangelnde Differenzierung, pauschale Urteile über Ärzte und die Pharmaindustrie zu fällen. Drittens ist die Medizin keine Geheimwissenschaft. Es ist vieles auch für den durchschnittlich med. belesenen und interessierten Patienten nachprüfbar.

    Ich habe mich in Kleinbloggersdorf bereits über den profitfreundlichen Umgang mit Grenzwerten und Laborwerten geäußert. Auf der anderen Seite ist z. B. den engagierten Forschern Liotta und Schinatzi zu verdanken, dass dank eines bahnbrechenden Medikamentes Hepatitis C seit 2 Jahren als ausgerottet gilt. Außerdem hat sich, weiteres Beispiel, gegenüber der früher üblichen offenen Op, der Faziektomie, die perkutane Nadelfasziotomie bzw. Miniinzision bei der Dupuytrenschen Kontraktur mehr und mehr etabliert. Zig Beispiele über »gute« Mediziner und autoritäre besserwisserische Doktoren der old school würden den Rahmen dieser Diskussion sprengen.

    Ein paar Links als Beleg, dass Medizin auch für Kritiker durchaus transparent ist:
    https://www.mabuse-verlag.de/Zeitschrift-Dr-med-Mabuse/Willkommen/

    http://gutepillen-schlechtepillen.de/

    https://www.aerzteblatt.de/

    http://www.zeitschrift-sportmedizin.de/home/

    http://www.thelancet.com/

  7. @Troptard

    »solange der Patient dazu in der Lage ist, sollte er auch selbst Verantwortung für sich übernehmen. Nicht umsonst sind den Medikamenten lange Beipackzettel beigefügt und wird auf die Gefahren hingewiesen. Auf den Arzt und Apotheker sollte man sich da nicht unbedingt verlassen.«

    Neoliberale Eigenverantwortungsrhetorik vom feinsten.
    Ärzte, Pharmaindustrie und Werbewirtschaft aus der Schusslinie nehmen und stattdessen den Opfern die Schuld geben. Sowas wie Verbraucherschutz brauchen wir dann ja auch nicht. Und überhaupt: Wenn jeder nur an sich denkt, ist an alle gedacht, gelle? Ein Linker bist du jedenfalls nicht.

  8. Na, seit dem Millenium und mit der Agenda2010, gibt es einen deutlichen Unterschied im Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt. Letzterer ist in der Zeit eindeutig zum Verkäufer, — zum Ökonom geworden. Die Beispiele dafür, könnte ich hier mit Seiten füllen, — sei es das 3‑Ärzte-Diagnose-Handling für eine Rückenoperation der Blume meines Herzens, — zwischen 8‑Stunden Dauer-Op und einer Stunde seriöserem Handlings, — sei es der eigene (ehemalige) Doc, der einem plötzlich Vitamin‑E Spritzen »beneath the way« per Bargeld verhökern will, — sei es überhaupt ein maroder Verrat des hippokratischen Eids an die christliche Händlerseele. Da gibt es nichts mehr zu beschönigen. Das Traurige daran ist lediglich, dass ausgerechnet die, welche sich die größte elitäre Hirnbuchse an den Kopf nageln, — nämlich die Ärzte, selber nicht mal mehr ansatzweise merken, was sie da eigentlich veranstalten. (Solltet ihr in Rottweil bei Wahlkampfveranstaltungen mal einen verrückten Typen sehen, der als FDP-Litfaßsäule durch die Stadt rennt, — es ist ein Arzt)

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