Während mein digitaler Unterhaltungskonsum zuletzt eher stagnativ verlief habe ich jüngst sogar spielerisch eine Reise in die Vergangenheit angetreten. Mit dem neuesten Civilizationableger und Legends of Grimrock 2 sind die Spiele die mich seit langem mal wieder ansprechen einerseits die neueste Auflage eines Spiels das uns seit über 20 Jahren mehr oder minder ähnlich immer wieder verkauft wird, andererseits ein Remake eines Rollenspielklassikers der rund ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel hat.
Mein werter Kollege Epikur stößt meine Nase derweil darauf, dass am anderen Ende des Spektrums auch noch Dinge passieren. So wird allen die bisher der Meinung waren Computerspiele züchten Amokläufer, nun eine passende Argumentationsgrundlage geliefert. Mit »Hatred« soll ein kommerzielles Spiel erscheinen was allem Anschein nach, einen Amokläufer als Protagonisten aufbietet und das Amoklaufen als einzigen Spielinhalt.
Erzeugen nun Spiele Amokläufer? Und Amokläufe »Killerspiele«? Haben wir dann einen Teufelskreislauf? Ist »Hatred« damit das erste Spiel was tatsächlich die Bezeichnung »Killerspiel« verdient? Haben wir es womöglich mit einer Avantgarde zu tun? Oder einfach mit einer sadistischen Perversion als kommerzielles Großprojekt?
todesglupsch
Während ein digitalisierter Kevin Spacey zur Prime Time im Werbeblock als Symbol dafür das Egoshooter im Mainstream angekommen sind, Blödsinn sabbeln darf, wird die Spirale für Tabubrüche gerade weitergedreht. Ein Bärendienst für das Image der Branche. Womöglich kann man dieses Spiel als zynischen Kommentar betrachten und als solcher passt er womöglich zum Zynismus des Zeitgeistes, aber das würde eine trauriges Bild unserer Gesellschaft zeichnen. Ich hoffe vor allem das dieses Spiel kein Zeichen dafür ist, dass wir demnächst neben der mehr oder minder moralisch legitimierten Gewalt in Mainstreamkulturprodukten auch einfach immer mehr Gewalt um der Gewalt willen, bzw. für das sadistisch veranlagte Publikum erhalten.
epikur
In der Spiele-Community gibt es derzeit vor allem drei Argumentationsverläufe zu »Hatred«:
- Das Spiel wird moralisch verteufelt. Unschuldige Menschen ohne Grund zu töten, sei sadistisch, menschenverachtend und widerlich.
- Wirft Fraktion Nr. 1 Doppelmoral vor. Schließlich werden bei sämtlichen Shootern (das »Ego« sagt man ja nicht mehr, klingt wohl zu rabiat) und Kriegsspielen auch Menschen getötet. Es gebe zwar einen vermeintlichen »Grund« (Böse=Tötungs-Legitimation), aber auch der heilige nicht die Mittel. Mord bleibt Mord.
- Kritisiert wird das spielerische Element von »Hatred«. Einfach durch die Gegend laufen und Zivilisten abschlachten, ohne Zielvorgabe, würde keinen »Spass« machen.
Den Machern wird außerdem vorgeworfen, rechtsradikal zu sein und ihre menschenverachtenden Gewaltfantasien auszuleben. So hat Dejan Lukovic auf krautgaming.de herausgefunden, dass die polnischen Entwickler eine Vorliebe für rechtsradikale Ideen und Parteien haben.
Ich kann alle drei Argumentationen verstehen und nachvollziehen. Alle drei Begründungen sind für mich seit langem auch der Grund, warum ich Shootern wenig abgewinnen kann. Klar, auch bei Strategiespielen werden Menschen oder Monster getötet, aber das steht dabei nicht im Vordergrund und: ich sehe nicht alle Körperteile durch die Luft fliegen.
jtheripper
Wie todesglupsch schon angedeutet hat, gibt es im Netz auch eine hitzige Diskussion über Call of Duty (insb. die modern Warfare und Black Ops Teile) vs. Hatred. Und das wäre jetzt eine Insider-Diskussion, aber CoD, welches nun mal in unserer Gesellschaft angekommen ist, ist nicht sehr weit weg von Hatred. Wichtigste Unterschiede sind natürlich, dass in CoD die Gegner auf den Spieler schießen und das ganze durch den Krieg legitimiert ist. Aber auch hier hat CoD die »russische Mission« (in der der Spieler unschuldige Zivilisten töten kann und eigentlich auch soll). Sie dient zwar als Grundlage für den Weltkrieg, dennoch hätte sie anders inszeniert werden können. Es war eine bewusste Provokation der Entwickler, aber eben auch ein Türöffner für ein Spiel wie Hatred.
Ein Kommentar zum Spiel empfand ich als sehr traurig:
»(...) Ich werde mir das Spiel, wenn es denn erscheint mal ansehen und schauen ob es Spaß macht, denn darum geht es beim Thema Videospiel. (...)«
Die Entwickler haben die Nazivorwürfen kommentiert: http://www.areagames.de/games/games/news/hatred-entwickler-melden-zu-wort-neo-nazis-laecherlich-133254/
PR-Rad läuft.
Ich denke, es geht gar nicht mehr um links oder rechts, sondern um eine geistige Verarmung von Kultur, — was auch einfach das Verhalten von Spielern betrifft. Ich schließe mich da nur noch @jtherippers Kommentar über die Traurigkeit bezüglich eines Kommentares an. Es ist eine Frage dessen, was man als Spaß empfindet. Und der kann viele Gesichter haben. Bis hin, — zum Spaß an den blutigen. Ich find’s einfach nur noch widerlich. (Sorry, wegen der Unsachlichkeit)
@eb
Es ist auch so, wie todesglupsch schon gesagt hat, dass es immer mehr um der »Gewalt um der Gewalt willen, bzw. für das sadistisch veranlagte Publikum« geht. Ob das nun die »saw« — Reihe ist oder auch viele US-Serien, wo es mittlerweile völlig normal ist, wenn Menschen blutig zu Tode kommen oder auch gefoltert werden. Viele Zuschauer wollen Gewalt-Pornos. Beliebtes Argument der Macher ist dann häufig, dass es seine Satire sei oder man eben die Realität zeigen wolle.
Warum gibt es so wenig Kreativität und Nachfrage in Bezug auf humanistische Inszenierungen? Wie es beispielsweise bei »die fabelhafte Welt der Amelie« oder bei »beste Freunde« der Fall war?
jtheripper trifft es, das ist eine Werbeaktion vom Feinsten, die alle Klischees bedient. Eine der typischen Diskussionen darüber:
http://www.nickles.de/forum/computerspiele/2014/hatred-ein-spiel-sorgt-fuer-aufregung-539088127.html
Vielleicht wird es auch nur ein Übungsspiel für die polnische Armee :sick:
Computerspiele, gleich welcher Gattung, sind e i n e Antwort der Populärkultur auf das sukzessive Verschwinden des Erzählens.
Sie kommunizieren durch Erlebnisse, anstatt zu erzählen.
Die verschiedenen Genres be- und verarbeiten den »Gegenwartsschock« auf unterschiedliche Art und Weise.
»Ego-Shooter« bieten dabei allerdings die wenigsten Möglichkeiten der kreativen Entfaltung.
Als originär militärische Entwicklung dienten sie zuvörderst der Abstumpfung und der Entwicklung von Fertigkeiten im Häuserkampf.
Ob man bei diesem Genre der Katharsistheorie zuneigt oder darin die Züchtung von Gewaltphantasien sieht, die sich über die Zeit in den Alltag erbrechen, ist für den Spieler selbst erst einmal ohne Belang.
Der o.a. Kommentar ist deshalb nachvollziehbar, auch wenn man sich nicht mit dessen Aussage anfreunden muss.