Ungleichheit stärkt Misstrauen

In der aktuellen Blätter-Ausgabe vom Juli 2010 gibt es einen interessanten Artikel von Richard Wilkinson und Kate Pickett: »die verlorene Gleichheit«. Zahlreiche internationale Studien und Untersuchungen hätten demnach gezeigt, dass je höher die Ungleichheit in der Bezahlung und im Lebensstandard der Menschen ist, desto höher sei das Misstrauen unter den Menschen:

...dass die sozialen Beziehungen umso mehr verfallen, je stärker eine Gesellschaft von Ungleichheit geprägt ist.

Was ich im Mai 2009 im Blog noch zynisch formuliert habe, ist nun wissenschaftlich fundiert bewiesen worden. Die Untersuchungen sind eine Maulschelle für alle Anhänger des Liberalismus und Verfechter der sozialen Ungleichheit im Sinne rawlscher Gerechtigkeitsdefinition.

Demnach schaffe nicht das Wirtschaftswachstum Vertrauen, sondern die wirtschaftliche Gleichheit. Die Ungleichheit führe zur Spaltung und Distanzierung sozialer Gruppen. Reiche riegeln sich in ihren gated communities von der Außenwelt ab, Arme ziehen sich in ihre Kieze zurück. Sicherheitsdienste, Überwachungskameras und Alarmanlagen haben Konjunktur. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass Vertrauen ein Grundpfeiler des gesellschaftlichen Zusammenlebens sei. Zunehmende Ungleichheit fördert Misstrauen und untergräbt somit die Demokratie.

Während in Norwegen die Cafebesitzer, die ihre Tische und Stühle auf die Straße stellen, den Gästen noch Decken bereit stellen und während in Kanada kaum Menschen ihre Haustüren abschließen, beäugen sich die Deutschen zunehmend immer misstrauischer und schirmen sich nach außen immer mehr ab.

Die Ankündigung der Kommunen einen drastischen Spar- und Kürzungsplan zu fahren, dürfte diesen Trend weiter verschärfen. Unter anderem sind folgende Kürzungen geplant:

  1. 29 Prozent der Kommunen in Deutschland wollen das Geld für Jugend- und Seniorenbetreuung kürzen.
  2. 14 Prozent wollen Bäder schließen.
  3. 11 Prozent wollen den Nahverkehr ausdünnen und die Öffnungszeiten von Kitas kappen.

Quelle: SpiegelOnline vom 1. Juli 2010

3 Gedanken zu “Ungleichheit stärkt Misstrauen

  1. « 1. 29 Prozent der Kommunen in Deutschland wollen das Geld für Jugend- und Seniorenbetreuung kürzen.
    2. 14 Prozent wollen Bäder schließen.
    3. 11 Prozent wollen den Nahverkehr ausdünnen und die Öffnungszeiten von Kitas kappen.«

    Der Staat ist zu fett. Glaub es doch endlich mal!! ;)

    Woher sonst sollen die Milliarden für die Banken kommen, wenn sich die Menschen in Schwimmbädern rumtreiben?
    Wer sich kein Auto leisten kann soll nicht auf Gesellschaftskosten in die Bereiche der Innenstadt fahren können. Das macht das Bild der Stadt kaputt, wenn da arme Schlucher rumlaufen. Man braucht also keine Mauern bauen. Es geht auch über Nahverkehrabbau.

  2. Die Armen, die ich kenne, laufen in die Innenstadt.

    Man ist hier hierzulande seitens der Regierung immer gegen alles Linke. Nun denn, in einem Spielfilm über die Situation der Grenzsoldaten der DDR aus den 70er Jahren, sagt ein DDR-Grenzer zum anderen (man beäugt sich immer mißtrauisch, ob der andre nicht abhaut und über die grenze macht): »Mißtrauen ist die Grundlage unseres Staates.«

    Mit anderen Worten: Die Neoliberalen, die die DDR als Feinbild par excellence benutzn, schaffn Verhältnisse, die denen der Unfreiheit in DDR immer ähnlicher werden.

  3. Wenn Milliarden-Schulden der Banken auf diese Weise von der Unter- und Mittelschicht bezahlt werden müssen und eine höhere Besteuerung der wirklich Schuldigen abgelehnt wird, fällt es einem schwer auch nur ein Grundvertrauen aufzubauen.

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