Kinder in Deutschland; Teil 49: Soziales Lernen

Seit einigen Jahren (also schon lange vor der »Corona-Krise«) wird die digitale Schule beschworen, gefordert und gefördert. Schulklassen sollen mit Laptops, Tablets, Smartphones und interaktiven Whiteboards ausgestattet werden. Ferner sollen digitale Plattformen, Web-Kommunikationswege sowie Video-Plattformen den Weg zur digitalen Schule (auch via Homeschooling) ebnen. Die Kritik lautet stets, dass es einen großen Mangel an der Umsetzung und Ausstattung geben würde. Ob und inwiefern digitale Lernmaterialien überhaupt pädagogisch sinnvoll oder ob sie nicht auch schädlich für die kindliche Entwicklung seien können, interessiert kaum.

Ein Aspekt kommt hierbei regelmäßig zu kurz und wird quasi nie thematisiert: das Soziale Lernen. Davon auszugehen, dass Kinder Objekt-Roboter seien, die man via digitaler Schul-Lernfabrik nur mit Daten füttern müsse, ignoriert alle pädagogischen, psychologischen, lerntheoretischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten 30 Jahre. Denn Kinder lernen fast ausschließlich in der sozialen und primär analogen Interaktion mit ihren Mitmenschen. Weiterlesen

Der pädagogische Happen (33)

Mutter: »Hätten Sie mal kurz eine Minute?«

Pädagoge: »Ja klar, was gibts denn?«

Mutter: »Meine Tochter sagt, dass sie von einer Lena aufs Übelste beleidigt wurde! Ich möchte diese Schimpfwörter jetzt hier nicht wiederholen. Aber sowas hat sie noch nie gehört! Ich will, dass sie mit der Mutter von Lena darüber sprechen und sie fragen, woher ihre Tochter solche Wörter kennt!?«

Pädagoge: »Ich werde mich darum kümmern!«

Mutter: (Einen Tag später. Erbost. Sauer. Wütend.) »Meine Tochter sagt, Sie haben mit ihr und Lena gesprochen. Stimmt das?«

Pädagoge: »Ja. Beide Kinder habe sich entschuldigt und es ist bisher zu keinem weiteren Konflikt gekommen.«

Mutter: »Das reicht mir nicht! Ich will, dass Sie mir die Telefonnummer von Lena’s Mutter geben, damit ich mit ihr sprechen kann!«

Pädagoge: »Das ist nicht unsere Aufgabe. Das wird nur zu einer Eskalation führen. Außerdem kann ich das aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht machen. Tut mir Leid!«

Mutter: (stapft ohne ein weiteres Wort wütend davon.)


Der pädagogische Happen (1−32)

Der pädagogische Happen (32)

 

 

 

 

(In der Schule, Abholsituation)

Mutter: Meine Tochter erzählt mir jeden Tag Zuhause, dass sie von einem Ali immer geärgert wird.

Pädagoge: Ja, ich habe die Situation beobachtet. Möchten Sie eine unbeteiligte Einschätzung dazu hören?

Mutter: (sauer, aufgebracht) Ich will, dass sie sich diesen Ali zur Brust nehmen. Es kann nicht sein, dass er hier frei dreht und andere Kinder schlagen darf!

Pädagoge: (ruhig, sachlich) Wenn ich Ihnen das einmal kurz erklären dürfte...

Mutter: (unterbricht) Wo ist denn dieser Ali jetzt gerade? Ich will mit ihm reden!

Pädagoge: (bestimmt) Stop! So geht das nicht! Die Kinder stehen in der Einrichtung unter unserer Fürsorge und Aufsicht. Außerdem reden wir doch gerade darüber. Also der Konflkt ging von beiden Seiten aus. Ihre Tochter Anna-Lena hat auch...

Mutter: (unterbricht wieder, wird lauter) Das kann ja wohl nicht wahr sein! Ich möchte sofort mit der Leitung sprechen! Wo finde ich die?

Pädagoge: Das Gebäude links, dritte Tür rechts.

Mutter: (stapft wütend davon)


Der pädagogische Happen (1−31)

Kinder in Deutschland; Teil 48: Maskenpflicht

Langjährige Leser dürften wissen, dass ich an einer Schule in Berlin arbeite. Auch bei uns gibt es zum neuen Schuljahr 2020/2021 eine neue Hygieneverordnung sowie Maskenpflicht. Die Umsetzung hat mit pädagogischen Grundsätzen absolut nichts mehr zu tun. Sie ist ein groteskes Chaos, ein kafkaesker Irrsinn und eine absurde Behörden-Willkür. Angst, Panik und politischer Aktionismus verwandeln den Bildungsraum Schule, bei der Kinder kognitive, aber auch sozial-emotionale Fähigkeiten entwickeln und stärken sollen, in ein völlig realitätsfernes Experimentierlabor. Ein Erfahrungsbericht. Weiterlesen

Kinder in Deutschland; Teil 47: Coronoia

Seit rund 10 Jahren gibt es die Kinder-Serie auf dem ZG-Blog. Am 20. Juli 2010 ging bezeichnenderweise »Teil 1: Kinderfeindlichkeit« online. Gerade die häufig offen ausgelebte, manchmal etwas subversiv versteckte, aber leider auch meist sehr direkte Kinderfeindlichkeit in Deutschland, war und ist für mich ein ganz persönliches Trauerspiel. Kinder werden ‑nach wie vor- vielfach als formbare Objekte der Erwachsenen, halbfertige Menschen, Nervenbündel, Schmutzverursacher und/oder Lärmbelästiger betrachtet. Deutschland hat zwar die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet, das hindert aber scheinbar Niemanden daran, seinen Menschenhass (denn genau das sind Kinder: kleine Menschen) ungeniert auszuleben. Die Corona-Krise hat das leider wieder sehr deutlich aufgezeigt. Weiterlesen

Kinderlärm ist Terrorismus!

Deutschland ist ein kinderfreundliches Land! Ein paar Auszüge aus den Kommentaren im Juraforum zum Thema »Kinderlärm«:

»Ich wohne neben einer Grundschule [...] Nix mehr mit entspannt im Garten sitzen. Ruhezeiten gibt’s auch nicht. Rasenmähen von 13 bis 15 Uhr nicht erlaubt wegen Lärmbelästigung aber dieser Terror darf stattfinden.«

»Die Plagegeister rauben einem den letzten Nerv.«

»Dieser Junge schreit so laut, dass sogar ein Hubschrauber vom Geräusch her leiser wirkt.«

»Kinderlärm kann absolut krank machen. Kinder sollen dazu angehalten werden ruhig zu spielen! Es gibt eh viel zu viele Plagegeister!!!! Braucht niemand!«

Wir Deutschen lieben unseren Nachwuchs. Die Lebendigkeit. Die Authentizität. Das Explorieren. Die intrinsische Motivation. Die natürliche Neugier. Wir wollen am Liebsten allen Kindern die Kindheit verbieten, sie zum Schweigen bringen, per Ausschaltknopf oder Maulkorb zur Selbstentfremdnung und Unlebendigkeit verdonnern, die wir Erwachsenen so verinnerlicht haben. Warum eigentlich nicht gleich Erwachsene gebären? Wo ist nur unsere Forschung, wenn man sie mal braucht?


Der pädagogische Happen (1−27)

Aufbewahrungsanstalten

Im aktuellen Böckler Impuls (Ausgabe 18–2018) von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung (DGB), gibt es eine interessante Untersuchung zum Thema »Nachts in der Kita«. Kinderbetreuung, die 24 Stunden am Tag und auch an Wochenenden möglich ist. Deutschlandweit gebe es bereits zehn Einrichtungen die eine 24-Stunden-Betreuung anbieten. Die Nachfrage steigt. Zwar betonen die Forscher, dass sie »kein Ersatz für familienfreundliche Arbeitszeiten« seien, behaupten aber, dass sie grundsätzlich geeignet sind, um »Eltern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern, ohne dass die Kinder Schaden nehmen.« Sagen zumindest die Leiterinnen der besagten 24-Stunden-Kitas sowie die Forscher der Studie.

»Alles in allem gehen die Befragten davon aus, dass erweiterte Betreuungszeiten nicht schädlicher sind für das Kindeswohl als die regulären Zeiten.«

Interessant, dass hier kein Pädagoge oder Psychologe zu dem Thema befragt wurde. Statdessen erweisen die Forscher den Kindern hier einen Bärendienst. Gerade für Kleinkinder ist eine übermäßige Fremdbetreuung nicht immer ohne Folgen. Die zahlreichen Untersuchungen hierzu, erwähnt die Studie mit keiner Silbe. Unternehmen und Industrie wird es freuen. Schließlich sollen so gut wie alle Lohnarbeiter (und eben nicht nur Feuerwehr-Leute, Polizisten, Altenpfleger etc.) am besten immer verfügbar sein. 24-Stunden-Kitas eignen sich hierfür bestens, um die Kinder jederzeit abschieben liebevoll betreuen zu können.


Kinder in Deutschland
Der pädagogische Happen

Der pädagogische Happen (25)

(An der Abmeldung eines großen Schulhortes klingelt das Telefon.)

Mutter: »Ich kann meine Tochter heute leider nicht abholen. Mir ist ein wichtiges Kundengespräch dazwischen gekommen. Wäre es möglich, dass meine Nachbarin sie heute mit nimmt? Sie steht leider nicht als abholberechtigt im Ordner.«

Pädagogin: »Dann geht das nicht. Tut mir leid! Wir benötigen immer eine schriftliche Erklärung mit Unterschrift!«

Mutter: »Es wäre doch nur eine Ausnahme? Meine Nachbarin ist eine ganz freundliche Person!«

Pädagogin: »Wir können das leider nicht machen! Sie können gerne ihre Nachbarin als abholberechtigt schriftlich bei uns eintragen lassen, dann kann sie ihre Tochter beim nächsten Mal abholen.«

Mutter: (sauer) »Sie kommen den Eltern aber auch gar nicht entgegen, oder?« (legt auf)


Der pädagogische Happen (1−24)