Der pädagogische Happen (59)

-Respektlosigkeit-

Ich arbeite sehr gerne in meinem Beruf und wertschätze alle Kinder. Dennoch muss ich heute ein eher kritisches Thema ansprechen, ohne gleich in Kinderhass abzudriften (und Ihr bitte auch nicht). Ich arbeite seit rund zehn Jahren in der Grundschule in einem eher linksgrünen, bürgerlichen Milieu. Selbst hier ist eine Tendenz bei den Kindern erkennbar, die man mit Respektlosigkeit, Unhöflichkeit und der bewussten Missachtung von Regeln, beschreiben kann.

Ich könnte hierzu dutzende Anekdoten erzählen, die sich alle grob so zusammenfassen lassen, dass eine klar und deutlich formulierte Grenze und Regel, die den Kindern kommuniziert wird ‑damit ein harmonisches und sicheres Zusammenleben im Schulalltag funktionieren kann- bewusst missachtet wird. Wieder und immer wieder.

Die Kinder können nichts dafür. Es ist, in aller Regel, eine Sache der Erziehung und des Elternhauses. Offensichtlich haben immer mehr Eltern keine Motivation oder keine Ahnung, was es bedeutet, Grenzen zu setzen und konsequent zu sein (ohne körperliche Gewalt anzuwenden!). Der überbordende Medienkonsum sowie die Vernachlässigung bzw. die Überbehütung kommen noch oben drauf. Zudem: »Respektlosigkeit« ist mittlerweile ein großes gesellschaftlches Problem, womit beispielsweise Bademeister oder Busfahrer tagtäglich konfrontiert sind.

Jetzt könnte man einwenden, dass das »Nichts Neues« sei und schon immer gab und wir als Kinder »auch nicht anders« waren. Ein gewisses Maß an kindlichem Rebellentum gehört eben dazu und ist auch gesund. Klar. Es hat heute dennoch eine neue Qualität der Ignoranz, der Empathielosigkeit und des Egoismus erreicht, wenn selbst nach der 5. Ansage, die laut, deutlich und bestimmend formuliert wurde, nach Elterngesprächen und etlichen Konsequenzen — immer noch eine »Mir doch scheissegal!-Einstellung« vorherrscht. Dann stimmt etwas ganz gewaltig nicht.

Leider kommt das gar nicht mehr so selten vor, wie man vielleicht denken mag. Und zwar in allen gesellschaftlichen Schichten und Milieus. Ich vermute, auch das ist mit ein Grund für den eklatanten Fachkräftemangel bei Lehrern und Erziehern. Denn die Respektlosigkeit von Kindern und Jugendlichen wollen sich immer weniger antun, während man gleichzeitig der individuelle Bedürfniserfüller und Dauer-Karl-Arsch zugleich bei den Eltern ist.


Kinder in Deutschland
Der pädagogische Happen

26 Gedanken zu “Der pädagogische Happen (59)

  1. Tom hat den richtigen Rat für sowas.
    Kind schreit aufsässig.
    Mutti: Helfen Sie mir, tun Sie was!
    Bademeister Jung und Drahtig: Komm‹ mal mit.
    Bademeister Wampe: Der kann gut mit Kindern.
    Drahtig wieder da, Kind brav.
    Wampe: Wie schaffst du das jedes mal?
    Drahtig: Ich zeige ihnen die Spinde.
    So muß das heute wohl laufen, sonst wird das nichts. Erkenntnis aus USA: Wer ohne Mutti groß wird, hat ein etwas höheres Risiko, irgendwann im Gefängnis zu landen, wer ohne Vati groß wird, ein vielfaches Risiko. Die Gesellschaft hat mit dem Feminismus zugelassen, das Erziehung immer weniger stattfindet.

  2. Was die Ursachenforschung angeht, sind wir beide ja mal geteilter Meinung, auch wenn ich dir bzgl. der Eltern durchaus Recht geben kann. Aber sehe ich da immer eine Teilschuld bei Lehrkräften und auch in Kultusministerien, die sich mittlerweile in diesem nervigen Wertekanon verlieren und in Lehrkräften auch willige Verbreiter finden. Ich kriege das ständig in Hessen mit, da ist überall »Schulen gegen Rassismus« oder »nachhaltige Schule« plakatiert. Lehrer sind dann mitunter schlimmer als die Kids, und das nicht nur aus Überforderung wg. Respektloser Kinder. Die wirken dann auch nicht wie Überzeugungstäter im Sinne des Kindeswohls.

  3. Am Ende meiner Schulzeit war mir nur eins klar: ich will kein Lehrer werden. Zu präsent war noch die Erinnerung wie wir bzw. die Klasse in der ich war mit den Lehrern umgegangen war. Den Stress wollte ich mir nicht antun. Gut, angeblich war unsere Klasse in der Mittelstufe, die Schlimmste von allen an der Schule, aber wenn das heute die Norm ist ... dann gut Nacht!

    Aber wo die Stichwörter »Medienkonsum«, »Vernachlässigung«, »Überbehütung«, »Ignoranz«, »Empathielosigkeit« und »Egoismus« gefallen sind:
    Vernachlässigung und Überbehütung sind zwei Seiten ein und derselben Medaille, nämlich frühkindliche Traumatisierung, was in der Folge eine lebenslang schlecht erlernte emotionale Autoregulation zur Folge hat. Durch übermäßigen Medienkonsum wird das noch verstärkt, denn am sinnreduzierten Bildschirm (selbst Bild und Ton nicht synchron, alles andere gar nicht) lernen die Kinder nicht soziales Verhalten bzw. die Zeit fehlt dann um es zu lernen. Aber das Gefühl der Einsamkeit und gleichzeitig der Nabel der Welt zu sein, aber diese Emotionen nicht unter Kontrolle zu haben, führt dann bei vielen zu der beschriebenen Ignoranz, Empathielosigkeit und Egoismus. Rein theoretisch haben die die auffällig sind, noch vergleichsweise Glück, denn da merkt die soziale Umwelt noch, dass da was nicht stimmt (auch wenn es da für Prävention schon viel zu spät ist, bestenfalls Schadensbegrenzung). Es gibt aber auch die, die still leiden. Da merkt niemand was, ja, die Eltern sind froh über ein so pflegeleichtes Kind und die Lehrer können sich nicht über schlechte Schulnoten oder auffälliges Verhalten beschweren. Nur wenn die dann irgendwann als junge Erwachsene wie aus heiterem Himmel den Freitod suchen, dann ist die Verwunderung groß.

    Vor einigen Tagen ein weises Zitat von Desmond Tutu gehört:

    There comes a point where we need to stop just pulling people out of the river. We need to go upstream and find out why they’re falling in.

  4. Wir sehen das ja auch bei zahlreichen anderen Fragen, es wird nicht zu Ende gedacht und Konsequenzen nur dann in Betracht gezogen, wenn sie dem gewünschten Ergebnis zuträglich sind.

    Was den Umgang mit den Kindern angeht läuft es dann ähnlich.

    Ich kenne in meinem Umfeld eine Person die ihren Kindern sehr früh gezeigt hat, was ihr macht hat Konsequenzen und ihr seit für euer handeln verantwortlich. Das lief natürlich auch nicht reibungslos, wie du schon sagst Rebellentum gehört immer zur Entwicklung, aber die haben sich gut Entwickelt und gehen ihren Weg mit viel Enthusiasmus aber ohne Träumereien.

    Aber das Rebellentum musste man sich früher als Jugendlicher erkämpfen (als Kind gab es kaum Gelegenheit so was auszuleben) und mit den Konsequenzen leben. Heute hat kein Jugendlicher Nachteile, wenn er sich rebellisch verhält. Für mich, der lange sich in der Punkwelt wohlgefühlt hat, ist diese Entwicklung von dieser Seite aus betrachtet, sehr frustrierend. Du siehst die ganzen bunt haarigen, die wie Könige und die Meinungsmacher behandelt werden und denkst daran, wie wir gegen Könige und Meinungsherrscher protestiert haben. Es ist eine Umkehrung dessen wofür Protest einmal stand. Heute dient er der Verhätschelt der jugendlichen Oberschicht, die dann regelmäßig auf den Pöbel nieder blickt und sich wohlfühlt.

  5. Ich hab den ©TOM-Comic doch tatsächlich noch gefunden.

    Ich mein auch mal eine ähnliche »Schwarze Pädagogik«-Story von Jamee Lee Curtis in einer Late Night Show gehört zu haben:
    Als sie mal wieder auf fremde Kinder aufpassen sollte, hat sie eine spitze Nadel auf das Kaminsims gelegt und zu den Kindern gesagt: ›Wenn ihr euch weh tut, dann werde ich euch mit dieser Nadel wieder zusammenflicken‹. Angeblich hat sich keines der beaufsichtigten Kinder mehr verletzt.

  6. @orinocco

    »Durch übermäßigen Medienkonsum wird das noch verstärkt, denn am sinnreduzierten Bildschirm (selbst Bild und Ton nicht synchron, alles andere gar nicht) lernen die Kinder nicht soziales Verhalten bzw. die Zeit fehlt dann um es zu lernen.«

    Exakt! Das Zauberwort heisst »Soziales Lernen«. Genau das haben weder Lehrkräfte, Bildungspolitiker, Journalisten, Kultusministerien oder Eltern auf dem Schirm. Ganz im Gegenteil: alle reden von fehlendem Schulmaterial, Fachkräftemangel oder fehlender digitaler Ausstattung. Das ist aber nicht das, was Kinder primär brauchen. Es ist das, was die Erwachsenen unbedingt »wollen«.

  7. An sich bin ich auch der Auffassung, dass Erziehung Sache der Eltern und das Vermitteln von Bildung die der Schule ist.

    Aber da hat es in beiden Bereichen seit längerem Entwicklungen in Richtung eines Verwischen der beiden Einflusssphären gegeben, wobei seitens des Bildungssystem, also letztlich von Seiten des Staates bekanntlich immer mehr Übergriffigkeit im Spiel ist.

    Es wird ja geraunt, dass die Verankerung expliziter Kinderrechte im Grundgesetz nur dem Zweck dienen soll, dem Staat den Weg ins Kinderzimmer zu ebnen, was er ja mit seinen vorgelagerten Medienhäusern, siehe Kika und die sprechenden Marschflugkörper bereits auf anderen Pfaden aktiv tut.

    Und naja, was will man im Elternhaus heute eigentlich nicht kritisch sehen, da läuft in einem breiten gesellschaftlichen Bereich so ziemlich alles falsch, was falsch laufen kann.

    Wenn ich so in meiner Nachbarschaft schaue, dann frage ich mich, wozu diese jungen Leute um jeden Preis Kinder haben wollen, wenn sie doch eigentlich gar keine Zeit und vermutlich auch keine wirkliche Lust haben, sich um sie zu kümmern. Da werden bereits 6 Monate alte Babies in der Kita geparkt, damit auch die Mama wieder dem Geld und der Karriere hinterher hechten kann.

    Sorry, ich weiss, mit dieser Aussage bin ich nun schon im Bereich, als Chauvi tituliert zu werden, aber ich habe für so etwas absolut null Verständnis.

    Die Mentalität, dass man um jeden Preis einfach alles haben und bloss ja keinerlei Verzicht üben will, ist einfach das letzte. Die Fortsetzung ist dann die, dass diese feinen Eltern natürlich in ihrer kargen Freizeit auch gerne mal Zeit für sich haben wollen, womit man den Kindern dann auch schon wieder überdrüssig ist und sie dann den smarten Geräten in Obhut gibt. Das ist eine Entwicklung, die auch von Seiten des Staates während des C‑Wahnsinns entsprechend fleissig gefördert und damit als das ›Richtige‹ etikettiert worden ist.

    Und zuletzt, wie sollte es hinsichtlich ethisch-moralischem Verhalten bei den Kindern besser aussehen als bei der Elterngeneration? In einer atomisierten Gesellschaft, die seit 40 Jahren einen hemmungslosen Individualismus gepaart mit einem nur noch als obszön zu bezeichnenden Hedonismus zelebriert — und diese Generation, die keine andere Epoche als genau diese erlebt hat, ist die, die heute Kinder im schulpflichtigen Alter hat, kann nichts anderes als genau das geschehen.

    Der moralische Kompass ist schon lange futsch, niemand weiss mehr, was sich gehört und was nicht, was ja auch dazu führt, dass der Staat zwangsläufig immer übergriffiger gegen diese Entwicklung gegensteuern muss, was er allerdings sehr selektiv und mit einem ebenso fragwürdigen moralischen Bias tut.

  8. @Pascal

    Ich finde, es wäre zu kurz gedacht, häusliche Mütter nur mit der Frauen-an-den-Herd-Gewäsch zu belegen. Auch hier würde ich es Frauen freistellen, ob sie das wollen, und die Hausfrauen von früher waren ja nicht nur Butler, Putzkraft und Kinderverwahrstelle für den Herren im Haus. Sondern auch die Person, die im Hintergrund Finanzielles zusammenhielt und dem Mann bei Bedarf aufs Dach stieg. In solchen Verhältnissen bin ich groß geworden, wie auch in solchen, in denen sich Frau gedrängt fühlt, arbeiten zu gehen. Hat alles seine Vor- und Nachteile.

    Nun kennen wir ja auch dieses Genöhle, das TikTok-Mädels kürzlich so von sich gegeben haben, was gerade bei den Hochgespülten mit Faulheit/grenzenlos frei/usw. assoziiert wird, aber es gibt auch wieder welche, die sogar in alte Rollenbilder zurückkehren wollen. Weil sie keine Lust haben auf das Hamsterrad Neoliberalismus, gleichzeitig aber auf eine sinnvolle Aufgabe wahrnehmen wollen. Die Gen Z‑Nöhlis dagegen will gar nichts an Verantwortung übernehmen, nur Selbstverwirklichung ohne produktiven Aufwand. Kinder stören da nur. Vielleicht setzt sich tatsächlich ein Trend durch, dass Familie und feste Werteerziehung endlich wieder ein festes Fundament hat. Und dass Kinder nicht mehr an Au-Pairs oder die Playstation abgeschoben werden, während die Elternteile aus Gewissensbissen heraus sich zum Diener ihres Nachwuchses degradieren.

  9. Zu den Rollenbildern will ich heute nichts sagen, auch wenn die sicherlich ihren Anteil haben mögen.

    Was ich ganz sicherlich wichtig finde, ist die Sache mit der Konsequenz. Heutzutage hat gar nix (ja, ich übertreibe mal) mehr Konsequenzen, bei Kindern nicht und bei Erwachsenen auch nicht. Und wenn nix Konsequenzen hat, dann muß man sich auch an keine Regeln halten. And there goes the upbringing. Überhaupt: Erziehung! Pfui! Bäh! Nein – man muß Kindern auf Augenhöhe begegnen! (das ist sowieso der größte Schwachsinn schlechthin...)

    Und nein, epikur, wir waren nicht so. Zu meiner Zeit haben Kindergartenkinder keinen Stinkefinger gezeigt, und Grundschüler sind nicht frech auf Jugendliche losgegangen und haben dreist gesagt: »Gib mir mal Geld!« Selbst die Rotzlöffel hatten damals noch Respekt, eben weil ein bestimmtes Verhalten noch Konsequenzen nach sich zog. Heute gehen Jugendliche (gerne ohne Schulabschluß) zum Bewerbungsgespräch für eine Lehrstelle und stellen Forderungen! An Geld, an Freizeit, an weißderGeier. Hat mir mein Kfz-Meister erzählt, habe ich also aus erster Hand.
    Und ja, das ist ein systemisches bzw. gesamtgesellschaftliches Problem. Und die wenigen Kinder, die noch gut erzogen werden, haben von ihrer guten Erziehung nicht viel, weil es um sie kaum noch geht.

    Traurig, aber wahr.

    Lösungsvorschlag: dennoch auf Konsequenz setzen. Was als Pädagoge natürlich schwierig wird, wenn dann die Eltern anfangen zu protestieren. Mit den Kids alleine käme man damit wahrscheinlich letztendlich irgendwann durch.
    Nein, ich beneide Dich nicht.

  10. Schade, dass wir jedesmal vom Konkreten zum Allgemeinen kommen, wenn ich pädagogische Themen anspreche. Natürlich gibt es große gesellschaftliche Verwerfungen und große Schweinereien. Und natürlich leiden auch die Kinder unter all dem bzw. werden davon geprägt — aber, das kann und darf nicht ständig und überall die Rechtfertigung für alles sein. Ab einem gewissen Alter trägt man auch die Verantwortung für sein Handeln.

    Im obigen Fall geht es beispielsweise um Kinder, die ständig andere Kinder und/oder Erwachsene beleidigen. Sich prügeln. Klauen. Permanent den Unterricht stören. Nicht zuhören können und/oder wollen. Keinerlei Bereitschaft zeigen, in der Schule etwas »zu leisten«. Eltern, die permanent gegen das Smartphone-Verbot in der Schule verstoßen. Eltern, die weder Lehrer, noch Erzieher respektieren. Und so weiter und so fort.

    In diesen Fällen hilft es wenig, von den großen gesellschaftlichen Problemen zu reden, sondern konkret und konsequent zu sein. Zu den Kindern. Aber auch zu den Eltern.

    EDIT: @Tiffany

    »dennoch auf Konsequenz setzen. Was als Pädagoge natürlich schwierig wird, wenn dann die Eltern anfangen zu protestieren. Mit den Kids alleine käme man damit wahrscheinlich letztendlich irgendwann durch. Nein, ich beneide Dich nicht.«

    Mein Reden. Ja, die Kinder verstehen es, wenn man angemessen konsequent ist und ihnen erklärt, warum sie jetzt beispielsweise ein »10-Minuten-Time-Out« erhalten oder von einem Spielangebot ausgeschlossen werden, weil sie permanent stören. Es sind in der Tat die Eltern, die Dir deswegen die Bude einrennen.

  11. Tom gefunden, sehr gut, noch mit den ganz großen Nasen.
    Ich als Ahnungsloser sehe die seit jahrzehnten andauernde systematische Zerstörung der Familie, die eine gewisse Erziehung garantierte, die faktische rechtlosstellung der Väter und die Vaterlosigkeit als eine wesentliche Ursache.
    Das sich vor allem die negativen Folgen vererben, das ist normal, kenne ich, kann ja gar nicht anders sein. Die wievielte Generation erziehungsloser Eltern haben wir jetzt? Wenn man das jetzt ändern wollte … Schließfächer zeigen + Rohrstock. Ohne drastische Maßnahmen wird keine Richtungsänderung möglich sein.
    Immerhin ist es, im Gegensatz zu Radfahrern, nur ein Teil, ich jedenfalls kenne eine ganze Reihe wohlerzogener Kinder näher (zum Teil unverdient brav). Die frechen sind immer die anderen — und gleichzeitig sind deren Eltern auch nicht besser, lassen die Frechheiten bewußt zu, vor allem Muttis, werden sofort pampig.
    Mit entmachteten Vätern und Lehrern kann man nicht konkret und konsequent sein, oder. Als Billig-Tresen-Heini eines Sitz & Mampf würde ich auch lieber die Fresse halten, statt Streit und anschließend Rausschmiß zu riskieren. Weitere Folgen kann man wohl nicht nur beim Maschinisten lesen („Pestmütter im Schultheater“). Wenn ein Sportlehrer sich von einem achtjährigen Mädchen sagen lassen muß, „Ich muß das nicht machen, dann sage ich, du hast mich angefaßt.“, weiß man, wie sich die Kugel dreht.
    Deshalb läuft es immer aufs Große Ganze zu, weil Erziehung nicht mehr stattfinden soll und weil im Kleinen nichts mehr zu machen ist. Mit Rechtfertigung hat das nichts zu tun. Es ist einfach nur zu spät.

  12. @Udo

    »Deshalb läuft es immer aufs Große Ganze zu, weil Erziehung nicht mehr stattfinden soll und weil im Kleinen nichts mehr zu machen ist. Mit Rechtfertigung hat das nichts zu tun. Es ist einfach nur zu spät.«

    Sorry, wenn ich das so drastisch sage, aber das ist Bullshit! Das zeugt nur von Ahnungslosigkeit des Schulbetriebes und produziert wieder nur Fatalismus.

    Natürlich gibt es viele Methoden und Möglichkeiten dem konkret und aktiv ‑im Heute- zu begegnen (Zwei habe ich genannt). Ich mache das täglich (wäre aber ein Thema für einen anderen Beitrag).

    Und nein, Dein »Rohrstock-Beispiel« wäre wieder nur ein zurück zur »Schwarzen Pädagogik«. Die hat jahrzehntelang Kinder schwer traumatisiert — die haben wir aus guten Gründen überwunden!

    Verallgemeinerungen helfen auch nicht weiter und das komplette Schwarzsehen auch nicht. Der obige Beitrag ist ein exemplarischer Ausschnitt — aber das bedeutet nicht, dass alle Schulen jeden Tag und überall und ständig damit zu kämpfen hätten. Das ist komplett übertrieben.

    Ergo: der nächste päd. Happen wird dann ein »positiver Ausschnitt« sein, den besonders Du dann zerreißen darfst. ;-)

  13. Um dem Ganzen auch meinerseits mal eine etwas positivere Perspektive zu geben: ja, gute Lehrer können einen Unterschied machen, aber weniger die in der Grundschule, als die in der Mittelstufe kurz vor Ende der Schulpflicht und da die Biologielehrer, die den Aufklärungsunterricht für die nächste Elterngeneration machen; natürlich nur mit den richtigen Inhalten und nicht nur Blümchen und Bienchen, sondern eben auch welche Verantwortung man als Eltern hat, speziell die Mutter als primäre Bezugsperson für Baby und Kleinkind. Das wäre nicht nur effektiver sondern volkswirtschaftlich sehr viel preiswerter, als hinterher neurotische Schulkinder und später depressive, nicht belastbare Erwachsene zu therapieren — meist erfolglos. Ich meine es war in einem Vortrag von Bruce D. Perry wo er gezeigt hat, dass sich Investitionen in die frühe Kindheit und damit junge Mütter volkswirtschaftlich am meisten lohnen (kann auch bei Spitzer gewesen sein). Später korriegieren oder umsteuern ist nicht nur wesentlich teurer, sondern auch deutlich weniger effektiv. Unser Gehirn ist eben ein historisches Organ für das es kein »Zurück auf Anfang« gibt. Einmal am Anfang falsch abgebogen und dann war’s das. Deswegen besser gleich richtig lernen.

  14. @orinoco

    »speziell die Mutter als primäre Bezugsperson für Baby und Kleinkind.«

    Du schreibst da öfters von, dennoch möchte ich das in dieser Konsequenz anzweifeln. (H.J. Maaz ist mir da auch zu extrem.) Daß Kinder, gerade in den ersten Lebensmonaten, eine Bezugsperson brauchen – geschenkt. Aber das muß nicht per se und immer die Mutter sein.

    Und so ein Biologielehrer (ist das jetzt generisches Maskulinum oder traust Du das nur den Lehrern zu?) mag bis zu einem gewissen Grad beeinflussen können, aber ich denke, das meiste, was Jugendliche über Kinderkriegen und ‑aufziehen wissen, kommt aus ihrer eigenen Erfahrung in Familie, Freundes- und Bekanntenkreis. Da kann man mit zwei Stunden Bio in der Woche (und das wäre ja schon viel!) sicherlich kaum gegen anstinken.

    Gute GrundschullehrerInnen wiederum sind die Basis dafür, daß Kinder später überhaupt noch gerne weiterlernen bzw. sich weiterentwickeln möchten. Und das hat nix mit dem Geschlecht zu tun. Entweder sie verstehen ihren Job oder sie tun das nicht.

    Meine Meinung.

    EDIT: Franz Ruppert ist auch so jemand, bei dem mir das zu extrem rüberkommt, wenn der über das Thema redet. Da kann ich dann mit dem eigentlich wichtigen Thema in dieser Vehemenz nicht mehr konform gehen.

  15. @epikur

    Vorweg: ich gendere grundsätzlich nicht und verwende immer den generischen Genus, wenn es auf das Geschlecht nicht ankommt. Wenn dann mache ich das entweder durch die (s)explizite Movierung wie mit ‑in(nen) oder dem Adjektiv »männlich« oder »weiblich« kenntlich. (siehe »Der Führerin entgegen«)

    Wir können das mit der primären Bezugsperson jetzt natürlich beliebig aufdröseln. Ja, rein theoretisch kann auch eine andere Person als die Mutter die primäre Bezugsperson des Kindes sein, in der biologischen Regel ist es aber die Mutter. Der biologische Mechanismus ist hier der der Prägung — Konrad Lorenz und seine Gänse: dessen Beispiel zeigt, dass man sogar über Artgrenzen hinweg Tiere auf eine Individuum einer anderen Spezies prägen kann. Das ist auch bei Menschen möglich. Aber — jetzt kommt das große Aber: das was Neugeborene — egal ob Menschen oder Gänse — in der Regel nach der Geburt als erstes sehen ist die Mutter bzw. das Muttertier. Die Evolution macht hier den Umkehrschluß: da das was die Neugeborenen als erstes sehen die Mutter ist, die für das Überleben des Neugeborenen sorgt, muss dem was die Neugeborenen als erstes sehen ab sofort bedingungslos gefolgt werden. Man kann jetzt wie bei Konrad Lorenz die Mutter gegen eine beliebige Person austauschen, aber nur einmal und nur ganz am Anfang bevor die Prägung stattgefunden hat. In der Konsequenz: später ist ein Austausch oder Wechsel der primären Bezugsperson nicht ohne Traumatisierung möglich. Und es gibt auch keine zwei primäre Bezugspersonen.
    Das ist jetzt bei verschiedenen Spezies unterschiedlich. Bei Vögeln ist es prinzipiell egal, dass z.B. bei Straußen der Vater die primäre Bezugsperson ist. Aber bei Säugetieren hat die Prägung noch mal eine besondere Qualität, weil die primäre Bezugsperson eben nicht nur Schutz und Sicherheit, sondern auch Nahrung in der Stillzeit bedeutet. Nicht nur das (Tier-)Kind ist auf die Mutter fixiert, sondern auch die Mutter auf das Kind, profan Mutterliebe genannt. Und bei höheren, speziell hochsozialen Säugetieren wie dem Menschen, kommt noch dazu, dass die primäre Bezugsperson auch der erste Lehrmeister des Kindes ist. Nicht ohne Grund sprechen wir von Muttersprache. Aber das Kind lernt eben noch viel mehr von seiner Mutter — logischerweise nur wenn diese — körperlich und emotional — anwesend ist.

    Was den begrenzten Wirkungsgrad von Biologielehrern angeht: das ist eben auch eine Frage der Priorität in den Lehrplänen, wofür die Kultusministerien, also letztlich die Politik verantwortlich ist. Dass das was ich gerade beschrieben habe, derzeit keine Priorität hat, ja weder Politik noch Biologielehrer überhaupt auf dem Schirm haben — geschenkt. Aber es ist wie bei jeder Aufklärung: sie bietet jedem die Chance dieses Wissen praktisch anzuwenden und davon zu profitieren, wer es dann nicht tut kann zumindest nicht mehr Unwissen und Unschuld für sich in Anspruch nehmen und sich nicht mehr aus der Verantwortung stehlen. Und sobald derart relevantes Wissen aus Wissenschaft und Forschung zur Verfügung steht, besteht eine gesellschaftliche Verantwortung zur Aufklärung, sonst ist das finsteres Mittelalter.

    Was Grundschullehrer betrifft: ich will deren Bedeutung nicht schmälern, aber hirntechnisch haben die Kinder, die eingeschult werden, schon das meiste und vor allem das wichtigste in ihrem Leben gelernt. Schon mit fünf Jahren wird im Gehirn aktiv abgebaut, was nicht benutzt wurde. Was bis dahin an Lern-Defiziten entstanden ist, das macht kein noch so guter Pädagoge wieder wett. Bis zu einem gewissen Maß ist Schadensbegrenzung möglich, speziell wenn es guten Lehrern gelingt ein Vertrauensverhältnis zu den Schülern aufzubauen. »Warme Öfen« können bei Kindern aus dysfunktionalen Familien das Schlimmste verhindern, aber nichts ungeschehen machen.

  16. @orinoco

    « Was bis dahin an Lern-Defiziten entstanden ist, das macht kein noch so guter Pädagoge wieder wett.«

    Ich weiß nicht so recht. Natürlich ist die frühkindliche Prägung sehr wichtig, aber für mich klingt das jedesmal nach »alles oder nichts«. Entweder man macht in der frühen Phase »alles richtig« oder das Kind ist traumatisiert. Ich kenne diese Einstellung von Traumapädagogen-Kollegen, die ständig behaupten, das wir alle irgendwie traumatisiert wären. So kann man seinen Berufsstand auch legitimieren.

    Ich kenne aus der Praxis allemöglichen Beispiele von Kindern aus allemöglichen Milieus, Bildungsschichten und familiären Hintergründen. Meiner Erfahrung nach ist es mitnichten so, dass man »nichts mehr machen« kann, wenn die ersten fünf Jahre »verkackt« wurden. Ganz im Gegenteil.

  17. @epikur

    Tja, so unterschiedlich können Eindrücke sein.

    Von der Zunft der Psychofritzen habe ich zwar auch den Eindruck, dass sie den Begriff »traumatisiert« inflationieren (wie ganz allgemein derzeit), aber eben das genaue Gegenteil versprechen, dass man — durch sie — das alles »heilen« könne.
    Das sehe ich beides sehr kritisch.

    Traumatisierung wird eigentlich nur durch einen Zustand von Todesangst und völliger Ohnmacht demgegenüber ausgelöst.
    Die Angst-Reaktion darauf kann danach natürlich immer wieder durch niederschwelligere Ereignisse getriggert werden. Ich nenne das Re-Traumatisierung, ist aber keine echte Traumatisierung.
    Dazu kommt dass Todesangst je nachdem in welcher Lebensphase man sich befindet, sehr unterschiedlich ausgelöst wird.

    Auch sehe ich mittlerweile ein kontinuierliches Spektrum wie gut jemand die emotionale Autoregulation erlernt. Und ich hab explizit erwähnt, dass »warme Öfen« im Leben eines Kindes sehr wohl einen Unterschied machen. Sie können das Schlimmste verhindern, nämlich, dass jemand völlig das Vertrauen in seine Mitmenschen verliert und sich früher oder später selbst umbringt. Aber das bedeutet eben nicht, dass der Traumatisierte, der die Erfahrung eines »warmen Ofens« in der späteren Kindheit machen durfte, dadurch so »geheilt« würde als ob es keine Traumatisierung gegeben hätte. Letzteres ist nach meiner Erfahrung das leere Versprechen der Traumatologen, mitunter noch mit vollkommen kontraproduktiver »Behandlung«, was nur zeigt, dass sie von Traumatisierung nichts verstanden haben und nur jeder auf der Verzweiflung der Betroffenen sein Therapiesüppchen kocht. Nach wie vor gilt die Medizinerweisheit:

    Die Anzahl der Therapien gegen eine Krankheit verhält sich umgekehrt proportional zum Wissen und der Wirksamkeit gegen diese Krankheit

    Also einfach den Blick auf ein breiteres Spektrum der menschlichen Psyche weiten. Zugegeben das ist schwierig, weil wir nur uns selbst und unser Gefühlsleben so kennen wie niemand anderes und uns irgendwie für »normal« halten. Was es eben für viele schwierig macht, sich in die Lage von Betroffenen zu versetzen und dann kommen eben so kontraproduktive Sprüche wie »Reiß dich doch mal zusammen« oder »Das wird schon wieder«.
    Noch mal einen Vergleich: ein Querschnittsgelähmter. Bislang bedeutet das lebenslanger Rollstuhl. Nun wird man vielleicht mit zukünftigen Therapien es schaffen, dass der Betroffene wieder gehen kann, aber derjenige wird mit Sicherheit kein Springinsfeld oder gar ein 100-Meter-Rekordsprinter mehr werden.
    Traumatisierten kann dagegen schon jetzt wirksam und vergleichsweise einfach geholfen werden. Das nennt sich (echtes) »Verständnis« und »unterstützende Beziehung«. Das muss nicht technisch erst noch erfunden werden, sondern sind inhärent menschliche Eigenschaften, auch wenn man sie nicht an jeder Ecke findet. Sehr empfehlenswert dazu die Vorträge von Silke Birgitta Gahleitner auf youtube.

  18. @Sascha

    Eben genau auf diesen Punkt, wie heute Frauen, die vielleicht ganz bewusst Zeit mit ihrem Kind verbringen wollen, als Heimchem am Herd blossgestellt werden, will ich hinaus.

    Es gibt in dieser Hinsicht keine freie Wahl mehr. Wer die herrschende Auffassung, dass auch die Frau sich um jeden Preis ’selbst verwirklichen soll‹ — was dann aber konsequenterweise nicht als freie Entscheidung, sondern als eine gesellschaftliche oder meist aus finanziellen Zwangslagen aufoktroyierte Entscheidung bezeichnet werden muss.

    Wer dies kritisiert, ist als Mann ein Chauvinist und als Frau gleich so etwas wie eine Ewiggestrige, die unverzüglich mit dem Idealbild der Deutschen Mutter in der Nazizeit gleichgesetzt wird.

    Es ist ein weiteres Beispiel, wie eine rückwärtsgewandte Ideologie — früher die, dass Frau an den Herd gehören — durch das völlige Gegenteil — die Frau soll (bzw. eher muss) sich selbst verwirklichen. Es gibt jeweils bei beiden Ideologien nichts dazwischen — der Diskurs ist heute in dieser Hinsicht genau so dichotom wie in den 60er oder 70er — nur mit umgekehrten Vorzeichen.

    @epikur

    Ich verstehe zwar, was du meinst, wenn du kritisierst, dass wir immer verallgemeinern, aber wie sonst sollte der grössere Kontext, in dem sich diese Anstandsverwahrlosung abspielt, greifbar werden?
    Es gibt doch nicht das eine, monokausale Problem für diese Erscheinungen.
    Natürlich sollten wir uns davor hüten, uns in einem solchen Diskurs in unerschöpflichen Analysen zu verlieren, aber ohne geht es ebenso wenig.

    All das sind Phänomene des herrschenden Zeitgeist als ganzes. Wenn der Versuch zum Verständnis nicht angetreten wird, dann endet alles wieder bei unterkomplexen Symptombehandlungen — also genau bei dem, was überall hinsichtlich aller gesellschaftlicher Probleme seit Jahren gemacht wird:

    Rumdoktern an den Auswüchsen einer kaputten Gesellschaftsordnung.

    Ganz exemplarisch ist doch aktuell diese ›Messerdiskussion‹. Nur total realitätsentrückte Vollpfosten können ernsthaft glauben, dass ein Verbot von Messern mit einer bestimmten Klingenlänge das Problem der Messergewalt in den Griff kriegen können.

    Aber wir sehen: es funktioniert, die Botschaft — die Politik liefert greift auch hier wieder und wir hier reiben uns ständig verwundert die Augen wund, wie so etwas noch durchgehen kann, ohne dass der Grossteil der Bevölkerung dieser verblödeten Politik den Vogel zeigt.

    Und um konkret wieder auf deine angestossene Thematik zu kommen.

    Was passiert dann, wenn diese Probleme mit mangelndem Respekt in der Schule angegangen werden soll.

    Du sagst es selbst: der Impuls bei vielen ist die Forderung nach dem Griff zum Rohrstock. Zwar durchaus verständlich, zumindest auf den ersten Blick, aber dann wiederum der Rückfall auf die alten Muster, von denen wir als Gesellschaft angeblich so geläutert worden sind.

    Und ich habe das schon bei anderen Posts geschrieben, etwa als du einen Vlog von Ervin kommentiert hast:
    All die jungen Leuten, die an der herrschenden Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung auflaufen, sind zu bedauern, aber auch dort geht es nicht ohne Selbst-/Eigenverantwortung — und das will ich grundsätzlich eben nicht als Appel an eine Ideologie vom ’survival of the fittest‹ verstanden wissen, sondern in dem Sinne, dass man als Individuum zwar immer im gesellschaftlichen Kontext eingespannt ist, aber sich nie einfach aus der Eigenverantwortung verabschieden darf und zwar in dem Sinne verstanden, dass es unser ureigenes menschliches Bestreben sein sollte, selbstbestimmt leben zu wollen. Ich vermeide hier das Wort ›frei‹, weil es von den hardcore (Neo)Liberalen schon lange besudelt worden ist — deswegen ’selbstbestimmt‹.

    Und in dort vertrete ich, auch wenn dies meine ganz eigene und grösste Baustelle ist, die Auffassung, dass wir im Sinne eines Existentialismus dazu gezwungen sind, zu entscheiden, zu handeln; denn auch nicht Entscheiden und nicht Handeln sind Entscheidungen, die ihre Konsequenzen zeitigen werden.

    Aber hier drehen wir uns dann auch im Kreis, denn wie will man an Kinder, die niemals das notwendige Rüstzeug fürs Leben an die Hand gekriegt haben, an so etwas wie Eigenverantwortung appellieren? Solche Dinge auch nur zu erwähnen, ist für die genau so unverständlich wie eine fremde Sprache, die sie nie auch nur im Ansatz erlernt haben.

    Ganz ehrlich: ich habe auch keinerlei Lösung zur Hand und kann nur die Muster dahinter aufzeigen. Das einzige, was bleibt, ist es selbst anders zu machen, innerhalb des zur Verfügung stehenden Handlungsspielraum.
    Und ich denke nicht, dass Pädagogen in ihrer Funktion mit solchen Kindern wirklich etwas reissen können, weswegen ich verstehen kann, dass niemand das mehr machen will.

  19. der Diskurs ist heute in dieser Hinsicht genau so dichotom wie in den 60er oder 70er — nur mit umgekehrten Vorzeichen“
    Nein. Das eine dient der Familie und damit der Gesellschaft, das andere ihrer Zerstörung und damit der Macht. Das eine Modell ist Evolution, hat daher alle Menschen als Basis, das andere wird von wenigen durchgesetzt. Na gut, die Monogamie fällt ein wenig raus.

    der Impuls bei vielen ist die Forderung nach dem Griff zum Rohrstock“
    Ich weiß nicht mehr, ob meine klaren Aussagen nur mißverstanden werden. Ich habe den Rohrstock nicht gefordert, sondern als Symbol als Alternativlos hingestellt, wenn man jetzt den Kurs ändern wollte. Das ist nichtmal der Fall, die hiesigen Zustände werden vorsätzlich herbeigeführt. Deshalb halte ich auch Epikurs „die haben wir aus guten Gründen überwunden“ für einen Fehlschluß. Wenn sich im Anschluß der Überwindung der schwarzen Pädagogik Anstandsverwahrlosung verbreitet, ein schöner Begriff, war die Überwindung dann gut? Ist es Ursache? Haben beide dieselbe Ursache?
    Wenn Schwarzsehen nichts hilft, ist Weißsehen noch lange keine Lösung, sondern diese nur eine Behauptung. Schwarzsehen nützt immerhin der Erkenntnis um die Realität, Weißsehen ist Träumerei. Selbst wenn sämtliche Schulen und Lehrer gegen die Anstandsverwahrlosung ankämpften, wie erfolgreich können sie sein, wo doch an allen Fronten mit allen unbegrenzten Mitteln alles gute und richtige zerstört wird. Gegen was sie ankämpfen, steht seit spätestens Corinna ohnehin im Raume.
    In der Tat bin ich Ahnungslos, das sagte ich, aber ich beobachte, soweit es mir möglich ist.

  20. Ja, da bin als überzeugter aber unglücklicher Familienmensch soweit bei dir, allerdings kann man den Umstand, dass Frauen lange gegängelt worden sind, sicherlich nicht einfach in Abrede stellen.

    Man bedenke, wie lange sie in der CH ohne die Zustimmung des Ehemannes keiner Arbeit nachgehen durften, keine eigenen Konten besitzen etc. pp.

    Schön war das nicht, und dies wie auch immer legitimieren zu wollen, muss zumindest hinterfragt werden.

    Aber völlig klar, heute gilt die Kampfansage der Familie und damit der letzten tragenden Struktur innerhalb vieler Gesellschaften. Da ist das Europa nördlich der Alpen ein ganz schlechtes Beispiel.

    Und da muss ich auch erwähnen, dass es in unseren linken Kreisen damals Ende der 90er und den frühen 2000er, bevor ich den Ausstieg genommen hab, sehr en vogue, die Ehe/Familie als Miniformat des verhassten Staates zu diffamieren und sich dabei noch super progressiv zu fühlen. Vermutlich war schon unsere Generation mehrheitlich in dysfunktionalen Familien grossgeworden, dass es da so wenig Sensibilität gegeben hatte.

    Dort schliesst sich dann wiederum der Kreis zu den erzieherischen Defiziten bei den Kindern. Eine derart amorphe Gesellschaft, in der Egozentrismus und völlige Beliebigkeit hinsichtlich aller menschlichen Werten vorherrscht, braucht sich niemand zu wundern, warum die Kinder keinen Deut besser aufgestellt sind als ihre ellenbogenkämpfenden Eltern.

    Aber in Hinsicht solcher Werte bin ich sowieso heilloser Sturkopp. Man könnte heute Ehe auch gleich auf Zeit festlegen und nicht mehr länger verlogen als ›Bund fürs Leben‹ bezeichnen, da die Leute kaum mehr bereit sind, nach der ersten verflogenen Verliebtheit an einem tragenden Band innerhalb einer Beziehung zu arbeiten. Erstaunt stellen sie dann fest, oh, das war es dann wohl nicht mit der grossen Liebe, ohne das Wesentliche festzustellen: dass Liebe auch Solidarität und Loyalität zwischen den Partner erfordert und man sich immer wieder neu zusammenraufen und einen fairen Ausgleich suchen muss.

    Sinnbildlich für die Wegwerfgesellschaft werfen auch Mensch sich gegenseitig weg, oft auch gleich noch die eigenen Kinder hinterher, weil man nach 8–9 Jahren gescheiterter Beziehung merkt, dass man noch nicht gelebt hat und dies dann mit 35–40 nochmals verzweifelt versucht nachzuholen, rücksichtslos, ob dann das eigene Kind unter die Räder kommt — drauf geschissen.

    Diese Erscheinungen habe ich selbst schon als Jugendlicher im Bekanntenkreis meiner Eltern gesehen und erlebe es seit 4,5 Jahren unter heftigsten Schmerzen selbst mit meiner Ex-Partnerin und dem Junior.

  21. @Udo

    « Wenn sich im Anschluß der Überwindung der schwarzen Pädagogik Anstandsverwahrlosung verbreitet, ein schöner Begriff, war die Überwindung dann gut? Ist es Ursache? Haben beide dieselbe Ursache?
    Wenn Schwarzsehen nichts hilft, ist Weißsehen noch lange keine Lösung«

    Irgendwie scheint mir, bist Du auch im »Entweder Oder« gefangen. Im Schwarz-Weiß-Denken. Es gibt häufig ein »Sowohl als Auch!« Es gibt eben viele Möglichkeiten »konsequent« zu sein, ohne die Kinder dabei zu misshandeln. Wäre ein Thema für einen eigenen Beitrag.

    Das Problem ist nicht die Abschaffung der »Schwarzen Pädagogik«, sondern, dass viele Eltern einfach gar nicht mehr konsequent sind oder sich trauen, aufgestellte Regeln, die bewusst missachtet werden, auch mit Sanktionen zu belegen — und, das dann auch durchzuziehen. Details würden hier jetzt zu weit führen.

  22. dass Frauen lange gegängelt worden sind, sicherlich nicht einfach in Abrede stellen.“
    Sprachtrick. Männer sind ebensolange gegängelt worden. Männer wurden schon immer mehr als Frauen gegängelt, heute mehr denn je. Das man darauf überhaupt hinweisen muß…

    ohne die Zustimmung des Ehemannes keiner Arbeit nachgehen durften“
    Da das für Deutschland geltend eine stetig wiederholte Lüge ist, glaube ich das für die Schweiz erst mit Beweis in Form von §§. Für Bankkonten dasselbe. Und für etc. pp. auch.
    Und weil zum Geschlechterverhältnis ständig gelogen wird, stelle ich ganz schwarzseherisch alles, jede einzelne gegnerische Behauptung einfach in Abrede.

    da die Leute kaum mehr bereit sind“
    Vor allem Frauen neigen zur Trennung.

    Sinnbildlich für die Wegwerfgesellschaft werfen auch Mensch sich gegenseitig weg“
    Vor allem Frauen. Vor allem Frauen werfen ihre Männer weg. Vor allem Mutti wirft ihre Kinder weg, denn nur sie benutzt sie als Waffe gegen den nunmehr Verhaßten. Und anschließend, das klaue ich mal, macht sie die Jungs zu Männer, die sie selbst niemals daten würde.

    Die Moral von der Geschicht‹: Übernimm auch die Sprachregelungen des Gegners nicht. Denn sonst gehen deine Argumente flöten.

  23. Irgendwie scheint mir, bist Du auch im »Entweder Oder« gefangen.“
    Ja, das ist wohl so, obwohl ich ja weiß, das was dazwischen ist. Nur frage ich mich halt immer, was das Streben ins Grau Richtung Weiß werden soll, wenn davor die schwarze Barriere das verhindert. Weil 80 Millionen nicht die schwarze Barriere angehen wollen, bekommen wir nun eine Diktatur, anscheinend Weltweit. Lieber befassen sie sich mit Projekten des Zusammenlebens, neue gemeinnützige Geschäftsmodelle, wohl wissend, das diese unter vollständigen Vorbehalt stehen werden. Bestrafungsaktionen laufen ja längst. So werden also 80 Millionen die kommende Diktatur mit allen ihren Folgen zugelassen haben werden, aber von nichts gewußt haben wollen. Ohne Entweder kein Oder und damit keine Endpunkte und damit kein Dazwischen.

    dass viele Eltern einfach gar nicht mehr konsequent sind“
    Oder genereller: Das auch Eltern ihre Kinder weder 5 Minuten Nachenken noch Nachlesen wert sind, etwa Kinder als Verkehrsteilnehmer oder auch nur Gesellschaftsfähig („Die Menschheit ist sich ziemlich einig
    Man sagt kollektiv, ich sei peinlich
    Dies Urteil ist relativ schlecht
    Aber leider gerecht“).

  24. Diese Erscheinungen habe ich selbst schon als Jugendlicher im Bekanntenkreis meiner Eltern gesehen und erlebe es seit 4,5 Jahren unter heftigsten Schmerzen selbst mit meiner Ex-Partnerin und dem Junior.

    Angesichts solcher Rosenkrieg-Schilderungen und der Trennungs- und Scheidungswelle im eigenen Verwandten- und Bekanntenkreis bin ich mir nicht sicher ob ich da wirklich was verpasst habe. Die glückliche Ehe erscheint mir doch eher immer mehr die Ausnahme bzw. man will schon gar nicht mehr wissen wie’s hinter der Fassade scheinbar glücklicher Beziehungen aussieht. Die Unduldsamkeit bei auftauchenden Problem gleich das Handtuch zu schmeißen nimmt gefühlt kontinuierlich zu, so wie die psychische Belastbarkeit abnimmt. Die Vergleichsmöglichkeiten und die Partneralternative sind ja jetzt auch — scheinbar — nur noch einen Klick entfernt. Also wozu sich mit einer Kopfwehpartie lange herum ärgern, wenn man doch besseres verdient hat.
    Ich hab das mal an einer meiner Stammbaumlinien verfolgt: soweit es bis ins 18. Jh. zurückreichte wurde über Generationen innerhalb des gleichen Dorfes geheiratet. Und dann mit Beginn des 20. Jh. und der modernen Medien- und Mobilitätsgesellschaft ... puff, hat sich alles innerhalb von zwei Generationen aufgelöst. Heute wohnt keiner mehr in dem Dorf. Die letzte dort ansässige Verwandte starb kürzlich, das Haus wurde verkauft. Was bleibt ist eine unstete, ruhelose, entwurzelte Gesellschaft.

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