Ziegenjournalismus (9): Framing

Haben Journalisten den Mut, die Hand zu kritisieren, die sie füttert?

Die Rubrik »Ziegenjournalismus« will sich mit den ganz alltäglichen und üblichen Methoden der Mainstream-Presse beschäftigen. Der Verlust der Deutungs- und Meinungshoheit sowie der Glaubwürdigkeit großer Medienhäuser, hat eben nicht erst mit den Social-Media-Phänomenen, vermeintlichen Fake News, »Verschwörungstheorien«, »Putintrollen«, den Lügenpresse-Vorwürfen oder mit dem »Populismus« angefangen, sondern schwelt im Hintergrund schon seit Jahrzehnten. Der große Glaubwürdigkeitsverlust der Massenmedien hat viele selbstverschuldete Ursachen. Diese Rubrik will einige davon näher beleuchten. Heute geht es um »Framing«.

Was bedeutet »Framing«?

»Framing (Einrahmung) stellt in der Medienwirkungsforschung ein Bindeglied zwischen der Themensetzungsfunktion (Agenda Setting) und der gezielten Einstellungsänderung dar. Medien haben die Möglichkeit, bei der Behandlung von Themen und Ereignissen bestimmte Teilaspekte des Themas hervorzuheben und andere zu vernachlässigen. [...] Diese Einordnung eröffnet aber auch Spielräume für eine beeinflussende oder einseitige Berichterstattung.«

Bundeszentrale für politische Bildung

Das Wörterbuch der Journalistik führt weiter aus:

»Ein Frame ist ein Bezugsrahmen bzw. Interpretationsschema, also jene Perspektive, aus der wir ein Problem oder Ereignis betrachten. [...] Frames definieren, worin ein Problem besteht, identifizieren die Faktoren, die das Problem verursachen, und schlagen Lösungsmaßnahmen vor. [...] Andere Studien zeigen, dass Framing im Lichte bestimmter Werte auch Meinungen beeinflussen kann

Journalistikon. Wörterbuch der Journalistik.

Moralinsaure Parteilichkeit
Und genau darum geht es beim »Framing«: die gezielte Beeinflussung und Steuerung der öffentlichen Meinung. Politiker und Medien verwenden häufig diese Methode, um bestimmte Themen, Sachverhalte und Ereignisse schon im Vorfeld in einen bestimmten Wertekanon einzuordnen und einzubetten. Sie tun es, weil sie eigene Interessen und Ziele verfolgen, weil sie bestimmte Debatten unterdrücken oder weil sie spezifische Narrative untermauern wollen. Außerdem ziehen sie damit schon die Rahmen-Leitplanken für den Diskurs fest. Das geht dann beispielsweise so:

»Thüringens Innenminister sieht Corona-Leugner klar rechts motiviert.«

welt.de vom 7. Juni 2022

Wer ist denn eigentlich ein »Corona-Leugner«? Was sind hier die Kriterien? Der Begriff hat nicht nur zufällig eine Nähe zu »Klima-Leugner« und »Holocaust-Leugner«. Er ist negativ konnotiert und soll eine bestimmte Gruppe von Menschen und Einstellungen abwerten und aus dem Diskurs ausschließen. Hier wird jede noch so legitime Kritik in ein nicht diskursfähiges Umfeld eingebettet, um letztendlich, jedes Argument gegen Impfung und Corona-Maßnahmen zu diskreditieren. Das Framing lautet hier: Kritik an den Corona-Maßnahmen ist Nazi. Genau das lesen wir seit über Zwei Jahren immer und immer wieder.

Da diese Diffamierungsmethode von legitimer Kritik oder alternativer Analyse, offenbar ziemlich erfolgreich war,  wird sie nun ständig wiederholt. Beim aktuellen Ukraine-Konflikt wird dann so geframt:

»Verschwörungsmythen zum Krieg gegen Ukraine: Ungeimpfte und AfD-Wähler besonders anfällig.«

Redaktionsnetzwerk Deutschland vom 5. Mai 2022

Oder auch so:

»Putin-Fans und Corona-Leugner.«

tagesschau.de vom 26. April 2022

Feindbildaufbau
Wer also die Corona-Maßnahmen kritisiert, ist ein Nazi. Wer die Corona-Impfung ablehnt, ist ein genereller »Impfgegner« (und kein Skeptiker, was nur diese Impfung angeht). Wer die Hintergründe und Ursachen des Ukraine-Konfliktes beleuchten will, gegen Waffenlieferungen und für mehr Diplomatie ist, der ist ein »Putin-Fan«, »Putin-Versteher« oder »Kreml-Knecht«. Außerdem sind das natürlich alles Verschwörungstheoretiker, Nazis und AfD-Freunde. Das Framing funktioniert hier über häßliche Etikettierungen, Ad Hominem und Dreck-Werfen, damit die Personen(gruppen) als unhaltbar und ihre Argumente als nicht diskussionswürdig bewertet werden. Wer ihnen dennoch einen Raum dafür gibt, unterstütze damit Nazis — muss also ge-cancelt werden!

Je intensiver jedoch das Framing von Politikern und Medien verwendet wird, desto schneller nutzt sich diese Methode aber auch ab. Immer mehr Menschen durchschauen diese offensichtlichen Diffamierungsmethoden von Tagesschau, Tagesspiegel, »Volksverpetzer« oder den diversen »Faktencheckern«. In der großen Öffentlichkeit (und nicht im kleinen Pupsblog wie diesen hier) finden weiterhin über die relevanten großen Themen keine öffentlichen Diskussionen über das Pro und Contra statt. Und wenn doch, dann nur, um eine Position als unhaltbar zu klassifizieren und sie im bestmöglichen Haltungsjournalismus komplett niederzumachen.

Ulrike Guérot wurde beispielsweise zum Thema Ukraine-Konflikt in der Lanz-Sendung vom 2. Juni 2022, von allen Beteiligten inklusive dem Moderator Markus Lanz (!), ständig beleidigt, beschimpft und unterbrochen. Grundregeln einer wertschätzenden Kommunikation wurden eklatant missachtet. Eine faire sowie demokratisch-liberal-freiheitliche Debattenkultur, sieht komplett anders aus. Das ausufernde Framing und der damit indirekte Versuch, das Publikum ideologisch umerziehen zu wollen, tragen aktiv dazu bei, dass sich immer mehr Menschen von den Alt-Medien angewidert abwenden.

Gleichschaltung?
(Kleine Replik hierzu) Darf man überhaupt von »Gleichschaltung« sprechen, wenn beim Thema »Corona« oder beim »Ukraine-Konflikt« fast alle großen Verlagshäuser die gleiche Linie und Haltung fahren? Natürlich nicht, weil der Begriff auf die Nazi-Diktatur begrenzt sei und weil es kein zentrales Staatsorgan geben würde, dass die Inhalte bestimmt. Ist das aber relevant, wenn es faktisch eine große Konformität und Übereinstimmung der öffentlichen Narrative gibt? Spielt es irgendeine Rolle für den Rezipienten, ob das nun zentral gesteuert wird oder ob Medien-Mechanismen, Tendenzschutz oder Angst vor Repressionen, die Gründe und Motive für die offensichtliche »Gleichschaltung« sind?

Ständig zu behaupten, dass »Gleichschaltung« ein Nazi-Begriff sei und man dürfe ihn deshalb nicht verwenden, sorgt vor allem dafür, die Augen genau davor zu verschließen. Schließlich gebe es so etwas nur in ganz schlimmen Despotien und Diktaturen. Und Deutschland ist ja nach wie vor das Paradies. Mit kleinen Schwächen und Fehlerchen. Niemand behauptet, dass wir hier Zustände wie in Nordkorea oder Saudi-Arabien haben! Nur jedwede Kritik an den Auswüchsen der hiesigen Massenmedien erst dann sehen zu wollen, wenn es bereits zu spät ist, zeugt nicht gerade von analytischer Weitsicht, sondern von bürgerlicher Bequemlichkeit.


Drei gute Videos zur Ergänzung und Vertiefung. Giuseppe Gracia zur Diskursverengung:

Milena Preradovic und Marcus B. Klöckner zur aktuellen Situation des Journalismus:

Michael Fleischhacker von Servus TV über die deutsche Streitkultur, Cancel-Culture und Meinungsfreiheit:


Ziegenjournalismus (1): Advertorials
Ziegenjournalismus (2): SEO
Ziegenjournalismus (3): Kriegspropaganda
Ziegenjournalismus (4): Zitate
Ziegenjournalismus (5): Personalisierung
Ziegenjournalismus (6): Gleichschaltung
Ziegenjournalismus (7): Meinungsfreiheit

4 Gedanken zu “Ziegenjournalismus (9): Framing

  1. Alles richtig, nur was tun wir jetzt dagegen?
    Vielmehr als die zu unterstützen, die sich nicht am Framing beteiligen, fällt mir nicht ein. Das ist übrigends nicht der Springer-Konzern, auch wenn die BILD in letzer Zeit häufiger zweigleisig gefahren ist.

  2. Starker Artikel.
    »Nur jedwede Kritik an den Auswüchsen der hiesigen Massenmedien erst dann sehen zu wollen, wenn es bereits zu spät ist, zeugt nicht gerade von analytischer Weitsicht«...
    ...und ist nicht ungefährlich. Demokratie stirbt, wenn Freiheit noch formell vorhanden ist, wenn die Meinungsfreiheit auch formell flöten ist, ists zu spät.
    1932 hatte die NSdAP zwei Millionen Stimmen verloren bei der letzten freien Wahl der Weimarer Republik, was viele beruhigt hat und manchen schon hämisch hat feixen lassen über Hitlers Niedergang.

  3. Fleischhacker ist ein kluger Kopf, in einem irrt er aber. Der Verfall der Meinungsfreiheit, gepaart mit einer Hetze, die mit der heutigen schon mithalten konnte, begann nicht erst 2015, sondern schon 20 Jahre früher, gegen klassisch linke Werte und ihre Vertreter.
    Letztlich macht das journalistische Establishment nach was das systemische Establishment vorgemacht hat- mit dem schleichenden Tod der neoliberalen Wirtschaftsdogmen, der seit 2008 läuft und heute beinahe vollendet ist, hat man sich zunehmend auf die zweite und dritte Säule der neoliberalen Epoche verlegt, Idenditätspolitik und salonlinker Internationalismus (nicht zu verwechseln mit der Idee der Völkerverständigung), letzterer essentiell mitverantwortlich für die Ukrainekrise.

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