Wenn Unrecht zu Recht wird

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Nun wurde es also beschlossen. Die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes, das nun alle Corona-Maßnahmen seit März 2020 auch rückwirkend als rechtskräftig legitimieren soll. Medien und Politik widersprachen vehement der Kritik, dass damit ein modernes »Ermächtigungsgesetz« in Stein gemeißelt wurde. Interessant ist (mal wieder), dass Tagesschau, Tagesspiegel, Welt, Spiegel, ZEIT usw. das Gesetz überhaupt nicht in ihren Artikeln verlinken. Warum eigentlich nicht? Was aber steht denn konkret im Gesetz? Schauen wir uns das Horrorkabinett staatlicher Machtausübung einmal genauer an. Sind die Demonstranten wieder mal alles nur Spinner, Verschwörungstheoretiker, Schwurbler und Nazis? Oder haben sie ernsthafte Bedenken um unsere Demokratie?

Im dritten Gesetz »zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite« heisst es beispielsweise zum Thema Risikogebiet:

»ein Gebiet außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, für das vom Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit einer bestimmten bedrohlichen übertragbaren Krankheit festgestellt wurde; die Einstufung als Risikogebiet erfolgt erst mit Ablauf des ersten Tages nach Veröffentlichung der Feststellung durch das Robert Koch-Institut

Hier wurde das Wort »schwerwiegend«, durch »bedrohlich« ersetzt. Was bitte ist eine »bedrohliche übertragbare Krankheit«? Das kann letztlich alles sein. Und ist somit ein Blankoscheck für das RKI und die Politik. Es gibt hier keinerlei Richtwerte, Kriterien oder Faktoren, sondern nur Adjektive, die beliebig und willkürlich verwendet werden können. Besonders der § 28a sorgt für großen Unmut. Haltet euch fest:

  • 1. Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum
  • 2. Anordnung eines Abstandsgebots im öffentlichen Raum
  • 3. Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung (Maskenpflicht)
  • 4. Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von Einrichtungen, die der Kultur- oder Freizeitgestaltung zuzurechnen sind
  • 5. Untersagung oder Beschränkung von Freizeit‑, Kultur- und ähnlichen Veranstaltungen
  • 6. Untersagung oder Beschränkung von Sportveranstaltungen
  • 7. Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 33 oder ähnlichen Einrichtungen sowie Erteilung von Auflagen für die Fortführung ihres Betriebs
  • 8. Untersagung oder Beschränkung von Übernachtungsangeboten
  • 9. Betriebs- oder Gewerbeuntersagungen oder Schließung von Einzel- oder Großhandel oder Beschränkungen und Auflagen für Betriebe, Gewerbe, Einzel- und Großhandel
  • 10. Untersagung oder Erteilung von Auflagen für das Abhalten von Veranstaltungen
  • 11. Untersagung, soweit dies zwingend erforderlich ist, oder Erteilung von Auflagen für das Abhalten von Versammlungen oder religiösen Zusammenkünften
  • 12. Verbot der Alkoholabgabe oder des Alkoholkonsums auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder zu bestimmten Zeiten
  • 13. Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von gastronomischen Einrichtungen
  • 14. Anordnung der Verarbeitung der Kontaktdaten von Kunden, Gästen oder Veranstaltungsteilnehmern, um nach Auftreten eines Infektionsfalls mögliche Infektionsketten nachverfolgen und unterbrechen zu können
  • 15. Reisebeschränkungen.
  • Die Anordnung der Schutzmaßnahmen muss ihrerseits verhältnismäßig sein.

Wie in den letzten acht Monaten beschließen Regierung und Gesundheitsministerium einfach selbst, ob und wie lange »die epidemische Lage von nationaler Tragweite« noch gegeben ist oder nicht. Es gibt keine demokratische oder unabhängige Expertenkommission. Kein Gremium. Keinen Ausschuss. Nichts. Das RKI ist nicht unabhängig, sondern dem Gesundheitsministerium unterstellt. Es wird vom Bundeshaushalt finanziert. Darüber hinaus, welche Kontrollinstanz soll bitte festlegen, ob die Maßnahmen »verhältnismäßig« sind? Hat ja in den letzten 8 Monaten schon hervorragend geklappt! Maskenpflicht für Gebärende. Maskenpflicht bei Nacht und für bestimmte Straßen. Meldeportal der Stadt Essen. Und so weiter. Da können wir uns noch auf viele, ja, auf sehr viele »verhältnismäßige Maßnahmen« freuen und dann versuchen, unsere Grundrechte vor Gericht wieder einzuklagen.

FDP und Linke stehen hier noch als Enthaltung (blau), dabei haben sie fast geschlossen das Gesetz abgelehnt (rosa), was man bei der namentlichen Abstimmung sehen kann. Wurde hier immer noch nicht angepasst. (bundestag.de)

Wie wir hier sehen, haben CDU/CSU, SPD und Grüne für das Gesetz gestimmt. (Hier die komplette Abstimmungsliste). Vermutlich wollen die Grünen nächstes Jahr noch an einer schwarz-grünen Regierungskoalition beteiligt sein. Es ist traurig für die Demokratie, wenn die große Kritik vor allem von der AfD kommt, die zahlreiche Anträge (Hygiene statt Verbote, Einrichtung einer Epidemiekommission, parlamentarische Kontrolle bei Grundrechtseingriffen  etc.) zu dem Gesetz eingereicht hat. Nun geben die Politiker es auch ganz offen zu: »getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie führten teilweise zu erheblichen Eingriffen in grundrechtliche Freiheiten.« Das war bis vor ein paar Monaten noch Schwurbler-Sprech. Viele halten das immer noch für eine realitätsferne These von Aluhüten und Spinnern. Selbst wenn es wortwörtlich im Gesetz steht. Kognitive Dissonanz und Realitätsverdrängung haben Hochkonjunktur.

Bombastisch ist übrigens auch Artikel 7:

»Einschränkung von Grundrechten

Durch Artikel 1 Nummer 16 und 17 werden die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt

Demonstrationsverbote. Ordnungsämter, Polizei und/oder Bundeswehr machen demnächst wohl Hauskontrollen. Schließlich hat Klabauterbach schon mal eine Testbombe geworfen. Darauf könnt ihr euch alle freuen, liebe Maßnahmen-Befürworter! Schuld ist natürlich nicht die Regierung, die so ein Gesetz beschließt, sondern die Maskengegner, die Party-People und die Covidioten! Außenminister Heiko Maas stellt zudem klar:

Der Spiegel kommentiert lapidar: »Die Änderungen im Gesetz sollen Maßnahmen zum Schutz vor der Corona-Pandemie auf eine sicherere rechtliche Grundlage stellen.« Aha. Was waren sie denn dann davor? Rechtswidrig? Verfassungswidrig? Willkür? Wird das hier etwa subtil zugegeben?

Fazit
Ganz ehrlich, wer hier nicht laut aufschreit, sich wegduckt oder relativiert — der ist und war niemals ein wirklicher Demokrat! Dieses Gesetz ist faktisch ein »Ermächtigungsgesetz« für das Bundesgesundheitsministerium und die Bundesregierung. Diesen Institutionen ‑mit diesen weitreichenden Vollmachten ohne Kontrollinstanz- einfach blind zu vertrauen, ist nicht nur fahrlässig, sondern auch sehr naiv. Bis heute fehlen wissenschaftliche Evidenzen zur Wirksamkeit der Lockdowns. Stattdessen hören wir seit Monaten Appelle von Mutti Merkel, kluge Ratschläge von Klabauterbach und einseitiges Dr. Wasserschaden-Geschwurbel.

Ich habe mal eine grundsätzliche Frage: wurde das Grundgesetz nicht genau für den Fall geschaffen, um eine Staatskrise zu überleben? Ist eine Krise nicht genau der Test dafür, um zu beweisen, auf welch starken Füßen das Grundgesetz steht? Oder kann nun jedwede Krise als Argument dafür verwendet werden, das Grundgesetz zu schleifen? Was ist es denn dann noch wert? Der 18. November 2020 wird als Zäsur in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eingehen. Denn dieses Gesetz zementiert den Machtwillen zum Abbau der Demokratie. Zum Schluss noch ein bisschen Bürgernähe von Karl Lauterbach:

Einen hab ich noch. Auszug aus dem Gesetz. Unter Punkt C, Seite 3 steht:

»Alternativen: Keine.«

Ja. So kennen und lieben wir unsere Kanzlerin.

Okay. Okay. Noch einer. Der ist zu gut:

»Nie ist ein Gesetz so missverstanden worden, heißt es aus Merkels Union.«

Nein, Nein, wir wollen die Grundrechte gar nicht massiv einschränken, auch wenn es explizit im Gesetz steht! Wir wollen euch alle nur beschützen und helfen! Wir sind die Guten! Bitte, habt einfach Vertrauen, ja? *liebguck*

Na gut. Noch ein Leckerli. Etwas zynisches Neusprech:


Corona-Dokumente
LINKE gegen Ermächtigungsgesetz
Mit Vollgas in die Verordnungsdiktatur
Coronoia: Bundestags-Drucksache 19: 24334
Infektionsschutzgesetz: Der 18.11.2020 könnte ein (bitterer) historischer Tag werden
Demo in Berlin: Der Spiegel verniedlicht Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten

51 Gedanken zu “Wenn Unrecht zu Recht wird

  1. @ Tiffany (Ihr Kommentar von Montag, 30. November 2020, 07:50 Uhr »an die Sonne, die in die falsche Richtung scheint«)
    Ich bitte Sie höflichst, mir nicht meine Wahrnehmung abzusprechen.
    Nach meinem Kommentar von Freitag, 27. November 2020, 17:11 Uhr, in dem ich Software für virtuelle Konferenzen, die man wohl auch privat benutzen könne, erwähnte, erschien gleich danach Ihr Kommentar (27. November 2020) um 17:29 Uhr, in welchem Sie, ich zitiere Sie, »Weihnachten per Videoschalte« erwähnten.
    Insofern hat Ihr Kommentar sehr wohl etwas mit meinem Kommentar zu tun.
    Wenn Sie meinen, ich würde mir — ich zitiere Sie — »die Anmaßung nehmen zu glauben, Ihr Kommentar hätte etwas mit meinem zu tun«, dann ist das Ihre Sache.
    Ich klinke mich hier aus.
    Salut,
    Le soleil

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