Presseblick (67)

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gamestar.de

Die Online-Medien werden immer kreativer, wenn es darum geht kostenneutral und günstig Inhalte Content und Werbeartikel zu produzieren. Da werden Leser aufgerufen Testberichte zu schreiben oder Youtube-Videos zu veröffentlichen, Gewinnspiele veranstaltet oder Werbegeschenke verteilt. Und um Adblocker zu umgehen, sind Content Marketing, Native Advertising sowie Advertorials keine Seltenheit mehr. Auch personalisierte Werbung ist heute digitaler Alltag.

Nach dem Lesertest bei gamestar.de beispielsweise, darf man das Headset im Wert von 170 Euro behalten. Wird der Lesertest auch veröffentlicht, wenn er kritisch ausfällt? Passiert das überhaupt, da man sich als Beschenkter nicht sowieso subtil bedanken will? Sollen Leser jetzt Advertorials verfassen, damit die Redaktion sich diesem Vorwurf nicht mehr aussetzen muss? Übrigens: Kommentare sind bei diesem Artikel natürlich nicht zugelassen. Oder man darf einen »User-Artikel« schreiben und anstatt angemessener Entlohnung gibt es gog.com-Gutscheine als Bezahlung, weil die Gamestar mit der Spiele-Plattform einen Werbe-Deal hat. So funktioniert heute der werbefinanzierte Online-Journalismus. Hurra! :jaja: 

Arbeitsmarkt
Wer immer noch glaubt, er/sie sei auf der Arbeit unersetzlich, wichtig oder sonst irgendwie menschlich bedeutsam, der muss sich nur einmal den O‑Ton von sogenannten »Wirtschafts-Experten« anhören:

»Kranke Mitarbeiter bedeute hohe Verluste für die Volkswirtschaft.«

»...auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten.«

»Dadurch entstehen Produktionsausfälle.«

Wen interessieren schon Menschen, Solidarität, Familien, Leidenschaften, Empathie oder Liebe, wenn der Profit in Gefahr ist? Auch das Thema Gesundheit wird nur unter dem Aspekt der ökonomischen Verwurstung betrachtet.

Politik
Das medial konstruierte Putin-Feindbild wird immer absurder:

RT Deutsch vom 18. Oktober 2017

RT Deutsch vom 18. Oktober 2017

Natürlich sollte man nicht den Fehler machen und einer binär-dual-polarisierenden Wahrnehmung verfallen. Bei diesem Propaganda-Spiel gibt es keine »Guten«. Nur einen Medien‑, Geheimdienst‑, Wirtschafts- und einen echten Syrienkrieg mit vielen Toten und Verletzten.

Flüchtlinge
Unsere Sytem‑, Kauf- und NATO-Presse hetzt systematisch die »Einheimischen« gegen die Flüchtlinge auf. Alle Welt redet über Putin, Erdogan, Trump, die AfD oder über die Flüchtlinge. Das kriminelle und menschenverachtende Treiben von Konzernen, Banken und Milliardären hat dann niemand mehr im Blick. Ich bezweifle, dass das Zufall ist. Die FAZ ist beim Teile-und-Herrsche-Spielchen ganz vorn mit dabei:

»Zuwanderung bringt mehr Kinder ins Hartz-IV-System.«

»Für die Flüchtlinge ist es – im Unterschied zu vielen Deutschen – von Vorteil, in das Hartz-System zu wechseln.«

faz.net vom 25. Oktober 2017

Wären Kommentare zugelassen, würden die AfD-Jünger sowie die Schrebergarten-Mitte-Michel-Biedermeier-Weltverleugner ihren üblichen menschenverachtenden Sermon dazu abgeben. Die Journalisten liefern dazu passende Steilvorlagen. Auch welt.de macht mit:

welt.de vom 23. Oktober 2017

welt.de vom 23. Oktober 2017

Hier werden einfach alle Menschen in einen Topf geworfen. Wer also eine französische Oma hat, gilt schon als Mensch mit Migrationshintergrund in dieser Statistik. So kann man auch perfekt Anti-Flüchtlings-Stimmung machen und den Eindruck erwecken, dass wir von fast 20 Millionen Menschen »überrollt« werden. Diese Propaganda-Masche klappt leider wunderbar. Ich komme mir selbst im privaten Umfeld langsam vor, wie ein einsamer Rufer in der AfD-Wüste.  :sick:

Medien
SEO bringt Online-Redakteure immer wieder dazu, über Dinge zu schreiben, worüber sie nichts sagen. Der Text selbst dient nur als Komposthaufen, um darin google-relevante Schlüsselbegriffe, Bilder und Videos einzubauen. Ich nenne sie mal »Nicht-Nachrichten«:

»Game of Thrones: Das Skript zum ersten Spin-off steht«

»Allerdings ist immer noch unbekannt, worum es in Serie #1 der fünf geplanten Prequels oder Sequels gehen soll.«

»Ob und wann ihr Skript tatsächlich umgesetzt wird, bleibt noch offen

ign.com vom 6. Oktober 2017

Wir haben also keine wirkliche News, tun aber mal so. Hauptsache schnell und die Ersten sein. Nicht selten werden still und heimlich genau solche Platzhalter-SEO-News später noch einmal aktualisiert und verändert. Vielleicht steht dann irgendwo klein in der Ecke »zuletzt aktualisiert am...«, meistens ist dieser Vorgang jedoch völlig intransparent. So als hätte es die Nicht-Nachricht, Falschmeldung oder Click-Bait-News nie gegeben.

Hier hat sich Sascha Lobo endgültig zum Verteidiger der bürgerlichen Massenmedien aufgeschwungen (spiegel.de vom 18. Oktober 2017)

Hier hat sich Sascha Lobo endgültig zum Verteidiger der bürgerlichen Massenmedien aufgeschwungen (spiegel.de vom 18. Oktober 2017)

Liebe
Früher gab es Soziologen, Psychologen und Philosophen, die weise Worte über zwischenmenschliche Beziehungen oder über das Phänomen der Liebe referiert haben. Heute gibt es Selbstoptimierer, Optimismus-Coacher und Mercedes-Benz-Kampagnen:

»Im Mittelpunkt stehen Menschen, die im Spannungsfeld zwischen coolem Erwachsenwerden und Spießertum das Lebensgefühl der neuen Kompaktwagen verkörpern.«

Wer braucht schon einen Erich Fromm mit der »Kunst des Liebens«? Heute genügen Glückskeks-Sprüche, kitschige Postkarten oder Werbe-Content-Artikel von Konzernen, um uns zu sagen, was Liebe wirklich bedeutet. Es lebe die konsumorientierte infantile Banalität! :jaja:


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2 Gedanken zu “Presseblick (67)

  1. Wieso verteidigt Lobo die bürgerlichen Medien? Er schreibt, dass sie nicht die Hauptschuldigen sind. Das kann ich teilen. Mir wäre neu, dass der Spiegel Soldaten nach Afghanistan schickt. Mir ist auch neu, dass die Bild Zeitung die Sozialleistungen kürzt.
    Sie setzen Politiker unter Druck. Die Verantwortung liegt immer noch bei einzelnen Menschen die final die Entscheidung treffen. Mir ist es zu einfach, es auf die Medien zu schieben. Damit nimmt man konkrete Personen in Schutz und gibt ihnen die Rechtfertigung sie könnten nicht anders handeln. Eine Andrea Nahles könnte anders handeln. Tut sie aber nicht, weil sie das Mantra des Marktes glaubt. Dieser Glaube kann aber ohne Probleme hinterfragt werden. Dann hat man aber nicht so viele Freunde in der Politik, der Wirtschaft und den Medien. Wer ist schon gerne allein...

  2. @chriwi

    Wo soll ich da anfangen? In Lobos Text gibt es eine ganze Reihe von denk- und fragwürdigen Bemerkungen. Beispielsweise diese hier:

    »Auch Verschwörungstheorien (Nachbarn der Medienschuld) bilden die Haltung ab: Irgendjemand muss doch verantwortlich sein, irgendjemand muss doch die Kontrolle haben in dieser absurden Welt! Hier entlarvt sich »Die Medien sind schuld« als quasireligiöse Perspektive, weil sie eine Allmacht der Medien beinhaltet.«

    Zunächst wird mal wieder allen Medienkritikern die Verschwörungstheorie-Keule (VT) um die Ohren gehauen. Denn dann muss man sich inhaltlich nicht mit dessen Argumenten befassen, was er folgerichtig dann auch nicht macht. Und wie wir alle wissen: VT´ler sind dubiose Spinner. Weshalb soll es in einer multipolaren, globalen und ach so mega-komplizierten Welt (was immer wieder als Defensiv-Argument beschworen wird) keine Verantwortlichen geben? Ist also Niemand verantwortlich? Der ominöse Markt regelt alles unsichtbar? Quasi-Göttlich? Ist eben so?

    »Wenn das »Warum« des Absenders fehlt, ergänzt das Publikum die Antwort oft selbst mit Erklärungen wie Käuflichkeit, Ideologie, Propaganda. Denn warum sollte die Motivation verschwiegen werden, wenn sie keine dunkle ist?«

    Nachdem Uwe Krüger, Rainer Mausfeld, die »Anstalt« und einige andere aufgezeigt haben, wie sehr unsere Journalisten von Spiegel Online, Welt, Zeit, Süddeutsche, FAZ und co. in transatlantischen Think Tanks, Organisationen und Geheimdiensten eingebettet sind, kann man so eine Aussage entweder süß, niedlich oder furchtbar naiv finden. Von den Redaktionsleitern wird der Tendenzschutz sowie eine ganz klare politische Linie vorgegeben. Wenn man sich nur die Medienskandale der letzten zehn Jahre anschaut, was da alles beschönigt, gelogen und zurecht gebogen wurde, dann weiß ich wirklich nicht, in welcher Filterblase Herr Lobo lebt.

    »Will sagen: Ich bin »die Medien«. Das hier ist deshalb auch eine Selbstverteidigung. Ich war nie Mitglied in einer Partei, aber verstehe mich als linksliberaler Verfassungspatriot und mit den üblichen Schmerzen rot-grün.«

    Da. Er verteidigt die bürgerlichen System‑, NATO‑, Kauf‑, Produkt- und Kuhmedien. Er sagt es doch ganz klar.

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