Der pädagogische Happen (6)

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Nach einem Elternabend. Eine Unterhaltung zwischen zwei Vätern.

Vater A: »Hey Michael, Du hast eben in der Vorstellungsrunde gesagt, Du bist gar nicht der leibliche Vater vom Lukas, sondern der »Bonuspapa«. Wo ist denn der echte Vater?«

Vater B: »Lukas ist alle zwei Wochen am Wochenende bei seinem leiblichen Vater. Ansonsten immer bei uns. Und das klappt ganz gut.«

Vater A: »Hast Du noch eigene Kinder?«

Vater B: »Ja, den Lukas.«

Vater A: »Ich meine, die von Dir sind. Sozusagen von Deinem Fleisch und Blut?«

Vater B: »Nein. Aber ich erziehe den Lukas seit über sechs Jahren und er ist die meiste Zeit über bei uns. Insofern betrachte ich ihn auch als meinen Sohn

Vater A: »Ja, aber er ist ja nicht wirklich von Dir!«

Vater B: »Relevant ist doch nicht, das genetische Besitz- und Habendenken, sondern die Zeit, die man aktiv mit dem Kind verbringt.«

3 Gedanken zu “Der pädagogische Happen (6)

  1. »Hast Du noch andere Kinder?« Ja, er »hat« den Lukas. Anstatt zu sagen, dass er sich um ihn kümmert.

    »Bonus-Papa« ist ein Sch...Wort. Aber was man wirklich mal sacken lassen sollte, ist der Spruch vom »genetischen (!) Besitz- und Habendenken«. Man könnte ja meinen, solche Leute ticken nicht richtig aber im Grunde haben die sich gut in den Widersprüchlichkeiten des Systems eingerichtet. Und da müssen halt schon mal neue »kreativ-kritische« Wortschöpfungen her. Ansonsten kommen die wohl mit »Besitz- und Habendenken« gut klar.

  2. Ist ein Thema, bei den ich dieses Haben- und Besitz-Denken, vielmehr aber noch das »Ich«-Denken auch gegeben sehe.
    Es ist sind ja nicht nur die Deutschen, die eine komische Besessenheit, was die biologische Herkunft von jemandem angeht, pflegen; die ganze Debatte um künstliche Befruchtung und Leihmutterschaft (Übersee!) folgt ja den selben Gesetzen. »Nein, es soll kein Kind von Fremden sein, es muss unbedingt eines von MIR sein!«
    Gut, in den USA dürfte es auch irgendwelche Beschränkungen bezüglich Adoptionen und Pflegekindern geben, hier hat man den Eindruck, als wären die Hürden da höher (man guckt letztendlich auch daran, dass keine 50-Jährigen sich jetzt ein Kleinkind zu sich holen und es besteht nicht einmal die hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein Elternteil den 18ten Geburtstag seines Kindes noch miterleben wird), dafür ist dort aber dafür auch das Denken verbreiteter, seine Zellen einfach auf Eis zulegen und mit 40 dann anzufangen, blutseigene Kinder zu kriegen — siehe die Kampagne von Apple für seine hohen Mitarbeiter, die Kosten für Eizellen-auf-Eis-legen zu übernehmen, um es als Prestige-Konjunkturprogramm für mehr »weibliche Führungskräfte« zu verkaufen. Mit anderen Worten: Es werden sehr viel die technischen Fähigkeiten der Medizin heraufbeschworen und das hat ja auch seine Hintergründe, dass das so sein soll.
    Und die Leute, die es sich leisten können, fressen es auch. Anstatt sich mit den Gegebenheiten abzufinden, die ihnen die Natur oder ihr »Lebenslauf« (an der Stelle muss man einmal auf die viel-beschworene »Eigenverantwortung« einschlagen) eingebracht haben.
    Es wird von verschiedenen Seiten konstant vermieden, denjenigen die Realität zu vermitteln »das ist jetzt das Resultat eures Lebenslaufes oder einfach »Schicksal« von der Natur«, statt dessen streichelt man lieber das (von manchen zu groß geratene) Ego und investiert darin, dass die Leute ihren egoistischen Gepflogenheiten weitergehen können — so wie das mit allen anderen Sachen auch immer schon so ist (insofern man sie sich leisten kann...).
    Kein Widerstand, kein »Jetzt ist mal genug!«.
    Und genau dieses Befeuern, dieses stetige Aufrechterhalten von »wir können das Leben nach euren Wunschvorstellungen verbiegen«, offenbart eigentlich den wahren Charakter, was hinter all dem steckt. Um was es dabei geht. Es geht nicht um unerfüllte Kinderwünsche, denn wenn es wirklich um die Kinder ginge, würden sie sich sonstwoher ein Kind besorgen, genauso wie man Sachen in Kauf nimmt, wenn man ein ungeborenes loswerden will und die Gesetze des eigenen Staates es nicht erlauben (der muss sein...). Sie würden nicht zu Arzt gehen und das als »einzige Möglichkeit« ansehen, doch noch einem habhaft zu werden. Das »habhaft« stimmt dann nur an der Stelle, wenn es um eines geht, was die eigenen Gene in sich tragen soll.

  3. Ein Ausdruck des langen Schattens männlicher Phantasien über Blutverwandtschaft. Es ist nicht von dir, so das Diktum. Nein, wer anderer hat abgespritzt, sollte die rechte Antwort sein. Jedenfalls, ein mächtiger Vorgang,wie fraglos zur Elternschaft gegangen wird. Ein mächtiger Normkanal. Ein Leben ausserhalb der Stationen im Arkadengang des Lebens ist nach wie vor unbehaglich. Nicht selber abgespritzt, ja gar überhaupt kein Kind im Hause etwa, allein oder zu zweit dahin leben,kein Auto und kein Haus, auch keinen Hund. Der Suspekt wird zusehends größer. Die Jungelternschaft, das Anrichten einer Bleibe, der Nestbau, hier kann man tief rumorende Triebe im Akt beobachten, die projektive Kraft des sinngefüllten Aufbrechens zu den Stationen des Lebensganges glitzert in den Augen. Und doch ist es nichts als eine Norm, die, einmal aufgestochen, ihren Sinn verliert. Der Ausfluss des Sinnes aus der Norm,ihre Einhegung, mündet regelmäßig in die Leere und die Angst. Man gerät in die Defensive gegenüber der Welt. Ihr Soll-Angebot hat man ausgeschlagen und sie offenbart ihre Sinnlosigkeit als Rache. Dort angelangt, gibt es nicht mehr viel zu sagen. Das Existieren kommt so zu ruhigerer Sukzession, man stolpert über Bruchstücke, die vormals Vollfüllungen waten. Volle Sinnfüllungen, die Enthusiasmus und Drangenergie gebunden haben. Nun sind sie Bruchstücke neben anderen, kleine Pflanzen im Gebirge, da und dort zu Erquickung oder zur Besichtigung. Das Kind aus eigenem Samenerguss, die Ware aus erster Hand, das Ding aus einem Guss.

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