»Damit dient der Barbaren-Topos seit der Antike dazu, Europas imperiale Außenbeziehungen zu strukturieren. [...] Der erste und gewalttätigste rogue state ist derjenige, der das Völkerrecht, als dessen Vorkämpfer er sich ausgibt, missachtet und fortwährend verletzt. Nämlich die USA.«
- Oliver Eberl. »Die Barbaren sind immer die Anderen«. Blätter. Ausgabe Juli 2015. S. 65
Anmerkung: Westliche Werte. Kolonialismus und Imperialismus. Zwei Weltkriege mit Millionen Toten. Vietnam. Angriffskriege gegen Libyen, Afghanistan, Irak, Syrien und gegen das ehemalige Jugoslawien. Sweat Shops. Massenhafte Umweltverschmutzungen. Weltweite wirtschaftliche Ausbeutung. Geheimdienst-Attentate und Putsche. Und dennoch: wir sind die Guten. Die Bösen sind (unter anderem) Nordkorea, der nahe Osten und Russland.
Dazu fällt mir mal wieder ein altes, leider immer noch allzu passendes Gedicht ein:
Barbaren
Sie streiten, wer Barbar sei unter ihnen,
und zum Beweise, dass stets nur die andern
vor aller Nachwelt solchen Ruf verdienen,
verwüsten sie mit schrecklichen Maschinen
Galipoli, Galizien, Serbien, Flandern,
Wolhynien und das Land der Beduinen.
Das Blut gerinnt, es häufen sich die Leichen
im Elsass, in Tirol, in Frankreich, Polen.
Auf hoher See und in den Tropenreichen
ist Kampfgetöse, Mord, ist Sieg und Weichen.
Es wird gebrannt, geschändet und gestohlen,
und über Trümmern ragen Ruhmeszeichen.
Aus Wolken fetzt der Mord, vom Meeresgrunde,
und Kinder müssen sterben, Frauen, Greise;
den Hunger ruft man sich, die Pest zum Bunde.
Der Mutter Träne und die Todeswunde
erhabenen Planens zu der Menschheit Preise
gibt von der Heldenzeit Europas Kunde.
Und jubelnd töten sie für ihren Zaren,
für ihren Kaiser, König, Präsidenten,
und starke Männer sinken hin in Scharen
und wissen, dass sie tapfere Streiter waren ...
Blut tropft und Jammer von den Firmamenten –
und jeder schmäht die andern als Barbaren.
(Erich Mühsam [1878–1934], aus: »Brennende Erde. Verse eines Kämpfers«, 1920)