Gemietete Blogjournalisten

nigge_titelStefan Niggemeier, Journalist und Blogger, bekannt durch seinen Bildblog, fragt in seinem FAZ-Artikel »Journalismus unter Verdacht« vom 2. November 2014: »Manipulieren die Nachrichten die Nachrichten? Hetzt die Presse gegen Putin? Lassen sich Journalisten kaufen? Die Kritik an den Medien in Blogs und Büchern wird immer exzessiver und aggressiver.« Bezeichnenderweise werden in dem Artikel auch keine Kommentare zugelassen.

Thematisiert wird in seinem Essay n i c h t, ob die Vorwürfe von Blogs, ‑wie beispielsweise der Propagandaschau, welches fast täglich nachweist, wie sehr die Öffentlich-Rechtlichen einseitig berichten, ja Propaganda betreiben- zutreffen oder nicht, sondern dass die Kritiker übertreiben würden: »Aber es wäre gut, wenn die Medien nicht so häufig den Funken liefern würden, aus dem die Paranoiker dann ihre lodernden Feuer entfachen.« Die Brandfeuer und Herde legen also nicht die Mainstream-Medien, indem sie Putin verteufeln, Kriegshetze betreiben, lügen, verzerren und sich die Wahrheit so hinbiegen, wie es die Chefredaktionen vorgeben, sondern die Kritiker. Die Lügner und Kriegshetzer sorgen nur für wohlige (Wärme-)Funken, während die Aufklärer, die an der Wahrheit interessiert sind, das (Flächen-)Feuer legen. Wenn es also tatsächlich zu einem Krieg zwischen der NATO und Russland kommen sollte, dann sind die kritischen Blogger schuld daran.

Zwar gibt er zu, dass die großen (Leid-)Medien durch ihre einseitige Berichterstattung einen immensen Glaubwürdigkeitsverlust erlitten hätten, aber dies sei eben nicht systematisch geplant oder gar eine Kampagne, sondern auf einzelnen Fehlern von Redakteuren zurückzuführen: »Laut WDR handelte es sich um einen Fehler des zuständigen Redakteurs der Frühschicht, den man sehr bedauere.« Verlage und Chefredaktionen geben also keine Leitlinien vor, es gibt keine Selbstzensur durch die ökonomische Abhängigkeit von Redakteuren, keine Gleichschaltungstendenzen und keine Journalisten, die in transatlantischen Think Tanks, wie der Atlantik-Brücke, Mitglieder und deshalb ideologisch der NATO zugewandt sind? Wer das behauptet oder thematisiert liefere »Stoff für Paranoiker.« Außerdem sei Udo Ulfkotte mit seinem Bestseller-Buch »Gekaufte Journalisten« für die weitgehende Journalisten- und Medienverachtung verantwortlich. Von Selbstreflexion oder Selbstkritik keine Spur.

Via Twitter (@niggi, 48.000 Follower, über 150 Retweets) zeigt Niggemeier in einem Tweet, was er von der ehrlichen Selbstkritik von Journalisten, Medien und Verlagen wirklich hält, indem er einen Auszug von der Stern-Buchbesprechung zu »Gekaufte Journalisten« von Udo Ulfkotte veröffentlicht. Das Buch wird hier lächerlich gemacht, in dem behauptet wird, die Journalisten würden sich mit CIA-Agenten in der Tiefgarage treffen. Fazit: es gebe keine voreingenommenen, ideologiebehafteten, korrumpierten  oder gekauften (PR-)Journalisten. Alles nur Übertreibung, der (Blog-)Spinner, Paranoiker und Verschwörungstheoretiker.

Niggemeier, der selbst mit dem Bildblog aufgezeigt hatte, wie die große Boulevard-Zeitung systematisch lügt, verzerrt und konstruiert, um Schlagzeilen zu generieren und damit die Artikel in die eigene Denkweise passen, gibt sich nun als Verteidiger der bürgerlichen Medien. Ihm geht es nicht um Wahrheit, konstruktive Kritik oder um die Entflechtung von Lobbyisten, Politik, Industrie und Medien, sondern einzig und allein, um das Ansehen der journalistischen Zunft:

»Viele der seriösen Medien scheinen noch nicht zu ahnen, wie groß die Erosion des Vertrauens in ihre Arbeit ist und dass dieses Vertrauen die Grundlage für alles ist. Die Gefahr für uns alle ist, dass Menschen, die ihnen nicht mehr glauben, alles glauben.«

Oder anders ausgedrückt: »Wir Leitmedien erzählen euch die Wahrheit, alle anderen schreiben Schwachsinn!« Seriöse Medien? Was soll das sein? Wie war das noch mit dem Bildblog?

UPDATE: Einige Tage später, am 5. November rudert Niggemeier auf seinem persönlichen Blog im Beitrag »Von Putinverstehern und Journalistenverstehern« (Kommentare erlaubt) auf einmal wieder zurück und gibt den Naiven:

»Ich weiß es ja auch nicht. Ich weiß nicht, wie viele Kommentatoren von Russland gekauft sind, so wenig wie ich weiß, wie viele Journalisten von den Vereinigten Staaten gekauft sind. Vielleicht bin ich da naiv [...] Ich glaube nicht, dass viele deutsche Journalisten in irgendeinem engeren oder weiteren Sinne gekauft sind. Ich glaube aber, dass sie nicht unvoreingenommen sind.«

Ja, was denn nun? Zufall, dass fast alle Medien gegen GDL Chef Weselsky und gegen Putin hetzen? Vielleicht kann nicht sein, was nicht sein darf?

8 Gedanken zu “Gemietete Blogjournalisten

  1. »Ja, was denn nun? Zufall, dass fast alle Medien gegen GDL Chef Weselsky und gegen Putin hetzen? Vielleicht kann nicht sein, was nicht sein darf?«

    Ja, Zufall, gemischt mit der Tendenz zur Empörung, wenn man selbst vin Unannehmlichkeiten betroffen ist.

  2. Wenn Sie aufmerksam das Werk von Herrn Ulfkotte studiert und vielleicht sogar das Interview bei RT gesehen haben, dann sollte doch klar sein, wie es möglicherweise bei der faz.de zugeht. Herr Niggemeier steht vielleicht selbst unter Druck.
    https://www.youtube.com/watch?v=UwE5LO5CphY

    Sofern er zu arg kritisch schreibt, würden seine Artikel unter Umständen überhaupt nicht mehr bei der Frankfurter Allgemeinen veröffentlicht. Faz.de ist vielen bekannt für die rigorose Meinungszensur der Kommentare und dort wird vermutlich mit den Journalisten nicht anders verfahren.

    Herr Niggemeier hat sich verhältnismäßig eindeutig geäußert, indem er den Mainstream-Medien diverse Widersinnigkeiten attestiert.
    Derartige Widersinnigkeiten dürfen nicht passieren, wenn es um Krieg und Frieden, um Menschenleben geht. Welche Motivation dahinter steckt ist im Regelfall nur schwer belegbar. Ein journalistischer Pfuscher ist so wenig brauchbar wie ein korrupter Redakteur.

    In keinem anderen Mainstream-Medium finden Sie überhaupt nur eine halbwegs vergleichbar kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Zunft.
    Damit ist Herr Niggemeier in meinen Augen ein echter Rebell und verdient Unterstützung.

  3. Feigenblatt!? Und wes Brot ich ess, des Lied ich sing...! Gilt übrigens auch für Jens Berger, der sich ja auch nicht alle Wege verbauen will, irgendwann mal Geld bei den Mainstreammedien zu verdienen; quasi vom Spiegelfechter zum Spiegel... ;)

  4. es gibt ne menge journalisten, die braucht man nicht zu kaufen, die sind so.
    Dieser Satz von Niggemeyer ist abstrakt. Je länger ich im Bloggerland unterwegs bin, je deutlicher wird mir: Es wimmelt nur so von allgemeinen Aussagen, denen die Konkretisierung fehlt.
    Methodisch müsste das so aussehen: Man zitiert die Aussage eines Bloggers, weist dann nach, dass sie nicht stimmt, sagt dann, wie es richtig wäre — und äußert die Vermutung, dass die falsche oder halbwahre Aussage aus einer Voreingenommenheit entspringt. Wie man allerdings diese nachweisen will, ist mir schleierhaft. Sehr leicht gerät man da ins Projezieren. Projizieren.
    »Ich glaube aber, dass sie nicht unvoreingenommen sind.«

  5. Auffällig , wie empfindlich gerade seriöse Journalisten die Zunft verteidigen und mit welcher Vehemenz sie dies tun, eigentlich sollte man denken , daß sie auf der gleichen Seite stehen wie der seriöse Teil der Medienkritiker.
    Das ist beinahe ein Alleinstellungsmerkmal , sogar die für ihren Corpsgeist so berüchtigte Polizei bringt mehr bracheninterne Kritiker hervor.
    Auceza hat nicht ganz unrecht , es gibt Leute im System , die das versuchen , was das System hergibt , noch viel mehr gibt es aber ehrenhafte Journalisten , die im System gar keine Chance mehr bekommen.
    Vielleicht ist der Begriff »gekauft« nicht so günstig , weil es die direkte Bestechung nur selten geben dürfte.
    Viel häufiger und viel effektiver ist die schleichende und verdeckte Bestechung , Einladung hier , Vergünstigung da , Bauchpinseln dort....
    Eigentlich ist es nicht verwunderlich , daß Teile der Medien die Kritik so aggressiv abwehren , das kann gar nicht anders sein , wäre es anders , wären auch die Medien nicht so beeinflusst.

    Die aggressive und z.T. lächerliche Verweigerung auch der leisesten Selbstkritik ist ein wesentlicher Teil des Problems.

  6. Pingback: Journalismus im Wandel der Zeit | Medienstil

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