Nordkorea

wikimedia. Kristoferb.

Im Fall Nordkorea scheinen sich alle einig zu sein. Über alle politischen Lager hinweg, wird das Land und dessen Führung als gefährlich, unberechenbar und wirtschaftspolitisch zurückgeblieben bezeichnet. Ob Welt, TAZ, BILD, die Bundesregierung, vermeintlich linke oder rechte Blogs, ja selbst die Blätter und die Le Monde sehen in Nordkorea eine Bedrohung. Das Land und seine Regierung seien niederträchtig, böse und barbarisch.  Dabei wird fast immer von außen auf das Land geschaut und geurteilt, anstatt einmal zu versuchen, sich politisch in die Rolle von Nordkorea zu begeben. Nicht unbedingt, um dessen Politik besser nachvollziehen zu können, aber um zumindest einmal die eigene Perspektive zu hinterfragen.

Kim träumt vom ewigen Leben dank der Atombombe.

- welt.de vom 8. Mai 2013

Der hasserfüllte Tonfall ist für Themen zu Südkorea und den USA vorbehalten.

- taz.de vom 13. April 2013

Nordkorea hat sich seit seiner Staatsgründung zu einem absurden stalinistischen Staat entwickelt.

- spiegelfechter.com vom 19. Dezember 2011

Während das kapitalistische Südkorea weltweit für Wirtschaftswachstum und Hochtechnologie-Produkte steht, sorgt das kommunistische Nordkorea regelmäßig durch bittere Armut, Hungersnöte und militärische Aggression für Schlagzeilen.

- pi-news.net (ohne link) vom 24. Dezember 2012

Etwas differenzierter schreiben die Le Monde diplomatique und die Blätter über Nordkorea. Phillipe Pons schreibt in der Le Monde diplomatique, Ausgabe Mai 2013, in dem Artikel »Nordkoreas kalter Krieg«, dass Nordkorea die Welt in Atem halte und den USA mit einem Atomschlag drohe. Außerdem lehne die USA jegliche Zusammenarbeit ab, solange das Land eine Bedrohung darstelle. Das sagt ausgerechnet die Nation, die weltweit CIA Foltergefängnisse unterhält, in Guantanamo Bay Menschen ohne juristische Verurteilung jahrelang einsperrt, in den letzten zehn Jahren Angriffskriege gegen Afghanistan und den Irak begonnen hat  und ohne Rücksicht auf das Völkerrecht weltweit Menschen mit Drohnen ermordet. »Einen Krieg würde Nordkorea zwar sicher verlieren, aber nicht ohne in Südkorea und Japan große Verwüstungen anzurichten«, schreibt Pons. Warum sollte ein Land einen Krieg beginnen, den es verlieren würde? Weil es selbstmörderisch, verrückt und wahnsinnig sei? Kein noch so fanatischer Diktator lässt sich auf einen Krieg ein, den er ganz sicher verlieren würde. Pons kommt zu dem Schluss, dass sich in der nordkoreanischen Bevölkerung der Eindruck verstärke, »man lebe in einem permanenten Belagerungszustand«.

Meine persönliche Meinung ist, ohne den vermeintlichen Steinzeitkommunismus verteidigen zu wollen, dass sich Nordkorea umzingelt und bedroht fühlt. Es ist politisch und wirtschaftlich, mit Ausnahme von China, isoliert. Fast die halbe Welt sieht das Land als »Schurkenstaat« an. Ähnlich wie der Iran und Venezuela wird in der westlichen Berichterstattung ausschließlich negativ über diese Länder und deren Machthaber geschrieben. Sie alle gelten als vormoderne Relikte, die sich nicht bedingungslos dem internatonalen Neoliberalismus, und vor allem den Interessen der USA, unterworfen haben. Und während Nordkorea ständig »Propaganda« vorgeworfen wird, betreiben die westlichen Massenmedien genau das, indem sie Nordkorea permanent niederschreiben.

Die vermeintliche Atombombe ist weniger militärisch zu werten, wie die Massenmedien es gerne skandalisieren, um eine hübsche Schlagzeile zu haben, als vielmehr politisch zu beurteilen. Mit Ausnahme der vermeintlichen »Vorzeige-Kapitalismus-Demokratie« USA, hat noch kein Land eine Atombombe gegen ein anderes Land eingesetzt. Seit dem kalten Krieg dient sie nicht nur als Abschreckung, sondern eben primär als diplomatisches Druckmittel. Denn:

Vor allem aber will die nordkoreanische Führung die USA zu einem Dialog auf Augenhöhe zwingen und von ihr als gleichberechtigte Atommacht anerkannt werden.

- Siegfried Knittel. »Nordkorea und der ungewollte Krieg«. Blätter für deutsche und internationale Politik. Seite 28.

Am 6. Juni 2013 meldete das Handelsblatt, das Nordkorea Entspannungssignale nach Südkorea sende, indem es die Wiedereröffnung des gemeinsamen Industriekomplexes sowie die Wiederherstellung des Krisentelefons anbiete. Außerdem sollen bei einem gemeinsamen Treffen auch Humanitäre Themen wie die Wiedervereinigung getrennter Familien auf dem Plan stehen.

Die Reden und Drohungen des jungen Diktators Kim-Jong-un sind also mehr politischer Pragmatismus, als die Ankündigung eines verrückt gewordenen Selbstmörders. Denn es wäre ein »von allen Seiten ungewollter Krieg« kommentieren die Blätter folgerichtig. Weder Nordkorea, die USA, Südkorea, China und Japan haben ein ernsthaftes Interesse an einer Eskalation der derzeitigen Situation. Die Einzigen, die sich daran erfreuen würden, wären unsere Massenmedien und die Befürworter eines weltweiten Neoliberalismus, denen Nordkorea, Iran und Venezuela schon lange ein Dorn im Auge sind.

P:S: Ich bin weder Stalinist, noch ein Anhänger des Steinzeitkommunismus. Aber eine differenzierte Perspektive sollte wohl erlaubt sein.

8 Gedanken zu “Nordkorea

  1. »Ich bin weder Stalinist, noch ein Anhänger des Steinzeitkommunismus. Aber eine differenzierte Perspektive sollte wohl erlaubt sein.«

    Stimmt genau. Wenn wir über Nordkorea diskutieren, wird es immer auf der Ebene der Halbwahrheiten sein. Man weiß sehr wenig. Annäherungen zwischen Nord- und Südkorea sind kaum eine Schlagzeile wert, während das Säbelrasseln wochenlang die Medien beherrscht. So weit ich mich erinnere war eine großangelegte Truppenübung die Ursache. Welches Land würde sich nicht bedroht fühlen, wenn der Erzfeind vor seiner Tür den Krieg übt?

  2. »Aber China deshalb zu schmähen, weil es wünscht, der Waffe, auf die die Anderen noch nicht verzichtet haben weiter ausgeliefert zu bleiben, und weil es aus diesem Grund den besitz der Waffe gleichfalls anstrebt, das ist nicht nur unfair, sondern unwahrhaftig; denn das heißt: den Schwachen las aggressiv verurteilen, weil er unwillig ist, vor der Bedrohung zu kapitulieren.«
    Günther Anders 1964, Die Toten — Rede über die drei Weltkriege

  3. Es geht vor allem darum, Nordkorea so lange zu provozieren, bis die die Nerven verlieren. Die USA hat beispielsweise den Abwurf von Atombomen auf Nordkorea geübt. Aus meiner Sicht sind es gerade die westlichen Staaten, die extrem aggressiv gegen Länder vorgehen, die sich nicht dem westlichen Finanzkapitalismus ergeben wollen. Den westlichen Staaten geht es zur Zeit um das finanzwirtschaftliche Überleben. Und da werden Staaten, die ihre Produkte in einer anderen Währung als dem bankrotten Dollar abrechnen wollen, als Schurkenstaaten gebrandmarkt und mit wirtschaftlicher Blockade bestraft.

    Übrigens bin ich der Meinung, daß es jetzt mindestens zwei Staaten gibt, die Atombomben militärisch eingesetzt haben — die USA und Israel. Letzteres soll in Syrien eine bunkerbrechende Atombombe eingesetzt haben! Komischerweise gab es überhaupt keinen internationalen Aufschrei. Das zeigt uns sehr deutlich, wer die Medienmacht hat. Wir werden von den westlichen Medien genauso mit Falschinformationen gefüttert und wie wir es den Medien in totalitären Staaten erwarten.

  4. Das nordkoreanische Säbelrasseln war nie auf einen echten Krieg hin ausgerichtet und hat vor allem mit der Selbstbehauprung des neuen Diktators zu tun.
    Der muß halt jetzt vor seinen Generalen zeigen , daß er kein Milchbubi ist , zumal er auch im Verdacht steht , Reformen angehen zu wollen.

    Am coolsten sind ohnehin die Südkoreaner , schon die ganze Zeit , die scheinen zu spüren , wie »gefährlich« die Medien die Lage gerne machen , und wie gefährlich sie tatsächlich ist.

  5. Nun, — die Medien lancieren recht geschickt zwischen einem Politikum in welchem lediglich nordkoreanisch strategisch mit isolierten Muskeln gespielt wird, — und auf der anderen Seite die pawlowschen Hunde für den Sensationskick durch die Manege getrieben werden können. Einer dieser Hunde ist übrigens die Angst, dass man damit direkt als vorsintflutlicher Extremlinker geoutet wird, wenn man sich nicht linientreu direkt hundertprozent ablehnend mokiert ;-) Die Welt der Konditionierungen, — ist logischerweise, — eine pragmatische mit Einzelleitungen alter gruftiger Analogtelefone über die Grenzen hinweg.

  6. Ach ja ‑die Russen kommen (so als Metapher). Völlig unerheblich von dem Säbelgerassel ergötzen sich alle in Ihren Floskeln und vergaßen das Miteinander. Kein Wunder, das sich so diktatorische Wünsche durchsetzen lassen.

  7. Sehr schön geschrieben,spricht mir absolut aus dem Herzen,danke.
    Die grössten Verbrecher,die übelsten Gangster,die krankesten und korruptesten Kriegshetzer zeigen mit dem Finger auf Andere und erklären dann,die Anderen seien schlimm und bezeichenen sie als Schurkenstaaten.
    Erwachsene Menschen,die sich allen Ernstes Journalisten,Korrespondenten,Reporter oder sonst wie nennen,belügen und verarschen die Welt dann im Auftrag genau dieses Gesindels.Woher soll ein Deutscher denn auch wissen,was in Nordkorea,Afghanistan,dem Iran,Syrien etc wirklich geschieht???
    Alles was wir glauben zu wissen,erzählen uns Andere,schreiben Andere.berichten Andere.Wir wissen nichts,wir bekommen nur täglich den Kopf zugeballert mit »Informationen«,aber wir wissen nichts..........

  8. Lieber Epikur, mon ami — ich lese Deinen Blog regelmäßig gerne. Ich bin auch überhaupt dankbar, das in unserer heutigen Welt der dumpfen u. faschistoiden Mammons- u. Konsum-Anbetung überhaupt der eine oder andere das Wort wider des Mordens der Seele u. des Menschen ergreift. Allerdings möchte ich eins einwenden: solche Begriffe wie Steinzeitkommunismus oder Stalinismus sind hitlerfaschistischen Ursprungs, plumpeste Lügenpropaganda seitens der BRD/USA-Massenmedien, u. zudem einfach nur irreführend. Stalins Reform der UdSSR hin in Richtung sozialistische Planwirtschaft war progressiver als alles, was es je zuvor gab. Man muß die Deutungen Stalins der politischen Ökonomie, wie sie von Marx u. Engels herkommen, mal nachlesen. Im Grunde finden sich darin die Antworten auf die drängenden Fragen nach dem Reformbedarf unserer heutigen Chaoswirtschaft. Reform u. Revolution sind bei Stalins Ausführungen eigentlich eins. Das ihm da die Kriegsniederlage 1917, der Bürgerkrieg danach u. die nationale wie faschistische Wühlarbeit bis hin zum NS-Überfall sowie direkt im Anschluß dann der von den USA u. den Briten mutwillige inszenierte kalte Krieg entgegenliefen (von den historischen Strukturschwächen Rußlands vorher abgesehen), kann ihm nicht angelastet werden. Ähnliche Hemmschuh-mechanismen belasteten auch die ostasiatischen Länder. Und selbst die heutige verspießbürgerlichte deutsche Gesellschaft spricht ja Bände, was historische mentale Altlasten betrifft. So sollte auch die derzeitige anarchistische Verquasung u. Handlungskraft-Verkrüppelung gesehen werden, die sich in FB z. B. munter verbreitet. Pseudofreiheiten, wie sie kleinbürgerliche Gruppenegoismus eifrig, aber nutzlos propagieren, was den revolutionären kollektiven Elan der sozialistischen Menschheitsbefreiung lähmt.

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