Sozial verwünscht

Alle Jahre wieder. Jemand im Freundes‑, Familien– oder Bekanntenkreis hat Geburtstag. Oder man selbst wird sogar wieder älter. Zumindest ist es sehr vielen Deutschen extrem wichtig, dass daran gedacht wird. Sich gemeldet wird. Ich erlebe es immer wieder, dass sich Menschen bei mir zum Geburtstag melden, mit denen ich das ganze Jahr über sonst nichts zu tun habe. Die sich sonst nie melden, kaum an mir und meinem Leben interessiert sind. Aber an meinen Geburtstag haben sie gedacht. Uhuuh! Umgekehrt erwische ich mich selbst auch immer wieder, wie ich Menschen Geburtstagsgrüße überreiche, weil es eben sozial erwünscht ist. Weil derjenige es einfach erwartet und sonst sauer ist. Auch wenn ich mit diesem Menschen das ganze Jahr über wenig zu tun habe.

Das ganze heuchlerische Spielchen ist in Deutschland schon regelrecht Tradition geworden und weit verbreitet. Zahlenfetischismus pur. Ich sollte mich in Zukunft auch nur noch bei denjenigen melden, die mir auch wichtig sind (und sofern ich es nicht vergesse *hust*). Und alle mit denen ich das ganze Jahr über sonst nichts zu tun habe, die dürfen sich den Geburtstagsgruß auch gerne selbst schenken ;)

4 Gedanken zu “Sozial verwünscht

  1. Schwieriges Thema. Ich persönlich freue mich, wenn jemand an mich denkt — auch dann, wenn es nur einmal im Jahr ist. Das hat für mich nix mit heucheln zu tun. Mit manchen Leuten habe ich jahrelang kaum Kontakt weil sie wo anders in der Welt sind und jeder sein Leben lebt, aber dann passt es mal wieder und man trifft sich. Warum sollte man den Kontakt komplett abbrechen lassen?
    Aber ich werde künftig immer nachfragen, ob dieser Glückwunsch auch erwünscht war ;)

  2. Letzte Woche führte ich ein Telefonat mit meinen Eltern.
    »Ok, wir kommen dann am Dientag vorbei.«
    Und ich so: »Hä, Warum?«
    »Na, weil du Geburtstag hast.«
    »Achso, uff.«
    Jedes Jahr wächst meine Unlust auf diesen familären Feiertag und ich befinde mich noch in recht jungem Alter. Wenn dieser, wie bereits oben erwähnte, »Zahlenfetischismus« ein Grund sein sollte, an jemanden zu denken, dann bitte ohne mich.

    Dazu kommen all die Gratulanten, mit denen man sonst übers Jahr nichts zu tun hat bzw. nichts zu tun haben möchte, peinliche Geschenke, man wird genötigt ein guter Gastgeber zu sein, obwohl man seine Zeit mit weitaus wichtigeren Dingen zu füllen weis und und und...

    Oh mein Gott, jetzt bin ich gerade dabei, diesen Text zu verfassen, da ruft mich jemand an: »Ey, hast’e was für Morgen geplant? usw.«
    »Nein.«
    »Aber wir können doch mal gemütlich n‹ Bierchen trinken und so...«
    »Das können wir doch auch so.« Das muss doch nichts mit diesem beschissenen Tag zu tun haben, meine Fresse.

    Verzeihung, ich benutze die Kommentarfunktion als seelische Müllhalde, aber es passt gerade irgendwie.

    Es grüßt ech ganz lieb
    euer LEROY

  3. Na ich würde doch mal die Türe im Hause lassen. Man kann auch jemanden gern zum Geburtstag gratulieren, wenn man ihn sehr, sehr selten spricht oder eben einmal im Jahr. Einfach nur freuen. Das hat nicht immer etwas mit Pflicht zu tun oder weil man das eben so macht. Oft verliert man sich im Alltag aus den Augen. Auch Menschen, die einen nicht so nahe stehen, kann man mit guten Gewissen gern gratulieren. Warum denn nicht. Warum sollen denn alle Anteil an meinem Leben nehmen? Ich würde mein Leben nicht so überschätzen.

  4. In Zeiten von SMS, Facebook, e‑mail und haste nicht gesehen sind Geburtstagswünsche aber auch nicht immer gleich Geburtstagswünsche. Wenn mir jmd einma im Jahr ne SMS oder dergleichen zum Geburtstag schreibt, so kommt mir das auch eher wie »oh Handyalarm ... was Geburtstag? na denn ma schnell SMS« vor. Anders seh ich es aber schon wenn sich jmd die Mühe gibt anzurufen, ne Karte zu schreiben oder gar vorbeizukommen. Unabhängig wie oft sich der Mensch meldet. Ich persönlich hab auch die Einstellung — nur weil ich jmd egal bin und nichts von der Person höre, heißt das noch lange nich das ich es der Person gleichtun muss. Gratulieren tu ich auch nur, wenns mir was bedeutet und ich denke den meisten Menschen gehts genauso.
    Zugegebenermaßen kam mir auch schonmal der Gedanke, dass man Geburtstagswünsche auch wunderbar »missbrauchen« kann um besonders liebe Menschen daran zu erinnern was für *** sie sind, dass sie sich nicht bei mir melden geschweige denn zu meinem Geburtstag gratulieren. Aber auch da würden die Grüße zumindest aus tiefsten Herzen kommen — auch wenns ein eher böser Teil ist ;-)

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