Kinder in Deutschland; Teil2: Sachzwang Kind?

»Kinder in die Welt zu setzen ist keine Kunst, sie zu selbstbewußten Menschen zu erziehen hingegen schon«

- M. Vollack, Politologe und Hobby-Philosoph

In Teil 2 meiner Gedankenreihe zu Kinder in Deutschland, stelle ich die These auf, dass die finanzielle Versorgung eines Kindes zwar wichtig ist, es aber ungleich wichtiger ist, sich für die eigenen Kinder Zeit zu nehmen und auf ihre Bedürfnisse und Wünsche einzugehen, die in erster Linie eben nicht materieller Natur sind, wie oftmals behauptet wird.

In Filmen, Büchern, Diskursen und Gesprächen, wird ein Element immer wieder beschworen: das Kind als Sachzwang, Lohnarbeit jeglicher Art verrichten zu müssen. Kitabeiträge, Versorgung, Klassenfahrten, Kleidung, Bespaßung usw. kosten viel Geld, keine Frage. Nicht selten verrichten die Väter, in der klassichen Rolle des Familienernährers, eine Lohnarbeit, die ihnen nicht unbedingt zusagt. Seien es unmögliche Arbeitszeiten, Mobbing, zu großer Stress oder ähnliches. Trotzdem quälen sie sich da durch, schließlich muss die Familie ja ernährt werden, wie es im Volksmund oft heißt. Dieses Motiv wird selten hinterfragt, sondern fungiert eher als gängige Rechtfertigungsformel, wenn die Eltern für ihre Kinder kaum bis wenig Zeit haben. Sie müssen eben Geld ranschaffen und schuften was das Zeug hält.

Wie oft liest und hört man es, dass Eltern immer weniger Zeit für ihre Kinder haben bzw. sie sich nehmen. Sie lohnarbeiten viel. Das sei zwar bedauerlich, betonen viele, aber um einen materiellen Standard aufrecht zu erhalten, muss eben viel gelohnarbeitet werden, so die häufige Argumentation. Dabei fragt niemand die Kinder, was sie wirklich wollen. Würde man Kinder fragen, ob sie lieber drei Playstation-Spiele im Monat mehr haben wollen  oder lieber die Eltern öfter sehen, was wäre wohl die Antwort? Aber die Kinder werden nicht gefragt. Eltern gehen zu oft davon aus, dass die finanzielle Versorgung wichtiger sei, als die emotional-soziale Versorgung eines Kindes. Der ganze materielle Kram gibt den Kindern weder Liebe, Aufmerksamkeit, noch trägt er dazu bei, das Kinder reife und selbstbewusste Individuen werden. Was Kinder in erster Linie brauchen, ist vor allem Liebe, Aufmerksamkeit, Bestätigung und das Gefühl für die Eltern keine Belastung zu sein, sondern der Mittelpunkt in ihrem Leben.

Nicht, dass ich falsch verstanden werde: ich bin natürlich dafür, die Kinderarmut zu reduzieren und Kindern zu ermöglichen, in Würde erwachsen zu werden mit täglich warmem Essen, Klassenfahrten, Sportvereinen usw. Ich plädiere nur dafür, die Debatte nicht einseitig zu verengen. Denn gerade die Akademiker und finanziell besser Betuchten haben zwar das Geld, nehmen sich aber keine Zeit für ihre Kinder, weil sie nur am lohnarbeiten sind. Problematisch sind für mich beide Sachverhalte. In der Öffentlichkeit wird aber meist nur die Kinderarmut angesprochen und Kinderverwahrlosung finde wenn, dann ja eh nur bei Hartz4-Familien statt und nicht bei finanziell besser Gestellten, die ihre Kinder oftmals an Kitas, Tagesmütter, Verwandten oder Babysitter abschieben.

Für mich stellt sich die Frage, ob die Behauptung, man würde für die Kinder schuften, nicht doch eher eine Flucht vor der Erziehungsaufgabe hin zur Lohnarbeit ist? Und ob der Lohnarbeitswahn wirklich aus dem Wunsch geboren ist, mehr Geld für die eigenen Kinder zu haben oder nicht auch aus dem Wunsch heraus geboren wird, mal wieder in den Urlaub zu fahren oder sich eine neue Stereoanlage zu kaufen? Und sind beruflich weniger ausgelastete Eltern nicht doch eine größere Bereicherung für die Kinder, als Eltern die ständig unter Strom stehen?

—»> Kinder in Deutschland, Teil1: Kinderfeindlichkeit

6 Gedanken zu “Kinder in Deutschland; Teil2: Sachzwang Kind?

  1. Bei der Schuldenbremse des Staates stellen sich faktisch alle Politiker der Regierung hin und meinen, dass die nächste Generation vor der Belastung geschützt werden muss. Im Gleichtakt kürzen sie jegliche Förderung dieser nächsten Generation und behandeln sie wie Dreck.

  2. ich denke beide von dir angesprochenen aspekte sind gleich richtig.
    für eltern im hartz 4 bezug oder prekärer beschäftigung ergeben sich für die kinder massive defizite, weil die teilnahme am »normalen« leben durch die unzureichenden geldmittel nicht gewährleistet ist. und alle liebe der eltern kann nicht ausgleichenm daß dem kind klassenfahrt, pc oder gar die schulbildung vorenthalten werden muss.
    bei den gut verdienenden allerdings steht das auslandssemester genauso wie der kleinwagen für den status der eltern, genauso wie der porsche der mutter und das eigenheim in gehobener wohnlage. und da so etwas viel geld kostet, muss auch viel gearbeitet werden — auf kosten der kinder.
    solange »man« sich über einkommen definiert und endlose arbeitszeiten als beweis seiner »wichtigkeit« wahrnimmt, werden kinder eben abgeschoben werden müssen.

  3. @epikur
    Dem schließe ich mich bedingungslos an. Ein guter Weg, um den Leistungs- und Objektträgern den Verlust des menschlichen Fokus zu zeigen. Auch ich empfinde die Debatte als schlichtweg »systemisch« und mit diesbezüglich verengter Sicht.

    Was die Zeit und Muße angeht, so würde ich noch, so albern das jetzt auch klingt, die Nerven hinzufügen. Man sollte etwas härter argumentieren diesbezüglich. Nicht wenige Eltern haben ein schlechtes Gewissen, weil sie einfach nicht die Nerven für die Kinder haben. Bei den Härtefällen wird hier lapidar von »Überforderten« gesprochen. Das diese Überforderung vielleicht schon Durchschnitt sein könnte, fällt dabei keinem ein. Die simplen einfachsten biologischen Fähigkeiten und Haushaltungen, sind kein Thema im Land der Leistungsfanatiker.

  4. Ich glaube, die Wahrheit liegt in der Mitte. Gerade wenn man im unteren Einkommensbereich sich befindet hat man oftmals keine andere Wahl als für das gesellschaftliche »Überleben« seiner Nachkommen zu arbeiten. Man muss einfach viel schuften, damit die eigenen Kinder bessere Chancen hat.

    Deine Kritik würde also eher auf die Ober und Mittelschicht zutreffen, in der beide Elternteile viel arbeiten, nur um den Silberlöffel im Mund des Sprößlings zu vergolden. Es muss nicht immer Harvard oder Oxford sein, Richard braucht auch keinen Mercedes zum 18. Ist wirklich eine Gratwanderung, wann es zuviel ist denke ich. Bei aller Liebe zu den Kindern, darf man auch sein eigenes Leben nicht vergessen. Teilweise geht die Kinder-Vergötterung schon zu weit (zumindest in den Yuppie-Kreisen).

  5. Als Vater von 2 Söhnen (Zwillinge, 2 12 Jahre alt) muss ich mir auch manchmal klar machen, dass ich für sie arbeite und sie kein Grund sein dürfen arbeiten zu wollen.
    Den neoliberalen Irrsinn von Effizenz und Konkurrenz muss ich mir in solchen Momenten dann wieder ganz deutlich vor Augen führen.

  6. Wichtiger für das Kind finde ich, dass die Eltern — wenn sie Zeit haben — den Kindern gegenüber auch präsent sein können. Sie ganz bei den Kindern sein können und eben nicht in Gedanken beim Job, dem Hobby, auf Jobsuche, den Sorgen, etc. Schätze hier kommt es — wie so oft auf die Qualität an und nicht auf die Quantität.

    Was die Schichtdebatte angeht: Ich kenne materiell benachteiligte Eltern, die mit den Kindern spielen, in die Bücherei gehen, etc. Daher finde ich nicht, dass es ein Zeichen der »Schicht« ist. Sozial unverträgliches Verhalten findet sich in allen Sichten.

    Mir ist eine Familie bekannt, die von Großteil ihres Umfeld als »bekloppt« eingestuft wurde. Sie ernteten Unverständnis.»Faul« und »unverantwortlich« waren die »nettesten« Vorwürfe mit denen sie konfrontiert wurden. Was haben sie getan?

    Sie suchten sich für sich und ihre Kinder eine etwas kleinere Wohnung — verkauften ihre Eigentumswohnung. Verzichten auf das Auto. Fahren nicht mehr so weit weg in Urlaub. Beide haben ihre Arbeitszeit reduziert. Die Kinder 7 und 9 Jahre alt sind inzwischen fröhlicher und ausgeglichener — so wie ihre Eltern.

    Ich bewundere diese Familie. Sie machten ihr Ding und standen auch die Zeit der Vorwürfe durch ohne sich beirren zu lassen.

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