Die Jugend von heute

Die Jugend von heute sei größtenteils nicht ausbildungsfähig und nicht ausbildungswillig, wird oft behauptet. Sie seien undiszipliniert, vorlaut, wollen nur rumhängen, vor dem PC oder dem Fernseher sitzen, saufen, sms schreiben, mp3´s hören und chatten. Viele Ausbildungsbetriebe beklagen sich, dass Jugendliche große Bildungslücken aufweisen würden. Kurz: die Jugend ist dumm und schuld! Für viele Jugendliche gibt es heute nur zwei Perspektiven: Superstar werden oder Hartz 4 beziehen. Nach den Ursachen fragt wie immer keiner.

Der 16 jährige Uwe wollte sein Leben lang Feuerwehrmann werden. Schon als kleines Kind wollte er immer mit dem Gartenschlauch spielen und wurde auch mal beim kokeln mit anschließendem löschen erwischt. Die rote Feuerwehrkleidung fand er immer toll. Feuerwehrleute waren für ihn immer die Guten, die Helden. Mit 16 machte er seinen Realschulabschluss und fing an sich bei der Feuerwehr zu bewerben. Nachdem er in seiner Heimatstadt Düsseldorf nur Absagen erhielt, bewarb er sich bundesweit. Leider erhielt er auch hier keine positive Antwort. Seine Familie riet ihm zu einer Alternative. Er wollte nicht, denn er wollte Feuerwehrmann werden. »Aber Du brauchst doch eine Ausbildung!«, warf ihm seine Mutter vor. Nach einigen Monaten fing Uwe schweren Herzens an, nach freien Ausbildungsplätzen zu schauen und bewarb sich als Bürokaufmann. Nach einigen Bewerbungen wurde er endlich genommen. Seine Mutter und seine Familie freuten sich für ihn: »Endlich eine Ausbildung. Ich bin stolz auf Dich, mein Sohn!«. Uwe aber war nicht wirklich glücklich. »Besser als gar nichts«, sagte er sich aufmunternd und versuchte sich die Sache schön zu reden.

So oder so ähnlich geschieht es in Deutschland tausendfach. Wer genau hinschaut, Pädagogen, Therapeuten oder Jugendhelfer befragt, wird häufig die Antwort bekommen, dass die Jugend von heute resigniert hat. Ihre Kindheitsträume wurden ihnen regelrecht abtrainiert. Sie sollen sich mit einer Ausbildung, die ihnen keinen Spass macht, wo sie wenig Leistung, kaum Motivation und Interesse zeigen, zufrieden geben.  Sofern sie  überhaupt einen Ausbildungsplatz bekommen und nicht in eine Warteschleife  oder ein sinnloses Praktikum gesteckt werden. Denn bei Jugendlichen wird das gleiche Motiv der Eigenverantwortung wie bei den Erwachsenen beschworen. Der Einzelne ist schuld, hat zu geringe Qualifikationen, die Bewerbung war zu schlecht, das Aufteten zu frech usw.  Die Strukturen der Ausbildungs- und Arbeitswelt werden selten thematisiert: es gibt einfach nicht genug Ausbildungs- und Arbeitsplätze, da können Bewerbungen und Qualifikationen noch so gut sein.

Wer sagt, dass er eigentlich etwas anderes machen möchte, bekommt von der Familie und der Verwandtschaft zu hören: »Sei froh, dass Du überhaupt eine Ausbildung hast! Das Leben ist eben kein Ponyhof!« Viele erwerbslose Jugendliche fühlen sich nicht gebraucht und in einer Gesellschaft des gelebten Arbeitsfetischismus als minderwertig. Kiffen, Koma-Saufen und rumhängen sind die Folge. Individuelle Träume, Wünsche und Ziele sei was für Kinder, Erwachsen-sein heisst eben Sachzwänge zu akzeptieren und sich den Bedürfnissen des Marktes anzupassen. Letztlich soll sich alles dem Geld-anschaffen unterordnen. Wer andere Ziele, Wünsche oder Träume hat, wird als Spinner oder Träumer diffamiert. Letzteres gilt fortan ein Leben lang.

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6 Gedanken zu “Die Jugend von heute

  1. ich sehe, ich müsste meine entwicklungsgeschichte mal aufarbeiten. noch im 2. bildungsweg im mathematischen zweig, in dem überwiegend techniker anzutreffn waren, galt der für die schülerzeitung kurzgeschichten schreibende noch als spinner.

  2. Die Anti-Jugend-Sprüche kenn ich noch aus Zeiten meiner eigenen Hormonküchenbewältigung. Erstaunlich, dass sich manches anscheinend ewig hält. Klar, die alten Herren geben ungern zu, dass sie selber was vergeigt haben. Zum Text könnte man aber noch hinzufügen, dass betreffs des gewünschten Optimalzustandes, — wo jeder sich das Leben nach wirklich eigenen Wünschen realisieren kann, die Geschichte nicht nur entgegengesetzt läuft, sondern dazu auch noch kontraproduktiv. Denn selbst die Nutz-wahl eines Berufes, sogar mehrmals und höchst-flexibel mit absoluter Adaption im Leben und Markt, funktioniert nicht mehr. Ich erlebe immer mehr Menschen, die in ihrem Leben so ziemlich alles gemacht haben, um den Anforderungen gerecht zu werden, und jetzt mangels Chancen selbst darauf, — am Verzweifeln sind. Die Realität, frisst ihre eigenen Kinder.

  3. »Die Jugend von heute...!«, das ewige blablabla, dass ich auch in meiner Jugend schon hören durfte, »früher bei uns hätte es das so nicht gegeben...«.
    Natürlich hat es das ein oder andere in meiner Jugend nicht gegeben, dennoch macht es für mich keinen Sinn, meine Kinder nach diesen Maßstäben zu erziehen, reifen sie doch in einer ganz anderen Umwelt heran, alleine, wenn wir die Entwicklung der Technik und die daraus resultierenden Folgen betrachten, um nur einen Aspekt zu benennen.
    Das aus meiner Sicht Wichtigste wird aber gerne von vielen achtlos beiseite geschoben: unsere Kinder brauchen all unsere Liebe und Fürsorge, einen festen Halt, ein warmes Nest und eine immerwährenden Spagat zwischen Führung und Selbsterfahrung, damit aus ihnen selbstbewußte, in dieser unseren Welt überlebensfähige Menschen werden. Wir als Eltern bilden den Filter zwischen dem, was draussen in der Gesellschaft passiert und dem, was wir an unsere Kinder weitergeben wollen, dass kann uns keine Ganztagsbetreuung, keine KiTa und auch sonst niemand abnehmen. Ich zitiere an dieser stelle immer wieder gerne Tolstoi: « [...] Daher ist die Erziehung anderer eingeschlossen in unsere Selbsterziehung, und etwas anderes ist nicht erforderlich [...] «

    @ klaus baum
    Da hatte ich mehr Glück bei meinem Abi ( 2. Bildungsweg, Fachrichtung Elektrotechnik ), das geprägt war durch die Doktorarbeit einer meiner Lehrer, Dr. Albert Müssiggang, »Die soziale Frage in der historischen Schule der deutschen Nationalökonomie«, Hauptthema in den Fächern Deutsch, Politik u Englisch.

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  5. ...genau...immer alle Jahre wieder...»die Jugend von heute«

    kalr damals...gab es mal nen Fühere...und davor mal nen Kaiser.....

    immer sie selben dummen Sprüche....

  6. Pingback: Die Jugend von heute » Ausbildung, Artikel, Bewerbungen, Jugend, Kurzschrift, Mathematik, Leute, Punkte, Arbeit, Beruf, Sinne, Möglichkeit, Jugendliche, Gefühl » BerndJott's Netztagebuch

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