Die Grenzen meiner Toleranz

Josef Isensee schrieb in der aktuellen Ausgabe (3÷2010) der »Blätter für deutsche und internationale Politik« einen Artikel zur Integrationsdebatte mit dem Titel »Integration als Konzept: Die Grenzen der Toleranz«. Seit November 2007 habe ich die Blätter abonniert und lese sie sehr gerne. Die politische Monatszeitschrift enthält oft sehr gut recherchierte linkspolitische Artikel, Essays und Beiträge. Isensee´s Artikel jedoch, ist nationalistisch, fremdenfeindlich und strotzt nur so vor Islamophobie.

Die Kernthese des Professors für Öffentliches Recht besagt, dass der Islam eine »Integrationsresistenz« besäße und deshalb nie wirklich daran interessiert sei, sich zu integrieren. Er betont zwar, man möge bei der ganzen Debatte schon differenzieren, schmeißt dann letztlich aber doch Moslems, den Islam und den Terrorismus didaktisch in einen Topf. So, als sei der Islam eine homogene Masse, was er mitnichten ist.

Sprachlich erkennt man sofort, dass wir es hier mit keinem linken, sondern mit einem konservativen Beitrag zu tun haben:

»Das heutige Dilemma schaffen die Zuwanderer aus muslimischen Ländern. […] Die letzte Ursache, dass Integration heute zum ungelösten Problem für Deutschland geworden ist, liegt an der Integrationsresistenz des Islam«

Oder anders gesagt: die Moslems wollen sich einfach nicht anpassen. Der deutsche Staat muss sich keinerlei Verantwortung bewusst sein, denn da der Islam sich eh nicht integrieren wolle, jeglicher Integration resistent gegenüber stehe, ist er eben selbst schuld an seiner Ausgrenzung. Ferner brauchen wir uns auch gar nicht mehr um Integration bemühen, denn wer resistent ist, will sich schließlich nicht helfen lassen. Isensee spricht hierbei von »Integrationsverweigerern«.

Die Schule begreift Isensee als Erziehungsanstalt für Ausländer. Hier soll dem Ausländer die »deutsche Leitkultur« nahe gebracht werden:

»Die Schule ist das wirksamste Integrationsinstrument des Staates. […] Was aber die legitime Vorbildfunktion ausmacht, das beantwortet sich nicht aus subjektiven Leitvorstellungen der Lehrperson, sondern aus der deutschen Leitkultur. [...] Das Schulhaus wandelt sich nicht zur Multi-Kulti Agentur.«

Da ist sie wieder. Die deutsche Leitkultur als Kampfinstrument gegen Integration. Ausländer haben sich nicht zu integrieren, sondern sich zu assimilieren, sich zu unterwerfen. Integration bedeutet eben nicht die eigene kulturelle Identität zu verleugnen, sondern an der Gesellschaft teilhaben zu können. Was genau die deutsche Leitkultur eigentlich ist, sagt auch Herr Isensee nicht. Es werden die üblich schwammigen Begriffe vom deutschen Recht, deutscher Werte, deutscher Kultur und deutscher Geschichte ins Feld geführt. So als wäre das Prädikat »deutsch« an sich schon ein Gütesiegel. Was ist denn wirklich »deutsch«? Unser Steuersystem, Mallorca, ein Arbeitsfetischismus, ein Klassendenken und Herrenmenschen-Gebaren sowie ein materialistisches Haben-Denken.

Was Sarrazin, Buschowsky und Co. für die Masse sind, ist Herr Isensee für die Intellektuellen: ein Hetzer, ein Spalter und ein Gegner von Verständnis und Toleranz. Letztlich geht es ihm nämlich nicht anders wie einem NPD-Jünger, der endlich mal wieder öffentlich sagen möchte, dass er stolz sei, deutscher zu sein. Und so schließt Prof. Isensee seinen Artikel mit:

»An ihrem historischen Trauma leidend, haben sie Not sich selbst zu akzeptieren, wie sie von Geschichte nun einmal sind. Nationale Verklemmtheit und Anwandlungen von Selbstflucht und Selbsthass erklären Verdrängungen, Wahrnehmungsstörungen, Tabus der Integrationsdebatte. Nun, da diese Debatte endlich öffentlich geführt wird, kommen die Deutschen vielleicht sogar am Ende mit sich selbst ins Reine«.

Wir wollen endlich wieder stolz sein dürfen auf Deutschland, nicht wahr Herr Isensee? Ein wenig Nationalismus, Patriotismus und auch ein weltmännisches Auftreten? Deutschland im Sicherheitsrat, globale »Verteidigung deutscher Interessen« durch die Bundeswehr und ein wenig Patriotismus-Blindheit fürs Volk. Denn wer patriotisch ist, ist meist leichter zu manipulieren und schluckt eher bittere Pillen. Ist ja schließlich fürs eigene Vaterland.

Wie gesagt, ich lese die Blätter gerne, aber dieser Artikel hat die Grenzen meiner Toleranz erreicht.

(P:S: Dieser Beitrag geht als Mail auch an die Redaktion der Blätter. Sollte eine Antwort eintreffen, werde ich sie im Blog veröffentlichen)

10 Gedanken zu “Die Grenzen meiner Toleranz

  1. Pingback: Womblog

  2. Unweigerlich fällt mir direkt ein Lied dazu ein:

    Mit der Mitte in die Zukunft heißt Tradition pur!
    Der Exportschlager aus Deutschland heißt für immer Leitkultur.
    Im Innern läuft die Probe und dann geht es auf Tour!
    Der Exportschlager aus Deutschland heißt für immer Leitkultur.

    aus Exportschlager Leitkultur
    von Egotronic

    Ich kam bis jetzt noch nicht dazu die dritte Ausgabe der Blätter zu lesen. Bin aber auch erstaunt, wie es ein solcher Artikel darein geschafft hat.

  3. Oh, je. Wenn das derselbe Isensee ist, den ich meine, dann haben die Blätter für Politik aber ein ernsthaftes Problem. Der Mann ist nicht nur an anderer Stelle extrem aktiv, sondern ist auch ein Jünger der Schule
    Karl Schmitt’s
    Ihn als konservativ zu orten, ist sehr freundlich ausgedrückt ;-)
    Das war doch der, der Ende des letzten Jahrtausends so vehement gegen die doppelte Staatsangehörigkeit gewettert hat?
    Da lohnt es sich (nicht) mal in eines seiner Werke reinzuschauen.
    »Staatsrechtliche Stellung der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland«
    Ist glaub das ist auch als google-book verfügbar. So verkappte Nationalpatrioten mit Professorentitel sind leider an allen Stellen politberatender Funktionen zu finden, und ich hab irgendwie das Gefühl, die bilden so etwas wie den Grundkonsens dieses gewaltigen Rechtsruckes im Land.
    Die »Grenzen der Toleranz« ist die beste Überschrift dazu überhaupt. Absolute Zustimmung.

  4. @antiferengi

    Ja, genau der Isensee ist es!

    Isensee wandte sich 1999 gegen die Einführung der doppelten Staatsangehörigkeit. Er bewertete sie als »Staatsstreich des Parlaments«

    Wikipedia

  5. Pingback: Mein Politikblog

  6. Letztendlich muss man aber für solche Leute, als auch solche Artikel dankbar sein. Schließlich machen sie es möglich, das man sich daran erinnert welche ideologischen Abgründe sich auch in sog. intellektuellen Kreisen auftun können, welche letztendlich auch 1933 Hurra geschrienen haben. Es ist traurig, dass gerade aus wissenschaftlichen Kreisen — wobei zu einer Professur eine Habilitation und keine Moralvorstellungen nötig sind — anscheinend vermehrt Ansichten wie oben vertreten werden.
    Man fragt sich, was dazu führt. Sind es eigens gemachte schlechte Erfahrungen oder vielmehr gar keine und man plappert nur das von Leuten wie Sarrazin nach? Für mich ist das irgendwie unklar, wie ein (angeblich) gebildeter Mensch sowas verzapfen kann. Oder ist die Ideologie so stark verankert, dass Leute wie Isensee resistent sind gegen Vernunft?
    Jedenfalls zeigt dieser Artikel wieder mal eindeutig — Bildung schützt vor Wahnsinn nicht und man muss stärker denn je die Beiträge von sog. Intellektuellen hinterfragen.

  7. Als Ausländerin in Deutschland kann ich sagen: selbst bei Menschen, die sehr starke Wunsch haben, sich zu integrieren, sogar sich zu assimilieren, ist Integration sehr schwer.
    Und noch mehr: selbst für deutsche Jugendliche, die aus nicht gerade reichen Familien stammen und nicht gerade beste Schüler sind, ist die Integration in Gesellschaft gar nicht selbstverständliche Sache.
    Nur für Ausländer ist das noch erschwert durch Vorurteile, durch anderes Aussehen, durch fehlende Beziehungen, bei manchen älteren — durch Sprachprobleme. Ausländer sind schlechtere Ware auf dem Arbeitsmarkt, das ist alles.

    Kapitalismus ist überhaupt so eine Sache, die nicht jedem erlaubt einfach sich in Gesellschaftsleben zu integrieren.

    Von anderer Seite, war Stolz von Deutschen betrifft, finde ich, ihr Deutsche sollt stolz sein. Ihr seid auch große Nation, von große Musiker, Denker, schließlich Marks gehört auch dazu. Warum denn soll man nicht hier stolz sein, das ist doch ganz normale Sache. Und es gab unter Deutschen nicht nur Nazis, sondern auch echte Helden in antifaschistischer Widerstand. Also jeder soll seinen Volk lieben, das ist normal. Und Abschaum gibt es auch in jedem Volk.

  8. Warum grade dieser Vortrag eines konservativen Profs in den Blättern ist, steht doch unübersehbar über dem Artikel selbst: die Redaktion bewertet ihn als einen zentralen Text in der Debatte, weil sich viele rechte Politiker auf ihn — den Vortrag und den Menschen — berufen. Der Text ist also auch mitnichten speziell für die Blätter geschrieben. Ich denke in 4’10 wird dann ein entsprechender langer Gegenaufsatz erscheinen, so etwas wird im Vorwort des Textes angekündigt.

    Ich fand den Vortrag ganz spannend auch wenn ich ihm bei keinem Ergebnis und nur bei wenigen Schlussfolgerungen zustimme. Spannend deshalb, weil es die Argumentation der intellektuellen Rechten widergibt, die man sonst nur sehen würde wenn man regelmäßig FAZ o.ä. lesen würde. Die Darstellung des Textes in diesem Blog-Eintrag ist ehrlich gesagt ziemlich flach, da wird mehr pauschalisiert als im Text selbst, der insgesamt nicht ganz so platt ist wie es die Textstellen (mit Auslassungen!) erscheinen lassen. Alle drei Stellen sind mir beim Lesen allerdings auch aufgefallen, insbesondere der Schlußsatz (ins Reine kommen bla, unmöglich und deplaciert).

  9. Dein »Karl« Schmitt heißt Carl Schmitt, du Trottel... und ich bin mir sicher, du hast nicht eines seiner Werke gelesen, aber Hauptsache die Nazi-Karte gespielt...DAS ist Faschismus, den politischen Gegner durch die moralischen »Oh-mein-Gott«-Joker hors-la-loi stellen

  10. Ich finde den Beitrag von »Als Ausländerin in Deutschland kann ich sagen« ganz toll und Isensee wuerde zu ihr sicher sagen: »Sie haben genau recht«.

    Isensee war der Liebling aller linken emanzipierten Jurastudentinnen in Bonn, endlich mal einer, der nicht Lernfabrik war.

    Die »Auslaenderin in Deutschland« zeigt aber vielleicht auch, dass es etwas gibt, das der Staat nicht schuetzen kann.

    Soll er die Liebe zur »Geschichtsgemeinschaft« schuetzen? Was soll man machen, wenn sich die seit 2009 sogenannte Beuth Hochschule neuerdings wieder umbenennt, weil Beuth ein Antisemit gewesen waere?

    Alles ist im Fluss und mit Bockenfoerde ist der Staat von Voraussetzungen abhaengig, die er nicht selbst schaffen kann.

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