Staubtrocken

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Ich denke es ist an der Zeit sich nach den doch eher ins flüssig bis gasförmig tendierenden Themen einem staubtrockenen Bereich zu widmen. Man kann das Thema, welches ich heute anschneiden möchte, fast als eigenes Element bezeichnen. Häufig wird es im allgemeinen Sprachgebrauch genutzt, aber eigentlich weiß kaum jemand exakt um was es sich dabei handelt: Staub.

Staub ist, wie ich befürchte wortwörtlich, in aller Munde. So wird er als die Metapher schlechthin für den Verfall allem Materiellen angesehen. Er wird in Sisyphos gleichendem Ausmaß und Erfolg bekämpft um den Anschein zu wahren man könne die Zeit aufhalten. Maschinen, die wenngleich sie auch mehr als nur Staub entfernen, werden nachdem Primärziel »Staubsauger« benannt. Aber ist es nicht tatsächlich so, dass wie der Name impliziert, diese Maschinen den Staub gar nicht »entfernen« sondern nur transportieren und der Staub sich nicht vielmehr einer endgültigen Auslöschung entzieht? Und heißt es nicht am Ende für uns alle »Asche zu Asche, Staub zu Staub«? Lässt das die Frage zu, ob lange nach einem Ende der Menschheit der Staub nicht als ewiges Mahnmal über den Resten unserer Zivilisation liegen wird, um daran zu erinnern, dass der Tribut, welcher der Zeit zu zollen ist nicht gestundet werden kann?

Sicherlich zulässig, werter Kollege, aber selbst so ein zahlenmäßig überlegender »Feind« kann nicht dauerhaft siegen. Denn wie der Phönix aus der Asche wird sich wieder eine Zivilisation erheben und im ewigen Kreislauf den Kampf gegen die Windmühlen aufnehmen. Und was die Menschheit vom Staub hält, zeigen doch sehr bildlich die Fußabdrücke von Neil Armstrong auf der Mondoberfläche.

Jedoch hoffe ich, dass der Kreislauf irgendwann durch die Erkenntnis gebrochen wird, dass wir mit dem Staub auch zusammenleben können. Leider hat er die sehr gemeine Eigenschaft für Milbenkot und Radioaktivität ein gutes Transportmittel zu sein, aber so ist er doch auch die einzigste Möglichkeit für unbewegliche Materie Einsamkeit auszudrücken. Ich denke da an die Grabkammer eines mumifizierten Kaisers oder die DVDs, die man gekauft hat mit dem Gedanken: »Ach der Film war doch nett, den könnte ich mal wieder schauen.« Und was ist mit den Geräten, die ohne Staub scheinbar gar nicht können. Welche Qualen fügen wir unserem HiDef-TV zu, wenn wir ihm am Frühjahrsputz von der im Rest des Jahres angesammelten, schützenden Staubschicht befreien. So lasse ich heute mein Putztuch liegen und atme einmal tief ein *hatschi*

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Wenn der Staub tatsächlich einer der größten »Feinde« des Menschen sein sollte, so hat der Mensch diesen Kampf schon längst verloren. Staub währt ewig und nichts kann ihn aufhalten. Tief in unserem Innern wissen wir, dass der Staub gesiegt hat – deswegen tun wir das einzige was uns übrig geblieben ist: wir versuchen ihn zu ignorieren! Nur: er ignoriert uns nicht! Er ist wie die allumfassende Macht eines Jedi-Meisters – er umgibt uns, er durchdringt uns! Ja, ich wage sogar zu behaupten, wenn der Jedi-Meister Yoda von der Macht gesprochen hat, meinte er den Staub! Denn er wusste wer sich den Staub untertan macht, hat eine unvorstellbare Macht in Händen! Nur um den Feind zu verwirren, heißt es: Möge die Macht mit Dir sein! Denn der wahre Ausspruch lautet: Möge der Staub mit Dir sein! Trotzdem sollten wir uns folgende Fragen vergegenwärtigen: Wann wird der Staub den Status Quo aufgeben und zurückschlagen? Welche Möglichkeiten haben wir ihm zu begegnen? Ist eine Kommunikation möglich, und wenn ja welche?

Ich befürchte, sollte der Staub seine lethargische Haltung aufgeben und eine aggressivere Form der Okkupation nicht nur dessen was verlassen und aufgegeben wurde anstreben, wird keine konservative Form der Krisenbewältigung ihn aufhalten können. Aber viel kritischer sehe ich das Problem, das der Staub eben nicht im klassischen Sinne angreift. Will man den Staub als Gegner klassifizieren wird man auf unüberwindbare Grenzen stoßen. Er hat keinerlei emotionale Beziehung zu dem was er umschlingt, seine passive Form der Okkupation ist es, die ihm seine Macht verleit. Er nimmt seinen »Gegnern« alles was diese nicht immerwährend instandhalten, pflegen und reinigen. Wenn diese immerwährenden Anstrengungen alle Kraft aus denen die versuchten dem Verfall zu widerstehen gesogen hat, dann werden sie selber zur letzten Ruh gebettet und eines seiner »Opfer«: Asche zu Asche, Staub zu Staub.

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Wir sind der Staub. Eure biologischen und technologischen Besonderheiten sind irrelevant. Ihr und euer Sein werdet zu Staub. Widerstand ist zwecklos, will uns der Staub sagen. Aber dem ist nicht so. Denn nur ein ständig anhaltender Widerstand kann die Balance halten. So ist der Staubwedel, die wohl erste nur für den Staub gedachte Waffe, die beste Versinnbildlichung des Kampfes. Denn anders als die inzwischen hochentwickelten Putztücher, die den Staub nicht loslassen und dieser somit aus unserem Heim entfernt werden kann, wirbelt der Staubwedel den Staub nur auf. Dies klingt für unsere Ohren vielleicht sinnlos, aber da wir den Kampf nicht gewinnen können, ist dieses ressourcenarme Entgegentreten die Akzeptierung des Schicksals.

Schließen wir nun also diesen Dialog über ein häufig vergessenes, ignoriertes und maßlos unterschätztes Element: den Staub. Zuvor jedoch soll der geneigte Leser am Erkenntnisgewinn unseres intellektuellen Austausches teilhaben: Ist der Staub Symbol, Mahnmal oder Metapher für die Vergänglichkeit des Seins? Ist er unser Feind, Freund oder hegt er eine unfreiwillige symbiotische Beziehung mit uns? Ist die Allgegenwart des Staubs ein Zeichen von Anerkennung oder die Vorbereitung einer kriegerischen Handlung? Sollte der Staub eines Tages uns aggressiv gegenübertreten, wie könnten wir ihn dann wirksam bekämpfen? Mit diesen Gedanken begebe ich mich nun zur Ruhe. Gute Nacht.


by
todesglupsch jtheripper epikur

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