Ad Sinistram

Roberto J. De Lapuente betreibt einen linkspolitischen Blog mit Namen »Ad Sinistram«. Für ihn sind »die herrschenden Gedanken nichts weiter als der ideelle Ausdruck der herrschenden materiellen Verhältnisse«.

ZG-TEAM: Wenn wir Blogs mit den klassischen Medien (Print, TV, Radio) vergleichen, welche Funktion erfüllen Blogs, die die klassischen Medien nicht erfüllen oder vielleicht sogar nicht erfüllen können?

Roberto: Was der Blogger tut, ist keine neue Erfindung. Einzig das Wie, wie er also seine »Botschaften« an den Mann bringt, unterscheidet sich technologisch von denen, die einst mit Flugblättern und Mund-zu-Mund-Propaganda auskommen mußten. So gesehen erfüllen Blogs nichts, was nicht auch andere, was auch Medien, erfüllen könnten. Könnten! Wenn sie es täten, wohlgemerkt. Was die sogenannten »klassischen Medien« nicht erfüllen, ist die Tatsache, objektiv zu berichten, ohne Ressentiment. Sie könnten es, denn immer wieder zeigen kleine Schmankerl, wie man in Bayern zu Köstlichkeiten sagt, dass unabhängige Berichterstattung machbar ist. Man denke an Magazine wie Monitor oder Zapp. Aber das sind Randerscheinungen, Raritäten, aber trotz ihrer Seltenheit zeigen sie uns, dass Medien all das könnten, was Blogger tun – sogar noch besser, weil technisch besser ausgestattet.

ZG-TEAM: Wenn Du an Deinen Blog denkst, was soll er Deiner Meinung nach können, was er jetzt noch nicht kann?

Roberto: Geschirrspülen. Nein, ich weiß nicht. Sollte die Frage rein »technisch« gemeint sein, dann muß ich passen. Davon habe ich wenig Ahnung. Mir geht es um Inhalte, um das, was ich sagen möchte, auch sagen muß, weil es mir zum Bedürfnis geworden ist, nämlich Meinung ohne Unverblümtheit kundzutun. Was soll er also können? Mehr Menschen ansprechen! Aber das ist keine Frage des Blogs, sondern des Bloginhalts. Naja, bilde ich mir zumindest ein, vielleicht sind »meine Inhalte« auch nicht mehrheitsfähig.

ZG-TEAM: Unter welchen Umständen würdest Du kommerzielle Werbung auf Deinem Blog schalten?

Roberto: Sag niemals nie, heißt es. Aber ich möchte schon behaupten, dass das nicht der Fall sein wird. Ich weiß indes nicht, ob das Werben für ein Buch, dessen Autor mir in Gesinnung nahesteht, der zudem kaum einen öffentlichen Markt für sein Werk erreichen kann, als kommerziell zu bezeichnen ist. Denn dafür habe ich, unentgeltlich, nur ein Freiexemplar einschiebend, geworben. Oder auch für das Ulrike-Meinhof-Archiv – ist das kommerzielle Werbung?

ZG-TEAM: Welchen Anteil an der Motivation zu schreiben haben für Dich die Kommentare? Anders gefragt: was würdest Du tun, wenn Du eine Woche lang, keine Kommentare hättest? Und unter uns, liest Du auch alle Kommentare?

Roberto: Unter uns: Nein, nicht komplett. Dazu fehlt die Zeit. Aber da ich die Kommentare freischalten muß, besser: möchte, überprüfe ich inhaltlich ein wenig, lese drüber, wie man so sagt. Mich würde Kommentarlosigkeit verwundern. Dann böte sich ein Artikel zu fehlenden Kommentaren an – die Trickserei des Schreibenden! Wenn man nichts mehr weiß, schreibt man von sich oder von den Nöten eines Schreibenden.

ZG-TEAM: Was sagst Du zu der Behauptung, dass viele Blogs sich innerhalb der gleichen Community bewegen und deshalb vor allem die Kommunikation zwischen Gleichgesinnten fördern, statt den Dialog zwischen verschiedenen Interessensgemeinschaften voranzutreiben?

Roberto: Ich kann nur nickend zustimmen. Zumindest stimmt das größtenteils. Ausnahmen gibt es aber auch, wenn z.B. die NachDenkSeiten jemanden aus der Blogger-Szene verlinken, womit »neue Kundschaft« bedient werden kann. Das zieht aber auch viele Menschen an, die wenig bis gar nichts von Unsereinem halten, die einem dann z.B., wie mir geschehen, unterstellen, man würde einen antisemitischen Männerbund betreiben. Aber natürlich stärkt dieses Unter-sich-bleiben auch, man weiß, man ist nicht alleine. Aber auf Dauer macht es mürbe oder läßt ein Avantgarde-Denken entstehen. Die Frage wird daher in den nächsten Jahren für uns bleiben: Wie erreichen wir Menschen, die womöglich kein Internet haben? Oder: Wie ziehen wir Leute zu uns, die nicht mal ahnen, dass es uns gibt?

ZG-TEAM: Zum Betreiben eines Blogs gehört auch das Lesen von themenverwandten Blogs dazu. Aus welchen Gründen liest Du andere Blogs und welche sind das genau?

Roberto: Ich lese einige Blogs, nicht immer von A bis Z, das habe ich vormals bei Tageszeitungen auch nicht getan. Welche das sind, kann man nicht erschöpfend behandeln. Lassen wir den Zeitgeist-Blog beiseite – dem Interviewer soll keine Bauchpinselei zugesprochen werden, das wäre unseriös. Nebenbei bemerkt befruchtet, Klaus Baum halte ich für eine etwas verkannte Größe, Feynsinn trifft meist meine Interessen. Aber es sind mehr, die ich jetzt nicht der lieben Verlinkerei wegen, nennen werde. Dies soll ja kein Werbeinterview sein...

ZG-TEAM: Manche behaupten Blogs sind tot, Twitter sei die Zukunft. Andere, dass es für potentielle Blogleser schwierig ist, den für sich geeigneten zu finden. Welche Methoden sind Deiner Meinung nach geeignet, um der zunehmenden Blog-Flut kreativ zu begegnen?

Roberto: Ich lese zum erstenmal etwas von Blog-Flut. Aber wenn von hundert Blogs weiterhin 48 damit beschäftigt sind, das eigene, wunderbare, herzzerreißende Leben zur langweiligen Prosa umzugestalten; wenn weitere 21 Blogs nur Fotos anbieten; wenn davon 15 Stück schlechte Witzgeschichten in das Weltweitweb stecken; wenn nochmal neun Weblogs sich Blumen, Briefmarken oder String-Sammlungen widmen; sechs verbliebene Blogs nach drei bis sieben Beiträgen verwaisen; damit letztendlich ein Blog übrigbleibt, welcher (oder welches) interessante und kritische Themen bietet; kurz, wenn alles so bleibt, wie es seit Jahren also schon ist, dann müssen wir der Blog-Flut nicht kreativ begegnen, dann trennt sich auch zukünftig die Spreu vom Weizen. Und glücksselig der, der sich in »Mein-Leben-ist-so-wundervoll«-Blogs wohlfühlt, denn ihm gehört das Himmelreich der grenzenlosen Auswahl.

ZG-TEAM: Zum Abschluss dieses Interviews möchten wir uns noch einmal, einer aus dem Blog entlehnten Technik bedienen, und Dir die Möglichkeit geben, unseren Interviewstil zu kritisieren und zu kommentieren. Gibt es also noch etwas was Du uns mit auf den Weg geben möchtest?

Roberto: Ihr seid gut. Nach acht Fragen eine Interviewanalyse. Also gut, Ihr solltet nicht zu früh derartige Fragen stellen. Und Ihr solltet Euch am Ende bei Eurem Interviewpartner bedanken. Oder kommt das etwa noch?

ZG-TEAM: Nö, aber eine Frage haben wir noch:
Hast Du eine persönliche Abneigung gegen Bilder oder warum sind in Deinem Blog so wenige zu bestaunen?

Roberto: Ja, ich bin allem Materiellen abgeneigt, bin strenger Asket, geißle meinen Körper, weil er Fleisch ist. Nein, ich bin nicht abgeneigt, aber mir geht es um Inhalte. Ich wußte gar nicht, dass Bilder erwünscht sind, das hat mir später mal, da gab es ad sinistram schon einige Zeit, ein gewisser Epikur mitgeteilt. Er meinte, dass man Leser auch visuell ansprechen sollte, wie der Zeitgeistblog ja beweist. So, nun habe ich doch bauchgepinselt. Aber letztlich sind Bilder nicht meine Welt, mir geht es um meine Texte. Dann und wann biete ich aber Bilder an – das sollte man schon noch hervorheben.

ZG-TEAM: Haha, Mission Kompliment-aus-Roberto-rauskitzeln erfolgreich. Aber nicht gleich wie die BILD-Zeitung werden... Achja und vielen Dank für das Interview, Roberto.

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